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Angsterkrankungen
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Schutzmechanismus außer Kontrolle

Angst ist eine Emotion, die Menschen vor Gefahren schützt und dadurch einen starken evolutionären Vorteil bietet. Aber sie wird zur Qual, wenn sie den Alltag beherrscht. Wichtig ist eine konsequente Behandlung der Angsterkrankung, um eine Chronifizierung zu verhindern.
AutorKontaktMartina Hahn
AutorKontaktSibylle C. Roll
Datum 07.12.2025  08:00 Uhr

Therapievorteile durch Pharmakogenetik

Die Bedeutung von pharmakogenetischen Tests zur Auswahl von Arzneimitteln ist zwar für die Depression deutlich besser untersucht; erste Studien existieren jedoch auch für Angsterkrankungen. Eine Übertragung der Studienergebnisse dürfte inhaltlich möglich sein, da die gleichen Antidepressiva eingesetzt werden und pharmakokinetische Veränderungen, die aus den Polymorphismen resultieren, diagnoseunabhängig zum Tragen kommen (21, 24). Bei Patienten mit Depressionen wurde nach Genotypisierung eine 41 bis 71 Prozent höhere Chance auf Remission sowie ein schnelleres Erreichen der Remission gezeigt (3, 20, 22).

Es ist zu hoffen, dass Genotypisierungen häufiger eingesetzt werden. Die größte Barriere stellt die mangelnde Kostenübernahme seitens der gesetzlichen Krankenkassen dar (9). Ein weiteres Hemmnis ist eine unzureichende Kenntnis zu pharmakogenetischen Befunden. Ein neuer Zertifikatskurs »Pharmakogenomik« für Ärzte und Apotheker an der Philipps-Universität Marburg könnte hier Abhilfe schaffen.

Neue medikamentöse Ansätze

Erste präklinische Studien deuten darauf hin, dass die GLP-1-Agonisten Semaglutid, Liraglutid und Tirzepatid anxiolytische Effekte haben könnten, indem sie neuroinflammatorische Prozesse und die Stressachse modulieren (siehe auch Titelbeitrag in PZ 5/2025) (14). Sie wirken zudem positiv auf die Neuroplastizität (13). Allerdings gibt es auch Meldungen in der EudraVigilance-Datenbank zu Angsterkrankungen unter GLP-1-Agonisten sowie auch einige Suizidversuche (28). Die Datenlage ist kontrovers. Weitere Studien sind erforderlich, um positive und negative Effekte weiter zu untersuchen.

Auch Histon-Deacetylase-Inhibitoren (HDAC-Inhibitoren) könnten eine vielversprechende Therapieklasse für Angsterkrankungen darstellen. Sie beeinflussen die epigenetische Regulation von Genen und können somit neuronale Plastizität und Angstverhalten modulieren.

Zum Hintergrund: Die DNA ist im Zellkern als Chromatin um Histone gewickelt. Epigenetische Markierungen sowie chemische Modifikationen an DNA und Histonen steuern das Öffnen und Schließen von Chromatin-Bereichen und damit die Genaktivität. Diese Markierungen verändern nicht die DNA-Sequenz, sondern beeinflussen, wie gut Transkriptionsfaktoren an die DNA gelangen.

HDAC-Inhibitoren wie Vorinostat, Belinostat, Romidepsin und Panobinostat verhindern die Entfernung von Acetylresten von Histonen. Dies führt zu einer Chromatin-Lockerung und potenziellen Reaktivierung stillgelegter Gene, was in der Krebstherapie genutzt wird. Studien zeigen, dass HDAC-Inhibitoren wie Vorinostat in Tiermodellen Angstverhalten reduzieren (6). Erste Pilotstudien deuten auf eine Wirkung auf Angstreaktionen beim Menschen hin (2). Vorinostat und Entinostat können die Effektivität von Expositionstherapien durch epigenetische Modifikation steigern. Eine Studie zeigte die Wirksamkeit von Entinostat im zingulären Cortex bei Angstsymptomen (23). Eine Pilotstudie bei PTBS zeigte ebenfalls positive Ergebnisse (18).

Interessanterweise wurde dieser epigenetische Wirkmechanismus auch für einige altbekannte Psychopharmaka nachgewiesen, darunter Amitriptylin, Fluoxetin, MAO-Inhibitoren, Clozapin, Risperidon und Valproat (2).

Lysergsäurediethylamid plus Psychotherapie (LSD assisted therapy) wird derzeit in einigen Studien geprüft. Erste Ergebnisse der MindMed-Studien sollen Ende 2025 erscheinen. Mehrere Phase-III-Studien mit LSD bei generalisierter Angsterkrankung sind in Planung. Erste placebokontrollierte Studien zeigen einen angstlösenden Effekt über 16 Monate (10, 11). Die Therapie ist derzeit Studienpatienten vorbehalten, denn LSD unterliegt dem Betäubungsmittelgesetz und darf nicht verordnet werden.

Verblindungsprobleme bei halluzinogenen Substanzen erlauben nur eingeschränkte Rückschlüsse auf den klinischen Effekt, gerade auch bei Vergleichen mit etablierten Standardtherapien wie SSRI.

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