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Rx-Boni-Verbot

VOASG ist europarechtlich nicht vom Eis

Nach dem Go von EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton drückt die ABDA aufs Tempo beim Apotheken-Stärkungsgesetz. Europarechtlich ist die Novelle damit allerdings nicht vom Eis. Zuletzt hatten die politischen Interviews und Diskussionen bei der Expopharm Impuls erneut gezeigt, dass womöglich der Europäische Gerichtshof das letzte Wort in dieser Angelegenheit spricht.
Stephanie Schersch
08.10.2020  13:08 Uhr

Monatelang hatten Apotheker und Koalition ungeduldig auf Post aus Brüssel gedrängt. Vor einigen Tagen schließlich kam ein Brief von EU-Binnenmarkkommissar Thierry Breton an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Demnach hat die EU-Kommission offenbar keine grundlegenden Einwände gegen das geplante Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz (VOASG). Mit der Novelle will die Bundesregierung auch Versandapotheken im EU-Ausland an die deutsche Preisvorschriften binden. Boni dürften auch sie beim Kauf rezeptpflichtiger Arzneimittel dann nicht mehr gewähren.

ABDA-Präsident Friedemann Schmidt sieht mit der Stellungnahme Bretons nun die letzten Zweifel aus dem Weg geräumt. »Das bestätigt Aufbau und inhaltliche Argumentationslinie des VOASG, das sich auf eine sozialrechtliche Absicherung einheitlicher Abgabepreise konzentriert, die ja in nationaler Hoheit liegt«, sagte er in einer ABDA-Mitteilung. Dabei verwies Schmidt auch auf das IGES-Gutachten zum Apothekenmarkt. Darin kommen die Autoren zu dem Schluss, dass von der bevorstehenden Einführung des E-Rezepts vor allem die Versandhändler profitieren werden und damit eine neue Wettbewerbssituation entsteht. »Mit dem VOASG bekommen wir weitgehend den ordnungspolitischen Rahmen, den wir in diesem Wettbewerb brauchen«, so Schmidt. »Es ist deshalb nur konsequent, wenn die parlamentarische Beratung des Gesetzes jetzt im Oktober abgeschlossen wird und das Gesetz noch in diesem Jahr in Kraft tritt.«

Droht dem VOASG ein ähnliches Schicksal wie der PKW-Maut?

Nach dem aktuellen Zeitplan soll der Bundestag über das VOASG tatsächlich in der letzten Oktoberwoche entscheiden. Letztlich könnte die Novelle nach einer weiteren Beratung im Bundesrat dann Mitte Dezember in Kraft treten. Nach der monatelangen Odyssee, die das Gesetz bereits hinter sich hat, könnten die Apotheker dann erst einmal aufatmen. Allerdings: Ein Freifahrtschein ist der Brief von EU-Binnenmarktskommissar Breton nicht. Vielmehr könnte das Gesetz am Ende vor dem EuGH verhandelt werden.

Dass dies ein durchaus realistisches Szenario ist, stellte zuletzt auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn klar. Im Interview mit der PZ hatte er einen Vergleich gezogen und auf die PKW-Maut verwiesen. Diese hatte die Bundesregierung 2015 auf den Weg gebracht und schließlich auch das Okay der EU-Kommission eingeholt. Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg allerdings hatte in den Plänen einen Verstoß gegen EU-Recht gesehen und die Maut 2019 damit endgültig zu Fall gebracht. Ein ähnliches Schicksal könnte zumindest theoretisch auch das VOASG ereilen. Denn dass die Versender im EU-Ausland ihre Rx-Boni kampflos aufgeben werden, gilt als unwahrscheinlich. Immerhin zeigte sich Spahn optimistisch, dass es gelingen wird, das VOASG gegen alle Widerstände durchzubringen. So habe man einen »sehr guten rechtlichen Schutzwall aufgestellt«, sagt er.

Auch im Rahmen der Expopharm-Impuls diskutierte am vergangenen Dienstag eine Experten-Runde über die Chancen des VOASG und den Arzneimittelversandhandel. CDU-Arzneimittelexperte Michael Hennrich ist diesbezüglich allerdings zuversichtlich. Er erinnerte an die europäischen Gründungsverträge, nach denen die EU-Mitglieder ihre Gesundheitssysteme im Sozialrecht souverän ausgestalten können. Die Videos dazu sehen Sie hier:

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