Staatsanwaltschaften ermitteln gegen Apotheken |
Cornelia Dölger |
15.01.2024 11:10 Uhr |
»Etliche« Apotheken sollen laut SZ das Covid-19-Medikament Paxlovid illegal ins Ausland verkauft haben. / Foto: Imago/Harald Dostal
»Etliche« Apotheken – die genaue Zahl nennt der Bericht nicht – stünden unter Verdacht, sich auf kriminelle Weise an Paxlovid bereichert zu haben, schreibt die SZ heute. Auch tagesschau.de berichtet. Mehrere Staatsanwaltschaften in ganz Deutschland seien damit befasst.
In Bayern gab es demnach Ende vergangenen Jahres eine Razzia in Apotheken, bei der auch eine größere Menge Bargeld gefunden worden sein soll. Auch in Berlin wurden laut dem Bericht sechs Apotheken durchsucht. Aus Ermittlerkreisen ist demnach zu hören, dass man noch keine Spur habe, wo die Medikamente am Ende gelandet seien.
Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hatte Anfang 2022 eine Million Packungen des Corona-Medikaments Paxlovid beim US-Konzern Pfizer eingekauft und Apotheken kostenlos für die Versorgung betroffener Patienten zur Verfügung gestellt. Das Arzneimittel soll bei bereits Infizierten schwere Corona-Verläufe verhindern. Zum Preis pro Packung äußerten sich weder das BMG noch Pfizer.
Wie die SZ berichtet, soll dieser bei rund 650 Euro pro Packung liegen. In China, so heißt es weiter, solle der Schwarzmarktpreis bei mehr als 2000 Euro pro Packung liegen.
Anfang 2023 stellte das BMG laut dem Bericht fest, dass einzelne Apotheken in Deutschland enorme Mengen Paxlovid bestellt hatten. Zum Teil sollen es mehr als 1.000 Packungen gewesen sein. Spitzenreiter soll eine Apotheke aus Frankfurt am Main mit 10.000 Packungen gewesen sein.
Laut BMG waren insgesamt 560.000 Packungen Therapieeinheiten vom Großhandel an Apotheken gegangen; diese erfuhren aber nur schleppende Nachfrage, auch weil Arztpraxen das Medikament nur zögerlich verordneten. Die großzügigen Bestellungen seien also »unrealistisch hoch«, wie die Zeitung einen Berliner Apotheker zitiert. In seinem Filialverbund seien zwischen fünf und 30 Packungen Paxlovid im Jahr »die übliche Abgabemenge«.
Mehrere Staatsanwaltschaften wurden im ganzen Bundesgebiet demnach daraufhin stutzig. In ihrer Anklage gehe etwa die Staatsanwaltschaft Baden-Baden davon aus, dass die betreffende Apotheke fast 1400 Packungen ins Ausland verkauft haben soll. Veruntreuung von Steuergeld sowie unerlaubter Handel, lautet der Vorwurf. Die Staatsanwaltschaft hat demnach ihre Ermittlungen dort schon abgeschlossen und wenige Tage vor Weihnachten Anklage gegen einen Apotheker erhoben. Die Staatsanwaltschaft Nürnberg ermittelt demnach wegen Unterschlagung sowie Verstößen gegen das Arzneimittelgesetz (AMG).
Es bestehe der Verdacht, dass Paxlovid »unter Missachtung« der BMG-Vorgaben verkauft und somit unterschlagen worden sei, zitiert die SZ die Ermittler. Ihnen zufolge kann es um »Schäden in Millionenhöhe« bei einzelnen Apotheken gehen. In Berlin, wo die Staatsanwaltschaft für ihre Verfahren einen Gesamtschaden von mehr als drei Millionen Euro vermutet, wird laut SZ unter anderem wegen gewerbsmäßigen Betrugs ermittelt. Mit Anklagen werde in den Berliner Fällen noch im ersten Quartal dieses Jahres gerechnet.
Zu klären, ob die Medikamente tatsächlich illegal ins Ausland verkauft wurden oder nach Ablauf des Haltbarkeitsdatums entsorgt wurden, ist laut den Ermittlungen schwierig. »Es gibt keine Vorschrift, dass die Apotheker die Paxlovid-Packungen besonders entsorgen oder das dokumentieren müssten«, sagt ein Ermittler laut tagesschau.de.
Paula Piechotta, stellvertretendes Mitglied im Gesundheitsausschuss für die Grüne Bundestagsfraktion, ließ zu dem Verdacht heute verlauten: »Wenn sich die unzähligen Verdachtsfälle bestätigen, ist das leider ein weiteres Beispiel, wie die unbürokratischen und großzügigen Maßnahmen der Bundesregierung in den Corona-Jahren im Gesundheitswesen von zu vielen Leistungserbringern missbraucht wurden, um sich persönlich zu bereichern.« Auch im Gesundheitswesen gelte leider: Vertrauen reiche nicht, Kontrolle müsse sein. »Darauf zu vertrauen, dass alle im Gesundheitswesen sich an die Regeln halten, führt leider immer zu Schaden für Versicherte oder Steuerzahler«, so Piechotta.
Das Ergebnis der Ermittlungen bleibe in jedem Fall abzuwarten, darauf weise auch die Staatsanwaltschaft Nürnberg hin, betont die SZ. Für alle Beschuldigten gelte im derzeitigen Verfahrensstadium die Unschuldsvermutung. Die Staatsanwaltschaften Darmstadt und Hannover hätten ihren Verfahren mangels Tatverdacht schon wieder eingestellt, Verden plane dies auch.
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