Viel Kritik für verpflichtenden Notfallbotendienst |
Michael Bäumler-Sundmacher vom GKV-Spitzenverband erläuterte das Problem, das der GKV-SV mit dem jetzigen Botendienst hat: »Es liegt im Ermessen der Apotheke, wann ein Botendienst eingesetzt wird. Aber wir hätten gern einen objektiven Maßstab und dann kann es guten Gewissens zulasten der Solidargemeinschaft erbracht werden«, sagte er in der Anhörung. Dies müsse »nicht unbedingt die ärztliche Verordnung sein, es gibt auch andere Kriterien wie etwa ein Schwerbehindertenausweis mit Nachweis einer Gehbehinderung«. Generell müsse es objektivierbar sein, wann ein Botendienst erbracht wird.
Bäumler-Sundmacher betonte, dass die Notfallversorgung als Gesamtpaket gedacht werden müsse und man nicht einzelne Stücke herausgreifen dürfe. Zudem erklärte er, dass es nicht die Botendienste sein werden, die die wirtschaftlich nicht gut dastehenden Apotheken retten können. Der GKV-SV verfolge einen anderen Ansatz, nämlich die Möglichkeit, neue Versorgungsformen schaffen zu können. Hierbei erwähnte er Abgabeautomaten in kleinen Orten, mobile Apotheken an bestimmten Tagen und Orten oder Telepharmazie. »Der Kreativität, wie die Arzneimittelversorgung in Zukunft aussehen kann, sind allen Türen und Tore geöffnet«, erwiderte Overwiening. Jedoch würden beispielsweise Abgabeautomaten bestehenden Apotheken Konkurrenz machen. Es müsse eher den bestehenden Apotheken geholfen werden.
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) nahm den Antrag zum Anlass, ein ärztliches Dispensierrecht zu fordern: »Ein auf die Notfallversorgung und die Abgabemöglichkeit von akut benötigten Arzneimitteln wie etwa Schmerzmittel beschränktes Dispensierrecht für Ärzte würde ein wichtiges Instrument zur Verbesserung der Patientenversorgung darstellen. Der Patient könnte sofort das benötigte Arzneimittel erhalten und müsste nicht erst eine gegebenenfalls weit entfernte oder schwer erreichbare Notdienstapotheke aufsuchen oder mit dieser wegen einer Belieferung Kontakt aufnehmen und diese dann abwarten«, hieß es in einer Vorab-Stellungnahme. Dem Gedanken der besseren und schnelleren Versorgung der Patienten mit den erforderlichen Medikamenten habe der Gesetzgeber bereits mit der bis Anfang April 2023 befristeten Abgabemöglichkeit von Paxlovid an Covid-19-Patienten mit hohem Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf Rechnung getragen. Die ABDA lehnte diesen Vorschlag ab, denn dafür gebe es keinen Bedarf: »Wie viele Medikamente will ein Arzt denn vorhalten? Was ist mit der Lagerung von Kühlartikeln? Woher bezieht er es?«, so Overwiening in der Anhörung.
Nikolaus Schmitt vom Barmer-Institut für Gesundheitsforschung erklärte in der Anhörung noch einmal, warum die Kasse das während der Coronavirus-Pandemie eingeführte Botendienst-Honorar grundsätzlich hinterfragt. Laut Analyse wurden die Ziele der neuen Vergütung – die Kontaktvermeidung und die bessere Versorgung vulnerabler Gruppen – verfehlt. Die PZ hatte darüber berichtet. Laut Schmitt wurde nur jedes 11. Medikament an Versicherte zwischen 80 und 90 Jahren ausgeliefert – über 90 Prozent der Medikamente würden noch immer abgeholt. Unklar sei jedoch, ob vom Versicherten selbst oder anderen Personen wie Familie oder Verwandte. Außerdem kam die Studie zu dem Schluss, dass Botendienste in ländlichen Regionen nicht mehr eingesetzt werden als in den Städten. Schmitt ging jedoch nicht auf die inhaltlichen Fehler der Analyse ein, über die die PZ bereits berichtete.
Neben dem Botendienst wurde auch das Thema Null-Retaxationen in der Anhörung angesprochen. Gabriele Regina Overwiening bezeichnete diese als »ganz großes Wagnis« und eine Bedrohung für Apotheken, da sie zu Insolvenzen führen können.