Stabile Lieferketten kosten Geld |
Jennifer Evans |
23.04.2021 12:00 Uhr |
Auf dem Podium beim Frühlingstalk von Pro Generika diskutieren unter anderem der Arzneimittelexperte Michael Hennrich (CDU, l.) und Grünen-Gesundheitspolitikerin Kordula Schulz-Asche (Mitte) über künftige Schritte, die Arzneimittelversorgung stabiler zu machen. / Foto: Pro Generika/Svea Pietschmann
Insbesondere während der Coronavirus-Pandemie haben sich laut Pro-Generika-Geschäftsführer Bork Bretthauer die Schwächen globaler Lieferketten gezeigt. Und auch wie »elementar die Versorgung mit Generika ist«. Europa muss also künftig selbst wieder mehr Wirkstoffe und Arzneimittel produzieren. Zwar hatte die Bundesrepublik das Thema im vergangenen Jahr während ihrer EU-Ratspräsidentschaft bereits auf die europäische Bühne gehoben und die EU-Kommission startete kurz darauf einen europäischen Pharmadialog. Doch wie kann eine Lösung des Problems aussehen und was können die einzelnen Akteure schon jetzt für mehr Versorgungssicherheit tun? Unter anderem über diese Fragen tauschten sich am gestrigen Donnerstagabend Vertreter aus Politik und Industrie beim digitalen Frühlingstalk des Branchenverbands aus.
Eines stand für alle Diskussionsteilnehmer fest: Wenn die Arzneimittelversorgung in Zukunft solide sein soll, muss es eine Abkehr vom Billigprinzip gegeben. »Es wird teuer«, betonte die Gesundheitspolitikerin Kordula Schulz-Asche (Bündnis90/Die Grünen). Dabei hat sie vor allem Umweltauflagen hinsichtlich Qualität, Klima- und Arbeitsschutz im Kopf, die künftig eine Rolle spielen werden und einige Unternehmen bereits in ihre Verträge integriert haben. Aus Sicht der Krankenkasse Barmer kann Nachhaltigkeit sogar schon bald zu einem »relevanten Wettbewerbsfaktor« für den Arzneimittelmarkt werden, wie Andrè Breddemann bemerkte. Er ist Abteilungsleiter Arzneimittel bei der Barmer. Wie er schilderte, will auch die Kasse selbst weiter an ihrem Lieferkodex arbeiten, der ethische, ökologische und wirtschaftliche Grundprinzipien beinhaltet.
Der Arzneimittelexperte Michael Hennrich (CDU) erinnerte daran, dass bereits 2019 das Thema Lieferengpässe bei Arzneimitteln stark im Bewusstsein der Politik angekommen war. »Es hat uns nicht unvorbereitet getroffen«, sagte er und verwies in dem Zusammenhang auch auf den Jour Fixe, den das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) infolge des Pharmadialogs ins Leben gerufen hatte und bei dem seit 2016 Vertreter aus Wissenschaft, Politik und der pharmazeutischen Industrie an einem Tisch zusammenkommen. Dennoch gab er zu: »Politik wird es sich nicht erlauben können, noch einmal in eine Krisensituation zu kommen.«
Man beobachte, ob »der Markt sich selbst reguliert oder der Gesetzgeber eingreifen muss«, so Hennrich. Zwar gibt es seinen Angaben zufolge in Sachen Lieferengpass-Problematik »einen breiten Konsens aller Parteien« und es existieren bereits »viele Ideen«, welche Aufgaben die Politik, die Akteure sowie Deutschland beziehungsweise Europa übernehmen könnten. Dabei meint er etwa die Autonomie zu stärken, indem Hersteller ihre Kapazitäten ausbauen, um im Notfall besser reagieren zu können. Aber eine mögliche gesetzliche Regelung sieht Hennrich erst auf dem Programm der nächsten Legislaturperiode. Gegen den generellen Vorwurf, die Politik bekomme das Problem brüchiger Versorgungsketten nicht in den Griff, wehrte er sich gestern entschieden: »Die Politik kann und wird es lösen«, versprach er. Klar ist für den Arzneimittelexperten aber auch: Die Kriterien für mehr Liefersicherheit müssen in die Verträge, die Rahmenbedingungen gibt der Gesetzgeber vor.
Grundsätzlich sprach sich auch Schulz-Asche für eine gesamteuropäische Strategie aus. Allerdings hält sie es für keinen guten Schachzug, andere Länder völlig außen vor zu lassen. »Wir sollten die Arzneimittelproduktion gut auf der ganzen Welt verteilen«, hob sie hervor. Außerdem bekräftigte die Grünen-Politikerin noch einmal, dass Rabattverträge in ihren Augen keine Schuld an der Situation tragen. Sie macht hingegen die »Engpässe in der Produktion« verantwortlich für die Lage.
Den vollständigen Frühlingstalk von Pro Generika zum Thema »Härtetest Corona - Brauchen wir neue Lieferketten für Arzneimittel?« können Sie hier anschauen.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.