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Tierversuch

Verlust des Y-Chromosoms könnte Männerherzen schaden

Im Alter verliert ein Teil der Blutstammzellen bei vielen Männern das Y-Chromosom. Ein internationales Forscherteam liefert jetzt Belege dafür, dass dies mit einem erhöhten Risiko für Herzinsuffizienz und Sterblichkeit assoziiert sein könnte.
Annette Rößler
18.07.2022  11:00 Uhr
Verlust des Y-Chromosoms könnte Männerherzen schaden

Mosaikartiger Verlust des Y-Chromosoms (mosaic Loss of Y Chromosome, mLOY) heißt das Phänomen, mit dem sich die Gruppe um Soichi Sano von der University of Virginia in Charlottesville aktuell im Fachjournal »Science« beschäftigt. Es beschreibt einen Zustand bei Männern, in dem ein Teil der Blutstammzellen das Y-Chromosom verloren hat. In der Folge geben die Leukozyten im Blut kein einheitliches Bild mehr ab, sondern es entsteht ein Mosaik, das sich aus Zellen mit Y-Chromosom und Zellen ohne Y-Chromosom zusammensetzt.

Bei erwachsenen Männern ist mLOY die häufigste Chromosomenveränderung in Leukozyten. Risikofaktoren sind Rauchen und ein höheres Lebensalter. So sei laut Sano und Kollegen bei 40 Prozent der 70-jährigen Männer ein mLOY nachweisbar; im Alter von 93 Jahren seien sogar 57 Prozent der Männer betroffen. mLOY werde mit zahlreichen Erkrankungen in Zusammenhang gebracht, darunter Leukämie, solide Tumoren, Alzheimer und kardiovaskuläre Ereignisse, sowie generell mit einem erhöhten Sterberisiko.

Die Forscher generierten für ihre Untersuchung mittels der CRISPR/Cas-Technologie männliche Mäuse mit mLOY und stellten bei diesen Tieren eine verstärkte altersabhängige Fibrose des Herzmuskels sowie einen Verlust der Herzfunktion fest. Kardiale Makrophagen – bestimmte Leukozyten, die nicht im Blut zirkulieren, sondern sich dauerhaft zwischen Herzmuskelzellen aufhalten – aktivierten, wenn ihnen das Y-Chromosom fehlte, verstärkt den Wachstumsfaktor TGFβ1 (Transforming Growth Factor β1) und begünstigten dadurch die Fibrose des Herzmuskels. Die Gabe eines gegen TGFβ1 gerichteten monoklonalen Antikörpers konnte diesen Prozess teilweise aufhalten.

Anhand von Daten aus der biomedizinischen Datenbank UK Biobank überprüften die Forscher die Übertragbarkeit dieser Ergebnisse auf den Menschen. In einer prospektiven Analyse stellten sie fest, dass mLOY bei Männern mit einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen und einer erhöhten Sterblichkeit aufgrund von Herzinsuffizienz einherging. Sie halten es daher für möglich, dass auch Männer mit mLOY von der Anwendung des Anti-TGFβ1-Antikörpers profitieren könnten.

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