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Häufige Arzneistoffe

Steckbrief Cefuroxim

Etwas sonderbar ist es schon, dass Cefuroxim das am häufigsten verordnete Cephalosporin und das zweitgängigste Antibiotikum überhaupt ist. Denn der Wirkstoff ist in keiner deutschen Leitlinie das Antibiotikum der ersten Wahl. Bei Ärzten ist es aber offenbar trotzdem sehr beliebt.
Sven Siebenand
09.12.2020  07:00 Uhr

Wie wirkt Cefuroxim?

Cephalosporine und damit auch Cefuroxim gehören wie Penicilline zu den β-Lactam-Antibiotika. Während der Grundkörper der Penicilline aus einem bizyklischen Ringsystem mit einem fünfgliedrigen Thiazolidin- und dem charakteristischen viergliedrigen β-Lactam-Ring besteht, ist der fünfgliedrige Ring bei Cephalosporinen zu einem Sechserring erweitert. Cefuroxim gehört zur zweiten Generation der Cephalosporine (Kasten) und hemmt die bakterielle Zellwandsynthese durch Bindung an Penicillin-bindende Proteine. Dies führt schließlich zur Lyse der Zellwand und damit zum Tod der Bakterienzelle. Menschenzellen besitzen keine Wand, weshalb β-Lactam-Antibiotika insgesamt als gut verträglich gelten.

In oralen Cefuroxim-Präparaten ist das Ester-Prodrug Cefuroximaxetil enthalten. Dieses wird nach der Einnahme zum aktiven Wirkstoff Cefuroxim durch Esterasen hydrolysiert.

In welchen Indikationen ist Cefuroxim zugelassen?

Das Cephalosporin darf bei unterschiedlichen bakteriellen Infektionen zum Einsatz kommen. Dazu gehören zum Beispiel Atemwegsinfektionen wie Sinusitis, Bronchitis, Tonsillitis und Pharyngitis. Auch bei akuter Mittelohrentzündung ist der Wirkstoff zugelassen, ebenso bei Infektionen im Harntrakt (Zystitis, Pyelonephritis), bei unkomplizierten Infektionen der Haut und des Weichteilgewebes und zur Behandlung einer Lyme-Borreliose im Frühstadium.

Welche Dosierung von Cefuroxim wird empfohlen?

Je nach Infektion wird bei Erwachsenen und Kindern ab 40 kg Körpergewicht zu zweimal täglich 250 bis 500 mg Wirkstoff geraten. Leichtere Kinder erhalten je nach Indikation zweimal 10 bis 15 mg pro kg Körpergewicht bis zu einer Höchstdosis von zweimal täglich 125 bis 250 mg. Hierzu eignen sich die verfügbaren Granulate zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen.

Grundsätzlich ist die Einnahme nach einer Mahlzeit oder zum Essen ratsam, um eine optimale Resorption zu erreichen. Die Therapiedauer liegt meist zwischen fünf und zehn Tagen.

Welche Nebenwirkungen sind möglich?

Die häufigsten Nebenwirkungen sind vermehrtes Wachstum von Candida, Eosinophilie, Kopfschmerzen, Schwindel, gastrointestinale Beschwerden und ein vorübergehender Anstieg der Leberenzyme. In den Fachinformationen der verschiedenen Cefuroxim-Präparate findet sich auch ein Warnhinweis zu Überempfindlichkeitsreaktionen. Bei Patienten mit bekannter Überempfindlichkeit gegen Antibiotika aus der Gruppe der Cephalosporine und bei schwerer Überempfindlichkeit gegen andere β-Lactam-Antibiotika in der Krankheitsgeschichte ist Cefuroxim kontraindiziert.

Was ist mit Cefuroxim in Schwangerschaft und Stillzeit?

Laut embryotox.de, der Website des Pharmakovigilanz- und Beratungszentrums für Embryonaltoxikologie der Berliner Charité, gehört der Arzneistoff in Schwangerschaft und Stillzeit zu den Antibiotika der Wahl. In den Fachinformationen drücken sich die Hersteller zurückhaltender aus. Der Wirkstoff sollte Schwangeren nur verordnet werden, wenn der therapeutische Nutzen die Risiken überwiegt, heißt es darin. Zudem sollte Cefuroxim während der Stillzeit nur nach einer Nutzen-Risiko-Abwägung durch den behandelnden Arzt angewendet werden.

Welche Wechselwirkungen gilt es zu beachten?

Arzneimittel zur Senkung der Magensäureproduktion tendieren dazu, den Effekt einer verbesserten Resorption bei Einnahme nach einer Mahlzeit aufzuheben. Zudem kann das Antibiotikum die Darmflora verändern, was zu einer verminderten Resorption von Estrogenen und somit zu einem Wirksamkeitsverlust kombinierter oraler Kontrazeptiva führen kann.

Cefuroxim wird durch glomeruläre Filtration und tubuläre Sekretion ausgeschieden. Die gleichzeitige Anwendung von Probenecid erhöht signifikant die Maximalkonzentration und die Eliminationshalbwertszeit von Cefuroxim und wird daher nicht empfohlen.

Ein kritisches Schlusswort

Der Hype um Cefuroxim ist nicht wirklich nachvollziehbar. Das Antibiotikum hat eine eher schlechte orale Bioverfügbarkeit. Die Plasmaspiegel fallen oft schon nach wenigen Stunden wieder aus dem therapeutischen Bereich. Von den üblichen Dosen, vor allem der zweimaligen Gabe von 250 mg pro Tag, ist zu befürchten, dass sie oft zu gering sind, um am Wirkort eine genügend hohe Konzentration zu erzielen. Last, but not least ist zu bedenken, dass unkomplizierte Harnwegsinfektionen (HWI) am häufigsten durch Escherichia coli verursacht werden und Cefuroxim-resistente E. coli keine Ausnahme mehr sind. Das heißt, Cefuroxim hat in der Therapie nichts zu suchen – es steht ja auch nicht in der entsprechenden Leitlinie. Dennoch kommt es hier immer wieder zum Einsatz.

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