Steckbrief Clindamycin |
Sven Siebenand |
19.04.2022 07:00 Uhr |
Nach einem Besuch in der Zahnarztpraxis wird unter Umständen die Einnahme eines Antibiotikums verordnet. Nicht selten steht Clindamycin auf dem Rezept. Die Menge der Clindamycin-Verordnungen durch Zahnärzte wird seit einiger Zeit immer wieder kritisiert. / Foto: Adobe Stock/LuckyBusiness
Wie wirkt Clindamycin antibiotisch?
Clindamycin bindet an die 50S-Untereinheit des bakteriellen Ribosoms. Dadurch wird die Proteinbiosynthese gehemmt. Hieraus resultiert eine bakteriostatische Wirkung. Der Mechanismus ähnelt also jenem der Makrolid-Antibiotika.
Bei welchen bakteriellen Infektionen kommt Clindamycin zum Einsatz?
Das Antibiotikum wird zur Behandlung akuter und chronischer bakterieller Infektionen durch Clindamycin-empfindliche Erreger angewendet. Dazu zählen Infektionen des Hals-Nasen-Ohren-Bereichs und der tiefen Atemwege, aber auch Infektionen des Zahn- und Kieferbereichs, der Knochen und Gelenke, des Becken- und Bauchraums und der weiblichen Geschlechtsorgane. Auch bei Infektionen der Haut- und Weichteile und bei Scharlach kommt Clindamycin zum Einsatz.
Welche Dosierung wird empfohlen?
In Abhängigkeit von Ort und Schweregrad der bakteriellen Infektion nehmen Erwachsene und Jugendliche über 14 Jahren täglich 0,6 bis 1,8 g Clindamycin ein. Kinder im Alter über vier Wochen bis 14 Jahre erhalten täglich 8 bis 25 mg Clindamycin pro kg Körpergewicht. Die tägliche orale Einnahmemenge wird auf drei bis vier Einzeldosen verteilt. Die Einnahme sollte zusammen mit ausreichend Flüssigkeit (mindestens ein großes Glas Wasser) erfolgen, um Reizungen der Speiseröhre zu vermeiden.
Bei vaginaler Applikation wird Clindamycin in der Regel einmal täglich angewendet. Genauso ist es, wenn Clindamycin-haltige Kombinationsmittel als Topika bei Akne zum Einsatz kommen. Hintergrund zum Einsatz bei Akne: Clindamycin kann auch dem Propionibacterium acnes zu Leibe rücken.
Welche Nebenwirkungen sind bei systemischer Gabe möglich?
Häufig sind bei systemischer Gabe von Clindamycin Bauchschmerzen, Durchfall und pseudomembranöse Enterokolitis.
Was ist mit der Clindamycin-Einnahme in Schwangerschaft und Stillzeit?
Laut embryotox.de, der Website des Pharmakovigilanz- und Beratungszentrums für Embryonaltoxikologie der Berliner Charité, ist Clindamycin nur ein Reservemittel in der Schwangerschaft. Es sollte erst nach Prüfung besser geeigneter Alternativen eingesetzt werden. Auch in der Stillzeit seien Penicilline, Cephalosporine und Makrolide zu bevorzugen. Falls Clindamycin zwingend indiziert ist, könne aber auch darunter gestillt werden.
Welche Wechselwirkungen gilt es zu beachten?
Clindamycin sollte möglichst nicht mit Erythromycin kombiniert werden, da hinsichtlich der antibakteriellen Wirkung in vitro ein antagonistischer Effekt beobachtet wurde. Ferner kann das Antibiotikum aufgrund seiner neuromuskulär-blockierenden Eigenschaften die Wirkung von stabilisierenden Muskelrelaxanzien verstärken. Hierdurch können bei Operationen unerwartete, lebensbedrohliche Zwischenfälle auftreten.
Die Sicherheit der empfängnisverhütenden Wirkung von oralen Kontrazeptiva ist bei gleichzeitiger Anwendung von Clindamycin infrage gestellt. Daher sollten während der Behandlung mit dem Wirkstoff zusätzlich andere empfängnisverhütende Maßnahmen Verwendung finden.
Bei Patienten, die Clindamycin zusammen mit Vitamin-K-Antagonisten erhielten, wurden erhöhte Blutgerinnungswerte und/oder Blutungen berichtet. Die Blutgerinnungswerte gilt es daher, bei diesen Patienten engmaschig zu kontrollieren.
Wieso setzen Ärzte Clindamycin eigentlich auch bei nicht bakteriellen Erkrankungen ein?
In der Tat hat der Wirkstoff auch einen Platz in der Therapie von Erkrankungen, die nicht von Bakterien verursacht werden. So ist es zum Beispiel (in Kombination mit Primaquin) bei Aids-Patienten mit einer Pneumonie, die durch den Pilz Pneumocystis jirovecii hervorgerufen wird. Der Wirkmechanismus ist hier unklar. Etwas mehr weiß man zum Wirkmechanismus bei der parasitären Erkrankung Toxoplasmose. Bei Protozoen zielt Clindamycin auf die Proteinsynthese in einem parasitenspezifischen Organell, dem Apicoplast. Dieses hängt vermutlich mit der Mitochondrienfunktion und dem Lebenszyklus des Parasiten zusammen.
Ist Clindamycin ein Naturstoff?
Nein. Es handelt sich um ein halbsynthetisches Derivat des Antibiotikums Lincomycin, welches wiederum aus Kulturen von Streptomyces lincolnensis stammt. Lincomycin ist in manchen Tierarzneimitteln enthalten. Zum Beispiel in den USA gibt es auch Lincomycin-haltige Humanarzneimittel.
Strukturformel von Clindamycin / Foto: Wurglics