So geht zeitgemäße Cortison-Rezeptur |
Daniela Hüttemann |
11.11.2022 16:30 Uhr |
Zurück zu den oben genannten Grundsätzen: Für die Indikation ist natürlich der Arzt zuständig. Häufig eingesetzt werden topische Glucocorticoide bei atopischen Ekzemen (»Neurodermitis«), Psoriasis (Schuppenflechte), Prurigo (Hauterkrankungen mit starkem Juckreiz), ferner auch bei Dermatosen und Kollagenosen, denn Glucocorticoide wirken antientzündlich und reduzieren den Juckreiz. Zudem sind sie vasokonstruktiv, was sich positiv auf Gewebeschwellungen bei Entzündungen auswirkt.
Andere Effekte haben ihre Vor- und Nachteile: Bei allergischem Trigger ist die immunsuppressive Wirkung erwünscht; sie verzögert jedoch auch die Wundheilung. Bei verhornenden Krankheiten wie der Schuppenflechte wird die antiproliferative Wirkung genutzt. Letztere ist jedoch bei längerer Anwendung auch für die Atrophie der Haut verantwortlich.
Weitere potenzielle Nebenwirkungen sind eine Steroidakne, Teleangiektasien (sichtbare Erweiterungen oberflächlich gelegener kleinster Blutgefäße), streifenförmige, atrophische Hautveränderungen, die an Zellulite erinnern (Striae distensae) sowie eine vermehrte Haarbildung (Hypertrichose) und Infektionen. Achtung: Topische Glucocorticoide können auch Kontaktallergien auslösen, die sich naturgemäß nicht mit noch mehr Corticoiden behandeln lässt.
»Nebenwirkungen treten aber in der Regel erst zwei Wochen nach Beginn der Therapie auf, daher ist die Anwendung normalerweise auf zehn Tage begrenzt«, erklärte Dreeke-Ehrlich. »In der Regel ist die einmal tägliche Anwendung völlig ausreichend, nur bei sehr starker Entzündung cremt man zweimal täglich.«
Gut untersucht bei wiederkehrenden Hautproblemen sei mittlerweile auch die Intervalltherapie mit topischen Glucocorticoiden nur zwei- bis dreimal wöchentlich. »Das erfordert eine gute Aufklärung des Patienten«, so Dreeke-Ehrlich. Am besten wird an bestimmten Wochentagen gecremt; an den anderen ist die Basispflege ausreichend.
Dem Patient sollte hier die Angst vor der vermeintlichen »Cortison«-Daueranwendung genommen werden. Studien über mehrere Monate mit Fluticasonpropionat und Methylprednisolonaceponat hätten gezeigt, dass sich der Corticoid-Verbrauch insgesamt reduzieren lassen, weil Exazerbationen verhindert werden – ohne das Nebenwirkungsrisiko zu erhöhen. »Erklären Sie dem Patienten, dass auch bei besserem Hautbild oft noch eine unterschwellige Entzündung besteht, die durch die Intervalltherapie in Schach gehalten wird«, so Dreeke-Ehrlich.
Die gefürchtete Atrophie bei Daueranwendung kommt besonders häufig bei jüngerer Haut (Kinder) und besonders alter Haut vor. Daher sollte gerade hier mit eher niedrig potenten Substanzen gearbeitet werden. Das reiche in der Regel aus, weil sich ohnehin ein Depot in der Haut bilde.
Bei Babys und Kleinkindern gilt: Topische Glucocorticoide haben in der Regel nichts im Windelbereich zu suchen. Hier ist die Haut ohnehin sehr empfindlich. Durch den Okklusionseffekt der Windel könne es sogar zu systemischen Nebenwirkungen kommen. »Selbst wenn die Haut hier extrem entzündet ist, gehört hier kein Glucocorticoid drauf, zumal die Eltern eventuell sonst immer wieder auch in Eigenregie dazu greifen«, warnte Dreeke-Ehrlich. Falls der Arzt es verordnet habe, solle man die Eltern auf die kurzfristige Anwendung hinweisen.
Wie viel soll von der Creme verwendet werden? Hier wird in sogenannten Finger Tip Units (FTU) gemessen. Formell entspricht eine FTU einem Cremestreifen auf dem Endglied des Zeigefingers, gewissermaßen von der Fingerspitze bis zum ersten Gelenk. »Das sind etwa 0,5 Gramm Creme, was auch ungefähr einem Pumphub der üblichen Kruken entspricht«, verdeutlichte Dreeke-Ehrlich.
Wie viele FTU für welches Körperteil in welchem Alter nötig sind, zeigt eine Grafik des Deutschen Apothekenportals, die ausgedruckt und den Patienten mitgegeben werden kann. Grundsätzlich gilt: dünn auftragen, vor allem auf dünnen Hautstellen wie im Gesicht und auf dem Kopf, den Achseln, Ellenbeugen sowie den Leistenfalten und rund um den Intimbereich, da hier die Penetrationsrate hoch ist. »In diesen Bereichen sollte man mit Glucocorticoiden mit eher niedrigem Therapieindex nehmen, für solche mit schwacher Penetration wie Hände und Knie eher solche mit höherem TIX.