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Spurensuche

Ursprung von SARS-CoV-2 wohl nicht mehr zu rekonstruieren

Die Frage nach einem direkten Vorläufer von SARS-CoV-2 ist nach wie vor unbeantwortet. Und das wird wohl auch so bleiben. Denn Coronaviren rekombinieren effizient untereinander, was Genomvergleiche mit aus Tieren isolierten Viren nahezu sinnlos macht.
Theo Dingermann
15.11.2022  09:00 Uhr
Ursprung von SARS-CoV-2 wohl nicht mehr zu rekonstruieren

Genomanalysen deuten an, dass sich SARS-CoV-2 wohl von Coronaviren ableitet, die in sich in Fledermäusen vermehren. Allerdings wurde eine Virus-Spezies, die als wahrscheinlicher Vorläufer von SARS-CoV-2 infrage kommt, bisher nicht gefunden. Das ist äußerst unbefriedigend, da immer wieder geargwöhnt wird, dass das Virus seinen Ursprung nicht in einem der vielfältigen Tierreservoire, sondern in einem Labor in Wuhan hat, in dessen Nähe die ersten Covid-19-Fälle auftraten.

Obwohl die meisten Wissenschaftler dieser These vehement widersprechen, ist die Situation unbefriedigend, und es werden große Anstrengungen unternommen, diesen Disput dadurch auszuräumen, dass ein plausibles Vorläufervirus gefunden wird.

Isolierung eines direkten Vorläufers von SAS-CoV-2 wohl kaum möglich

Dass dies wahrscheinlich nicht möglich ist, deutet ein Nachrichtenbeitrag des Journals »Nature« an, der über eine bisher unveröffentlichten Arbeit informiert, die Wissenschaftler am 8. November auf dem 7. World One Health Congress in Singapur vorgestellten. Diese Forschenden weisen darauf hin, dass Coronaviren RNA-Blöcke miteinander austauschen, ein Prozess, der als Rekombination bezeichnet wird. Damit ist in einem Virusgenom nicht eine einzelne Evolutionslinie abgebildet. Vielmehr kann ein solches Genom als ein Mosaik aus ganz verschiedenen Abstammungsgeschichten angesehen werden.

So legt die bisher in Form eines vorläufigen Reports vorgestellte Forschungsarbeit nahe, dass einige Abschnitte des SARS-CoV-2-Genoms andeuten, dass bestimmte Fledermaus-Coronaviren und SARS-CoV-2 eventuell 2016 einen gemeinsamen Vorfahren hatten – nur drei Jahre bevor das Virus Ende 2019 bei Menschen auftrat.

Wahrscheinlich war auch das Genom des direkten Vorfahren von SARS-CoV-2 eine »Mischung« aus Genombereichen mehrerer Viren. Und seitdem rekombinierte und mutierte das Virus in Fledermäusen weiter, sagt Professor Dr. Joel Wertheim, Molekularepidemiologe an der University of California in San Diego, USA, der an der jetzt vorgestellten Analyse mitgewirkt hat, gegenüber »Nature«. So können sich in Virusisolaten aus Fledermäusen möglicherweise Virusfragmente identifizieren lassen, die enger verwandt sind als die, die bisher in bekannten Coronaviren gefundenen wurden. Aber wahrscheinlich ließen sich direkte Vorfahren nicht mehr isolieren, sagt er.

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