So geht zeitgemäße Cortison-Rezeptur |
Daniela Hüttemann |
11.11.2022 16:30 Uhr |
Was heißt nun hoch oder niedrig potent? Glucocorticoide werden in vier Klassen von schwach (1) bis sehr stark (4) eingeteilt – je nach Derivat und auch Konzentration variiert die Einteilung. Hydrocortisonacetat und das Hydrocortison in seiner Grundform gehören beispielsweise in die Klasse 1, Hydrocortisonaceponat und Hydrocortisonbutyrat dagegen in Klasse 2. Betamethasonvalerat wird je nach Konzentration in Klasse 2 oder 3 eingestuft. Das Clobetasolpropionat aus der oben genannten »Creme gegen alles« gehört zur stärksten Klasse. Dreeke-Ehrlich sprach vom »Ende der Messlatte«.
Es sei immer noch häufig auch in Rezepturen für alte Menschen zu finden, so Dreeke-Ehrlich – auch das sei nicht angemessen. Hier gebe es auch ein entsprechendes Statement des NRF, auf das man im Gespräch mit Ärzten auch verweisen könne. Indiziert ist Clobetasolpropionat beispielsweise noch bei schwerem Wundliegen (Dekubitus).
Beim atopischen Ekzem wird ein Stufenschema angewendet. Auf Stufe 2, was leichten Ekzemen entspricht, kommen die niedriger potenten Glucocorticoide zum Einsatz, auf Stufe 3 dann auch zeitweilig höher potente Substanzen (außer bei jüngeren Kindern).
Neben der Potenz gibt es noch den therapeutischen Index (TIX), der die Ausgewogenheit zwischen erwünschten und unerwünschten Wirkungen beschreibt. Je höher der TIX, desto besser das Verhältnis. Hydrocortisonacetat und Prednisolonacetat haben einen TIX von 1,0 und gelten daher nicht mehr als »State of the Art«. Hydrocortisonbutyrat, Prednicarbat und Methylprednisolonaceponat sind dagegen Beispiele für einen TIX von 2,0.
Ob ein Glucocorticoid topisch überhaupt wirksam ist, hängt von seiner Struktur ab. »Wir sollten wissen, welche Derivate wirksam und welche unwirksam sind und darauf ein Auge bei der Rezeptur haben«, mahnte die Referentin. Triamcinolon wirke zwar noch auf der Schleimhaut, nicht aber auf normaler Haut. Daher ist Triamcinolonacetonid hier ein Favorit (konzentrationsabhängig Klasse 1 oder 2). Hier dürfe der Arzt nicht mit Abkürzungen verordnen, sondern müsse das gewünschte Corticoid immer voll ausschreiben, um Missverständnissen vorzubeugen.
Die topisch angewendeten Glucocorticoid-Derivate sind übrigens keine Salz, sondern Ester. Einige davon wie solche mit Propionat, Valerat und Fuorat sind dabei pH-empfindlich. »Hier können kleine Veränderungen in der Rezeptur zur Unwirksamkeit führen«, erinnerte die Rezepturexpertin. Prednisolon in seiner Grundform sei als Alkohol beispielsweise viel empfindlicher in wässrigen Zubereitungen als das Prednisolonacetat, daher gebe es keine NRF-Rezepturvorschrift mehr mit Prednisolon, da es nach einiger Zeit auskristallisiert. »Die Ester sind grundsätzlich stabiler in der Verarbeitung«, erklärte Dreeke-Ehrlich.
»Kaum auf dem Schirm« hätten sowohl Ärzte als auch Apotheken das Prednicarbat, das zur Wirkstärkeklasse 2 gehört und mit einem TIX von 2,0 ein gutes Nutzen-Risiko-Profil aufweist. Es sei sehr gut antientzündlich und lasse sich schon bei Säuglingen (nach strenger Indikationsstellung und in geringer Konzentration) anwenden. Zudem lasse es sich weniger konzentriert einsetzen, falls ein Ausschleichen der Therapie erwünscht ist.
Alle topischen Glucocorticoide mit einem TIX unter 2,0 sind gemäß DAC/NRF nicht mehr in der Pädiatrie empfohlen. »Generell sollte moderne Rezeptur mit Substanzen mit einem TIX 2,0 erfolgen«, riet Dreeke-Ehrlich.