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Positive Pandemiefolgen

Ungewohnt starke Kooperationen im Pharmabereich

In der Coronapandemie hat die Pharmawelt in bisher ungekannter Weise zusammengearbeitet und für eine Revolution bei Impfstoffen gesorgt. Die globale Krise hat aber auch Lücken in der Forschung aufgezeigt, die noch zu schließen sind.
Christina Hohmann-Jeddi
13.09.2021  18:00 Uhr
Ungewohnt starke Kooperationen im Pharmabereich

Auf die SARS-CoV-2-Pandemie war die Menschheit nicht gut vorbereitet. Welche Lehren man aus der Coronapandemie ziehen sollte und was speziell im Pharmabereich und im Gesundheitswesen aber auch gut gelaufen ist, diskutierten Experten bei der Pharmaworld im Rahmen der zweiten virtuellen Expopharm Impuls am Sonntag. »Uns muss klar sein, dass nach der Pandemie vor der Pandemie ist«, sagte Professor Dr. Jochen Maas, Geschäftsführer Forschung & Entwicklung von Sanofi-Aventis. Das Coronavirus sei nicht das letzte Virus, dass die Menschheit heimsuchen werde. Entsprechend wichtig sei es, Lehren aus der Pandemie zu ziehen.

Eine Lektion sei, dass die Antiinfektiva-Forschung, vor allem die Forschung an antiviralen Substanzen, verstärkt werden müsse – auch hier in Deutschland, betonte Maas. Die Forschung in diesem Bereich sei jahrzehntelang vernachlässigt worden, auch aus der Fehleinschätzung heraus, man habe die Infektionskrankheiten im Griff. Hier seien besondere Anreizsysteme zu etablieren, um die Forschung zu stärken.

Derzeit seien die therapeutischen Mittel gegen SARS-CoV-2 begrenzt, aber es werde mit Hochdruck an spezifischen Substanzen gegen das neue Coronavirus gearbeitet. Diese könnten bald zur Zulassung kommen, sagte Maas. »Ich bin überzeugt, dass wir noch in diesem Jahr das erste spezifische Medikament gegen SARS-CoV-2 sehen werden.« Die Antiinfektiva-Forschung werde eine Renaissance erleben.

Revolution im Impfstoffsektor

Deutlich besser als bei den Therapeutika sieht es bereits bei den Prophylaktika gegen SARS-CoV-2 aus. Im Bereich der Impfstoffforschung habe man große Durchbrüche gesehen. Gerade die mRNA-Impfstoffe stellten eine Revolution dar und könnten nicht nur den Impfstoff-, sondern auch den Arzneimittelsektor umkrempeln, so Maas. Weniger positiv sieht er die Zukunft der Vektorimpfstoffe. Wozu solle man ein Virus zum Transport von genetischer Information verwenden, wenn man diese auch in Lipidtröpfchen in die Zelle transportieren könne, fragte er. Die mRNA-Impfstoffe würden sich zusammen mit den proteinbasierten Impfstoffen gegen Covid-19, die erwartet werden, den Markt aufteilen, zeigte sich Maas überzeugt.

Vier Impfstoffe gegen einen neuen Erreger innerhalb eines Jahres zu entwickeln, sei eine enorme Leistung, die nur mit starker Anstrengung und ungewohnter Kooperationsbereitschaft gemeistert werden konnte. Erbitterte Konkurrenten in der Pharmaindustrie kooperierten derzeit miteinander, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen: möglichst schnell Schutzimpfstoffe zu entwickeln und möglichst viele Impfdosen zu produzieren. Sanofi fülle für Biontech und Moderna ab, Novartis für Biontech, Bayer kooperiere mit Curevac. »So was hätte es früher nicht gegeben«, so Maas.

Auch die Zusammenarbeit der Pharmaindustrie mit den Behörden sei in der Krise »einmalig« gewesen. Eine ähnliche Kooperation wünsche er sich für die Zukunft auch im Arzneimittelbereich, in dem die Entwicklung und Zulassung von neuen Wirkstoffen immer noch etwa zehn Jahre dauere. Dann könnten Arzneimittel rascher bei den Patienten ankommen.

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