Treuhand klagt für AvP-Apotheke gegen Finanzamt |
Ein Rechtsstreit zwischen der Finanzverwaltung und einer AvP-Apotheke hat sich entbrannt: Die Treuhand vertritt eine von der Rechenzentrums-Pleite betroffene Apotheke in der Frage ob sie Umsatzsteuer für den Zeitraum August und September 2020 zahlen muss – oder nicht. / Foto: Adobe Stock/Hans-Jörg Nisch
Aufgrund der Pleite des Apothekenrechenzentrums AvP hatten tausende Apotheken mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen, einige mussten aufgrund der Zahlungsausfälle sogar selbst Insolvenz anmelden. Die Mehrheit der Apotheken wartet immer noch auf ihr Geld, zudem mussten die Apotheken die Umsatzsteuer auch in der entsprechenden Zeit abführen, obwohl sie für den kompletten oder teilweisen Zeitraum noch keine Zahlung von den Krankenkassen erhalten haben. Dagegen möchte die Treuhand Hannover nun vorgehen und vor das Finanzgericht Baden-Württemberg ziehen.
Was ist genau passiert? Finanzämter hatten bei den Apotheken auch für die Monate August und September 2020 die Umsatzsteuer verlangt. Betroffene Betriebe müssten also selbst bei einem »kompletten Ausfall der gegenüber der AvP Deutschland GmbH bestehenden Forderungen Umsatzsteuer in voller Höhe entrichten«, so die Steuerberatungsgesellschaft in einer kürzlich veröffentlichten Mitteilung.
Diese Forderung, selbst im Totalausfall Umsatzsteuer in voller Höhe abgeben zu müssen, habe im Berufsstand für Empörung und Unverständnis gesorgt, erklärt die Steuerberatung. Die Apotheken hätten hier Einspruch eingelegt. Diese seien aber von den Finanzämtern mit dem Hinweis auf die aktuell geltende Rechtslage abgelehnt worden. Gegen diese sogenannte ablehnende Einspruchsentscheidung eines Finanzamts hat die Treuhand Hannover nun erstmals im Auftrag einer betroffenen AvP-Apotheke Klage erhoben.
Der juristische Streit entfaltet sich in der Frage, wer die Umsatzsteuer am Ende tragen muss. Klar ist, die Apotheke als leistendes Unternehmen muss die Umsatzsteuer abführen, aber was passiert, wenn die Zahlung der Krankenkassen ausbleibt, wie im AvP-Fall?
Die Treuhand Hannover ist der Auffassung, dass keine Umsatzsteuer auf die ausgefallenen Forderungen erhoben werden darf. Und sie argumentiert damit, dass die Reaktion der Finanzämter – die Einsprüche abzulehnen – europarechtswidrig sei. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) habe in einer Vielzahl von Urteilen entschieden, dass die Umsatzsteuer vom Leistungsempfänger (hier die gesetzliche Krankenversicherung) und nicht vom leistenden Unternehmer (hier die Apotheke) getragen werden muss. Die Höhe der Umsatzsteuer müsse sich am Betrag bemessen, den der leistende Unternehmer vereinnahmt hat. Die entsprechende Vorschrift habe der deutsche Gesetzgeber nach den EuGH-Urteilen im Umsatzsteuergesetz angepasst. Die Finanzverwaltung stützt sich in ihrer Argumentation aber auf eine alte und damit unionsrechtswidrige Fassung des Umsatzsteuergesetzes, erklärt die Treuhand Hannover. Aus diesem Grund klagt die Treuhand nun vor dem Finanzgericht Baden-Württemberg in Stuttgart. Der Prozess läuft bereits, kann sich aber über Monate hinwegziehen, sagte der Steuerberater Franz Nicolas Keil von der Treuhand der PZ.
Das nun angestoßene Verfahren könne damit als eine Art Musterprozess verstanden werden und die Hürden für weitere Klagen gegen den Einzug der Umsatzsteuer für die ausgefallenen Zahlungsmonate anderer Apotheken senken, so Keil. Sprich, falls das Finanzgericht dem Kläger Recht geben sollte, sei mit weiteren Klagen gegen ablehnende Einspruchsentscheidungen zu rechnen.