Verzögerung bei der Remdesivir-Zulassung? |
Theo Dingermann |
28.05.2020 13:14 Uhr |
Bislang darf der Covid-19-Wirkstoff Remdesivir nur im Rahmen von klinischen Studien und Härtefallprogrammen eingesetzt werden. / Foto: Adobe Stock/sudok1
Zu Beginn der vergangenen Woche hatte der Direktor der EMA, Professor Dr. Guido Rasi, erklärt, dass seine Behörde zeitnah eine bedingte Marktzulassung für Remdesivir in der Europäischen Union erteilen könnte. Allerdings hat wohl der Hersteller von Remdesivir, der Pharmakonzern Gilead, bisher noch gar keinen Antrag auf Zulassung eingereicht, so Recherchen des Norddeutschen Rundfunks (NDR). Die EMA erwarte jedoch, dass dieser in Kürze eintreffen werde.
Zu dem anstehenden Zulassungsprozess von Remdesivir hat sich nach Informationen des NDR der Vorsitzende der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft, Professor Dr. Wolf-Dieter Ludwig, zu Wort gemeldet und vor einer zu schnellen Zulassung gewarnt. »Wir wissen noch viel zu wenig über die Nebenwirkungen«, sagte Ludwig dem NDR. »Das einzige, was Remdesivir bisher gezeigt hat, ist, dass es die Krankheitsdauer um vier Tage verkürzt. Aber das Mindeste müsste doch sein, dass die Patienten, die es rechtzeitig bekommen, weniger schwer krank werden«, so der AKDÄ-Vorsitzende.
Würde die EMA für Remdesivir tatsächlich eine bedingte Zulassung erteilen, kann jeder Arzt in Deutschland das Medikament einsetzen. Eine Folge wäre, so befürchtet es der Vorsitzende der AKDÄ, dass weniger Patienten in die derzeit laufenden Studien zu Remdesivir eingeschlossen würden. Bisher können Ärzte das Medikament nur im Rahmen von Studien oder Arzneimittel-Härtefallprogrammen (Compassionate Use) verordnen. Diese Einschränkungen entfallen, wenn eine Zulassung erteilt ist.
Risiken sieht der AKDÄ-Vorsitzende auch in der Tatsache, dass, wie das momentan durchaus Praxis ist, wichtige Studienstandards nicht eingehalten werden und wurden. Es werden Ergebnisse veröffentlicht, bevor die erhobenen Daten und Schlüsse unabhängig begutachtet wurden. Wie andere auch kritisiert Ludwig mit Nachdruck diese Fehlentwicklung.
Den Bedenken des Vorsitzenden der AKDÄ widerspricht der Leiter der Infektiologie an der Universitätsklinik Köln, Professor Dr. Gerd Fätkenheuer. Er war an der kritisierten Studie direkt beteiligt. Diese habe gezeigt, dass von den mehr als 1000 Covid-19-Patienten einige, die das Medikament bekamen, schneller wieder gesund wurden. Insgesamt starben etwas weniger Patienten in der Gruppe, die Remdesivir bekam, doch war der Unterschied zu gering, um aussagekräftig zu sein. Eine offene Frage sei noch, wann das Mittel am besten eingesetzt werde, sagt Fätkenheuer dem NDR.