So steht der medizinische Nachwuchs dazu |
Carolin Lang |
20.07.2022 18:00 Uhr |
Gemeinsame Lehrformate von Medizinern und Pharmazeuten sind noch selten. / Foto: Adobe Stock/LuckyBusiness
PZ: Wie steht die bvmd zur Einführung der pharmazeutischen Dienstleistungen?
Wawra: Wir haben nichts dagegen, dass Apotheken pharmazeutische Dienstleistungen ausüben, sofern sie ausreichend geschult und geübt sind. Die Situation im Gesundheitswesen ändert sich: Es gibt immer mehr Patienten und weniger Nachwuchs, die Anforderungen an Heilberufler steigen. Insofern sind wir zum Wohl der Patienten sehr dafür, dass jede Berufsgruppe – sei es Pflegepersonal, Physiotherapeuten oder Apotheker – die Kompetenzen, die sie hat, ausüben darf. Und wir gehen davon aus, dass Pharmazeuten Pharmazie am besten können.
Wawra: Nein, dem stimmen wir nicht zu. Die rein medizinische Beratung wird sicherlich am besten durch Mediziner durchgeführt. Die Pharmakologie fällt aber im Medizinstudium verglichen mit dem Pharmaziestudium geringer aus. Was beispielsweise Arzneimittelinteraktionen angeht, sieht man ja auch anhand anderer Länder, dass es durchaus Vorteile hat, wenn Pharmazeuten noch einmal auf die Medikation eines Patienten schauen.
PZ: Was halten Sie von standardisierten Blutdruckmessungen und Inhalatoren-Schulungen in Apotheken?
Wawra: Blutdruckmessungen und Inhalatoren-Schulungen werden, soweit mir bekannt ist, schon länger in Apotheken durchgeführt. Der bvmd ist in der Hinsicht wichtig, dass die Apotheker sicher Red-Flags erkennen und Patienten im Notfall zum Arzt schicken.
PZ: Mal abseits der pharmazeutischen Dienstleistungen – was hält die bvmd von Grippe- und Covid-19-Impfungen in Apotheken?
Miriam Wawra ist Medizinstudentin im zehnten Semester und Präsidentin der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland. / Foto: Privat
Wawra: Generell ist die Impfbereitschaft in Deutschland nicht besonders hoch, das hat man während der Covid-19-Pandemie sehr eindrucksvoll gesehen. Diese Problematik sollten die Gesundheitsberufe interprofessionell gemeinsam angehen. Wir als bvmd wollen daher einen flächendeckenden, niederschwelligen Zugang zu Impfungen. Wir wollen Beratung durch möglichst viele Heilberufler, die sich damit auskennen. Sofern sie also ausreichend geschult sind, haben wir kein Problem damit, wenn Apotheker risikoarme Standardimpfungen durchführen.
PZ: Wie sieht eine optimale Zusammenarbeit von Arzt und Apotheker für die bvmd aus?
Wawra: Wir sind sehr für Interprofessionalität. Wir wünschen uns eine Arbeitswelt, in der es normal ist, Kontakt zu anderen Berufsgruppen zu haben, sich auszutauschen und Kompetenzen zusammenzuführen. Wir wünschen uns Zeit und Raum, um zusammenzuarbeiten und digitale Systeme zur Unterstützung. Zum Beispiel wäre es sinnvoll, wenn sowohl Arzt als auch Apotheker auf die elektronische Patientenakte zugreifen könnten.
PZ: Inwieweit wird die Interprofessionalität zwischen Arzt und Apotheker im Medizinstudium gefördert?
Wawra: Gemeinsame Lehrformate von Medizinern und Pharmazeuten sind noch sehr selten. Es wäre extrem hilfreich, wenn es schon im Studium zu persönlichem Kontakt käme, um zu erfahren: Was können die anderen und was nicht? Dieses Wissen könnten beide Professionen später im Berufsleben sinnvoll einsetzen. Der frühe Kontakt im Studium könnte auch die Hemmschwelle senken, bei Fragen aufeinander zuzugehen. In der neuen Ärztlichen Approbationsordnung, die hoffentlich bald verabschiedet wird, wird Interprofessionalität mehr Raum gegeben. Das begrüßen wir sehr.
PZ: Welche interprofessionellen Lehrformate fände die bvmd sinnvoll?
Wawra: Wir könnten uns beispielsweise gemeinsame Impf-Seminare mit anderen Gesundheitsberuflern vorstellen, die da auch involviert sind. Auch gemeinsame Seminare mit Pharmazeuten zu Klinischer Pharmazie und Fallbesprechungen fänden wir sinnvoll, um die Sichtweise des anderen auf solch einen Fall kennenzulernen und voneinander zu lernen. Ein gemeinsamer Erste-Hilfe-Kurs wäre ebenfalls vorstellbar. Das fänden wir für Pharmaziestudierende ohnehin sinnvoll, da sie im späteren Berufsleben viel Kontakt zu kranken Menschen haben. Einen gemeinsamen Campus würden wir auch sehr begrüßen, so dass ein Kontakt ganz natürlich und ohne Zwang entsteht. Die Möglichkeit zu Hospitationen bei anderen Berufsgruppen fänden wir auch gut.
PZ: Setzt sich die bvmd für mehr Zusammenarbeit von Medizinern und Pharmazeuten ein?
Wawra: Ja, wir sind, genau wie der Bundesverband der Pharmaziestudierenden in Deutschland (BPhD), Mitglied beim Interprofessionellen Studierendenrat im Gesundheitswesen – kurz InSiG. Dieser Zusammenschluss trifft sich in der Regel einmal im Monat und tauscht sich aus. Der BPhD und die bvmd nehmen auch häufig an den jeweils gegenseitigen Veranstaltungen teil. So haben wir auch beispielsweise schon einmal gemeinsame Fallbesprechungen bei einer BPhD-Veranstaltung initiiert.
PZ: Was wünschen Sie sich abschließend von den Standesvertretungen der Ärzte und Apotheker?
Wawra: Wir wünschen uns einen respektvollen Austausch von Medizinern und Pharmazeuten im Sinne des Patientenwohls und eine positive Grundeinstellung zu Interprofessionalität.