Jeder Dritte bekommt Cortison-Salbe |
Daniela Hüttemann |
10.02.2021 16:00 Uhr |
Eine gute Hautpflege ist das A und O bei Patienten mit Neurodermitis und die Grundlage jeglicher Therapie. / Foto: Getty Images/Biserka Stojanovic
Nach Hochrechnung der TK sind 9,4 Prozent der Kinder bis 15 Jahren sowie 5,5 Prozent der 15- bis 20-Jährigen von Neurodermitis betroffen. Das entspricht 1,4 Millionen Kinder und Jugendlichen in Deutschland. Im Erwachsenenalter liegt die Prävalenz dann bei 3,3 Prozent (4 Prozent der Frauen und 2,5 Prozent der Männer), berichtet die TK in ihrem neuen Neurodermitis-Report, den sie gemeinsam mit dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) und der Universität Bremen heute veröffentlicht hat.
»Neurodermitis ist bei Kindern eine der häufigsten chronischen Erkrankungen und kann die Lebensqualität stark einschränken – das ist nicht nur für die Kinder sehr belastend, sondern auch für die Eltern«, sagt Dr. Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der TK. »Deshalb ist es besonders wichtig, dass die Krankheit früh erkannt und entsprechend behandelt wird.« Es gebe mittlerweile gute Therapiemöglichkeiten, die die Beschwerden lindern, ergänzt Professor Dr. Matthias Augustin, Facharzt für Hauterkrankungen am UKE und Mitherausgeber des Reports. Grundsätzlich sei es als Basistherapie wichtig, die Schutzfunktion der Haut mit wirkstofffreien Cremes zu stärken.
»41,6 Prozent der Versicherten mit Neurodermitis erhielten im Jahr 2019 ein lokal wirksames Arzneimittel«, heißt es im Report. Das entspricht 82,9 Millionen definierter Tagesdosen (DDD). Am häufigsten verordnet wurden hier Glucocorticoid-haltige Topika, von Laien fachlich nicht ganz korrekt als Cortison-Salben bezeichnet. Jeder Dritte bekommt eine solche Creme oder Salbe, je nach Zustand der Haut. Ärzte und Apotheker sollten den Patienten eine etwaige »Cortisonangst« im Beratungsgespräch nehmen.
»Die maximal mögliche Anwendungsdauer richtet sich dabei nicht nur nach dem einzelnen Präparat, sondern auch nach der Körperstelle, die behandelt wird«, erklärt Dermatologe Augustin in einer Kurzfassung des Reports, die sich an Betroffene richtet. Dabei sollte der behandelnde Arzt bevorzugt topische Glucocorticoide mit hohem therapeutischen Index (TIX) verordnen. Der TIX bezeichnet das Verhältnis von Wirksamkeit zu Nebenwirkungen. »Den höchsten TIX haben derzeit die vier Wirkstoffe Mometasonfuroat, Prednicarbat, Hydrocortisonbutyrat und Methylprednisolonaceponat«, erklärt Augustin. Die Auswahl der Grundlage richtet sich nach dem Hautzustand und gegebenenfalls Unverträglichkeiten.
»Wir sind hier an Arealen mit dünner Haut und im Gesicht äußerst zurückhaltend, während beispielsweise die Kopfhaut gut auch länger behandelbar ist«, so Augustin zum topischen Corticoid-Einsatz. »In jedem Fall muss die Behandlung gut geplant sein und darf den maximal vorgesehenen Zeitraum (meist wenige Wochen) nicht überschreiten.«
Ist eine längerfristige Lokaltherapie notwendig, sollten leitliniengemäß bevorzugt die Calcineurin-Inhibitoren Tacrolimus und Pimecrolimus eingesetzt werden. »Sie sind für die längerfristige Anwendung weitaus besser geeignet und können sowohl täglich wie auch in der proaktiven Therapie wöchentlich erfolgreich angewendet werden«, erklärt der Hautarzt. »Dabei sind sie an allen Körperpartien einsetzbar.« Spekulationen über ein krebserregendes Risiko hätten sich in keiner Weise bestätigt. »Heute ist wissenschaftlich klar, dass diese beiden Substanzen unbedenklich für die Langzeitbehandlung sind«, betont Augustin.