Steckbrief Bilastin |
Annette Rößler |
01.02.2023 07:00 Uhr |
Viele Hausstaub-Allergiker haben sommers wie winters Probleme. Sie können Bilastin ganzjährig gegen ihre Allergiesymptome einsetzen. / Foto: Adobe Stock/galitskaya
Was ist das Einsatzgebiet von Bilastin?
Saisonale oder ganzjährige allergische Rhinokonjunktivitis sowie Urtikaria lauten die Anwendungsgebiete von Bilastin. Die Anwendungsdauer soll bei saisonalen Beschwerden auf den Zeitraum der Exposition beschränkt sein. Bei ganzjähriger Allergie ist eine Dauerbehandlung möglich.
Wie wirkt Bilastin?
Bilastin ist ein Vertreter der Wirkstoffklasse der H1-Antihistaminika. Diese Arzneistoffe wirken dem Gewebshormon Histamin entgegen, das bei allergischen Reaktionen in großer Menge freigesetzt wird. Es gibt vier bekannte Histamin-Rezeptoren (H1 bis H4), wobei Allergiesymptome an der Nase, den Augen und der Haut maßgeblich über H1-Rezeptoren vermittelt werden. H1-Antihistaminika der ersten Generation, etwa Clemastin, Dimetinden und Diphenhydramin, haben neben der antiallergischen auch eine zentral dämpfende Wirkung, die bei Wirkstoffen der zweiten Generation, zum Beispiel (Levo)Cetirizin, (Des)Loratadin oder eben Bilastin fehlt. Zwar können auch die Zweitgenerations-Substanzen die Blut-Hirn-Schranke überwinden, doch werden sie vom Transportprotein P-Glykoprotein (P-gp) aktiv wieder aus dem ZNS herausbefördert. Ebenfalls nicht vorhanden ist bei Bilastin eine antimuskarinerge Wirkung, die von den älteren Substanzen etwa Diphenhydramin aufweist.
Wie wird Bilastin dosiert?
Empfohlen wird für Erwachsene und Jugendliche ab zwölf Jahren die Einnahme von 20 mg (eine Tablette) einmal täglich. Noch nicht verfügbar, aber nach einem positiven Votum des Sachverständigenausschusses für Verschreibungspflicht wahrscheinlich bald in Sicht ist zudem eine niedrigere Dosierung von 10 mg pro Tablette, die dann auch für Kinder zwischen sechs und elf Jahren mit einem Körpergewicht von mindestens 20 kg vorgesehen sein wird. Da Nahrungsmittel oder Fruchtsäfte – vor allem Grapefruitsaft – die orale Bioverfügbarkeit von Bilastin um 30 Prozent senken, soll der Patient zwei Stunden vor und eine Stunde nach der Einnahme der Tablette nichts essen und keinen Saft trinken.
Nach oraler Aufnahme wird Bilastin rasch resorbiert; die maximale Plasmakonzentration wird nach etwa 1,3 Stunden erreicht. Bilastin wird nicht metabolisiert und unverändert über den Urin (etwa ein Drittel) und die Fäzes (etwa zwei Drittel) ausgeschieden. Weder eine Nieren- noch eine Leberinsuffizienz erfordern eine Dosisanpassung. Bei gesunden Menschen beträgt die mittlere Eliminationshalbwertszeit 14,5 Stunden.
Welche Nebenwirkungen kann Bilastin haben?
Müdigkeit und Somnolenz sind die wichtigsten potenziellen Nebenwirkungen von H1-Antihistaminika, die jedoch bei Wirkstoffen der zweiten Generation deutlich weniger stark ausgeprägt sind als bei den Vorgängersubstanzen. Für Bilastin wird die Häufigkeit von Somnolenz beziehungsweise Ermüdung in der Fachinformation mit 3,06 Prozent beziehungsweise 0,83 Prozent angegeben, wobei auch unter Placebo 2,86 Prozent der Patienten von Somnolenz beziehungsweise 1,32 Prozent von Ermüdung berichtet hätten.
Welche Wechselwirkungen sind zu beachten?
Laut Fachinformation gibt es außer der bereits erwähnten Wechselwirkung mit der Nahrung keine klinisch relevanten Interaktionen, auch nicht mit Alkohol oder anderen zentral dämpfenden Mitteln wie dem Benzodiazepin Lorazepam.
Ist Bilastin für Schwangere und Stillende geeignet?
Bilastin soll aus Vorsichtsgründen nicht in der Schwangerschaft eingenommen werden; In der Stillzeit gibt es keine eindeutige Empfehlung. Als mögliche Alternative kommt etwa Loratadin infrage, für das Embryotox, das Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie der Berliner Charité, in allen Phasen der Schwangerschaft und in der Stillzeit uneingeschränkt grünes Licht gibt.
Allegra®? Der Name kommt mir doch bekannt vor?
Bilastin hieß als Rx-Präparat Bitosen®; dieses ging zum 1. März 2022 außer Vertrieb. Seit 1. Januar 2023 ist es als OTC-Präparat unter dem Namen Allegra® verfügbar. Hersteller ist die Firma Nattermann, eine Tochtergesellschaft von Sanofi-Aventis. Letztere hat in Österreich unter demselben Markennamen Allegra® ein anderes H1-Antihistaminikum im Handel: Fexofenadin. Hierbei handelt es sich ebenfalls um einen Wirkstoff der zweiten Generation, den Nattermann in Deutschland als Telfast® vermarktet.
Fexofenadin ist eine Weiterentwicklung von Terfenadin (Teldane® und Generika), das 1998 wegen kardiotoxischer Nebenwirkungen vom Markt genommen wurde. Die Zusammenhänge sind pharmakologisch interessant: Terfenadin ist ein Prodrug, das in der Leber über CYP3A4 in die Wirkform Fexofenadin überführt wird. Ist der Metabolismus – etwa aufgrund von Interaktionen mit anderen Arzneimitteln oder zum Beispiel Grapefruitsaft – behindert, akkumuliert das arrhythmogene Terfenadin und das nicht kardiotoxische Fexofenadin wird kaum gebildet. Aus dem gleichen Grund verschwand auch das H1-Antihistaminikum Astemizol (Hismanal®) 1999 wieder vom deutschen Markt.
Strukturformel Bilastin / Foto: Wurglics