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Covid-Impfstoff

Starke Schutzwirkung eines Lebendimpfstoffs bei Hamstern

Obwohl die zugelassenen Coronaimpfstoffe einen sehr guten Schutz vor schweren Covid-19-Verläufen bieten, wird mit Hochdruck an neuen Impfstoffkonzepten gearbeitet. Vor allem Lebendimpfstoffe gelten als vielversprechend. Ein Kandidat wurde jetzt erfolgreich an Hamstern getestet.
Theo Dingermann
18.05.2022  18:00 Uhr

Bereits im August letzten Jahres hatten Dr. Jakob Trimpert und Kollegen vom Institut für Virologie der Freien Universität Berlin die Entwicklung des sicheren abgeschwächten Lebendimpfstoffs sCPD9 zum Schutz vor SARS-CoV-2-Infektionen beschrieben. Dieser nasal zu applizierende Impfstoffkandidat trägt in dem Nicht-Strukturprotein 16 (Nsp16) etwa 200 Punktmutationen, wodurch das Virus stark abgeschwächt wird. Eine aktuelle Studie an Goldhamstern, deren Ergebnisse nun von Dr. Geraldine Nouailles und ihren Kollegen von der Charité-Universitätsmedizin Berlin auf dem Preprintserver »BioRxiv« publiziert wurden, belegt für diesen Lebendimpfstoffkandidaten nun ein beeindruckendes Leistungsspektrum.

Die Autoren verglichen die Immunreaktionen und die präklinische Wirksamkeit des sCPD9-Impfstoffkandidaten nach Einzel- und Doppelimpfung in Goldhamstern mit dem mRNA-Impfstoff BNT162b2 (Comirnaty® von Biontech/Pfizer) und mit einem Impfstoffkandidaten auf Basis eines rekombinanten Adenovirus, der das virale Spike-Protein kodiert (Ad2-spike).

Alle Impfregime, die den sCPD9-Impfstoff enthielten, waren den Vergleichsregimen deutlich überlegen. Die durch sCPD9 hervorgerufene robuste Immunität zeigte sich in einem breiten Spektrum von Immunparametern vor allem auch nach einer Provokation mit SARS-CoV-2.

Zwar konnte keines der getesteten Impfregime eine Infektion durch eine Provokation mit SARS-CoV-2 verhindern. Allerdings fiel bereits bei der groben Beurteilung der Tiere auf, dass nach einer Impfung mit sCPD9 der Gewichtsverlust nach einer Provokation mit SARS-CoV-2 deutlich weniger ausgeprägt war als bei Tieren, die mit den beiden anderen Impfstoffen immunisiert worden waren. Auch die Viruslast wurde bei den einfach oder doppelt mit sCPD9 geimpften Tieren stärker reduziert als bei den Kontrolltieren. Eine heterologe Boosterimpfung mit dem mRNA-Impfstoff plus sCPD9 schützte besser als eine homologe mRNA-Boosterimpfung.

In der Histopatologie des Lungengewebes fiel auf, dass kaum Schäden des Organs bei den Tieren beobachtet wurden, die mit sCPD9 geimpft worden waren. Zudem ließ sich durch Einzelzell-RNA-Sequenzierung zeigen, dass vor allem in Makrophagen und Endothelzellen der mit sCPD9 geimpften Tiere sehr geringe Mengen pro-inflammatorischer Zytokine produziert wurden.

Mit dem Serum der mit sCPD9 geimpften Tiere ließ sich effizient die SARS CoV-2-Variante B.1 neutralisieren. Ebenso zeigten die Seren der sCPD9-geimpften Tiere ein überlegenes Neutralisierungspotenzial für die Virusvarianten B.1.351 (Beta), B.1.617.2 (Delta) und B.1.1.529 (Omikron, BA.1), insbesondere dann, wenn die Antikörpertiter noch nicht durch die Provokationsinfektion beeinflusst waren. Allerdings war für die Omikron BA.1-Variante die Neutralisierungskapazität in allen Gruppen deutlich reduziert.

Ein Teil der B-Zellen zeigten eine Genexpressionssignatur, die darauf hindeutet, dass es sich um Gedächtniszellen handelt, vor allem dann, wenn die Tiere zweimal mit sCPD9 geimpft waren. In der Lunge der zweimal mit sCPD9 geimpften Tieren wurde ein höherer Anteil an gewebeständigen CD4+-Gedächtnis-T-Zellen gemessen als bei den Kontrolltieren, was auf eine stärkere T-Zell-Aktivierung hindeutet. Ebenfalls ließ sich eine Spike-IgA-Immunität nur in den Nasen der mit sCPD9 geimpften Tiere nachgewiesen.

Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass die Verwendung von abgeschwächten Lebendimpfstoffen Vorteile gegenüber den verfügbaren Covid-19-Impfstoffen bieten kann, auch dann, wenn der Lebendimpfstoff als Auffrischungsimpfung einer mit einem mRNA-Impfstoff etablierten Grundimmunisierung eingesetzt wird. Um irgendwann in den Einsatz zu kommen, müssen aber noch Daten bei Menschen erhoben werden. 

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