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Angsterkrankungen
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Schutzmechanismus außer Kontrolle

Angst ist eine Emotion, die Menschen vor Gefahren schützt und dadurch einen starken evolutionären Vorteil bietet. Aber sie wird zur Qual, wenn sie den Alltag beherrscht. Wichtig ist eine konsequente Behandlung der Angsterkrankung, um eine Chronifizierung zu verhindern.
AutorKontaktMartina Hahn
AutorKontaktSibylle C. Roll
Datum 07.12.2025  08:00 Uhr

Die aktuelle deutsche S3-Leitline zur Behandlung von Angststörungen bei Erwachsenen (AWMF-Registernummer 051-028; Stand 2021) umfasst die Panikstörung/Agoraphobie, die generalisierte Angststörung sowie die soziale und die spezifische Phobie (1). Allen Patienten soll eine Psycho- und Pharmakotherapie angeboten werden. Doch Angst ist nicht primär pathologisch, sondern eine evolutionär entwickelte Reaktion des Körpers auf potenzielle Bedrohungen.

Sie hat eine lange Entwicklungsgeschichte, die bei einfachen Organismen wie Einzellern beginnt (5). Bei diesen frühen Lebewesen sind bereits Schutzmechanismen gegen Umweltgefahren wie chemische oder physische Bedrohungen vorhanden, um das Überleben zu sichern. Bei Wirbeltieren, insbesondere bei Säugetieren, wurde die Angstreaktion durch die Entwicklung des limbischen Systems, insbesondere der Amygdala, weiter verfeinert, was eine schnelle und unbewusste Reaktion auf Gefahr ermöglicht (15).

Die »Fight-or-Flight«-Reaktion (Kampf oder Flucht) ist eine automatische physische Stressantwort des Körpers auf eine als bedrohlich empfundene Situation. Sobald ein möglicher Gefahrenreiz wahrgenommen wird – real oder lediglich so erlebt – leitet die Amygdala Signale an den Hypothalamus weiter. Dieser aktiviert über die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse die Ausschüttung von Adrenalin und Cortisol. Diese Hormone versetzen den Körper in Alarmbereitschaft. Es kommt zu körperlichen Reaktionen der Angst:

  • Der Herzschlag beschleunigt sich: mehr Blut und Sauerstoff zu den Muskeln.
  • Die Atmung wird schneller: bessere Sauerstoffversorgung.
  • Die Pupillen erweitern sich: bessere Sicht.
  • Die Verdauung verlangsamt sich: Energie wird gespart.
  • Die Muskeln spannen sich an: bereit zur Aktion.

Parallel dazu verlangsamt sich die kognitive Verarbeitung im präfrontalen Cortex, sodass automatisierte Reaktionen überwiegen. Die Wahrnehmung ist deutlich eingeschränkt und man sieht alles nur noch durch einen »Tunnelblick«.

Der Angstkreislauf kann sich selbst verstärken, wenn Körpersymptome als gefährlich fehlinterpretiert werden – ein Kernmechanismus zum Beispiel bei Panikstörungen. Chronische Angst kann die Hirnstruktur beeinflussen und zu einer Überaktivität der Amygdala sowie einer Hemmung des präfrontalen Cortex führen, was die rationale Bewertung einer Situation erschwert. Das heißt, Betroffene wissen oft, dass sie keine Angst haben müssten, können das Gefühl aber nicht kontrollieren.

Zusammenfassend ist Angst eine hochkomplexe Wechselwirkung zwischen Wahrnehmung, Bewertung, hormoneller Aktivierung und körperlicher Reaktion. Bei Störungen in diesem System kann es zu einer Überaktivität kommen, wodurch Angsterkrankungen entstehen.

Vor allem Frauen betroffen

Rund 15,3 Prozent der Menschen in Deutschland sind von Angsterkrankungen betroffen; diese stellen somit die häufigste psychische Erkrankung dar. Frauen erkranken doppelt so häufig wie Männer. Die größte Prävalenz findet man unter den 18- bis 34-Jährigen.

Dabei unterscheidet sich der Beginn der einzelnen Angsterkrankungen im Median wesentlich. Während die spezifische Phobie mit sieben Jahren, die soziale Phobie mit 13 Jahren und eine Panikstörung im Median mit 24 Jahren auftritt, beginnt die generalisierte Angsterkrankung erst deutlich später, im Mittel mit 31 Jahren. Depressive Erkrankungen sind die häufigste Komorbidität, aber auch Zwangserkrankungen, somatoforme Störungen, Essstörungen und Suchterkrankungen sind häufig (1).

Die Angsterkrankungen werden eingeteilt in

  • soziale Phobien,
  • spezifische Phobien,
  • generalisierte Angststörung,
  • Panikstörung und
  • Agoraphobie (Kästen).

Angsterkrankungen verlaufen meist chronisch. Patienten mit Panikstörung und generalisierter Angst zeigen eher einen phasenhaften Verlauf; die soziale Phobie ist eher durchgehend vorhanden.

Pathophysiologie

Erbliche Faktoren tragen zum Großteil zur Entstehung bei. Für Panikstörungen liegt die Heritabilität bei 41 bis 54 Prozent, für Agoraphobie bei 67 Prozent, für die generalisierte Angsterkrankung bei 32 Prozent und für soziale Phobie bei 59 Prozent (1). Es sind zahlreiche Gene beteiligt; das Vorliegen eines einzelnen Risikogens kann diagnostisch nicht genutzt werden.

Cannabiskonsum erhöht das Risiko für Angsterkrankungen (19). Umgekehrt ist das Suchtrisiko bei Cannabiskonsum bei angsterkrankten Menschen als besonders hoch einzuschätzen (26). Suchterkrankungen sind häufige Komorbiditäten.

Suchtmittelkonsum ist als dysfunktionaler, also problematischer oder selbstschädigender Therapieansatz anzusehen, da Alkohol und Drogen kurzfristig angstlösend wirken können, aber sekundär kann sich eine Suchterkrankung entwickeln. Zudem wirken sich sowohl Alkohol als auch Drogen langfristig ungünstig auf den Erkrankungsverlauf aus. Eine Abstinenz sollte von Heilberuflern dringend angeraten und von Patienten dringend eingehalten werden.

Neurobiologisch kommt es bei Angsterkrankungen zur Störung verschiedener Neurotransmittersysteme. Neben Veränderungen von Serotonin-, Noradrenalin- und Dopamin-Spiegeln sind auch Abweichungen bei GABA, Cholezystokinin und atrialem natriuretischen Peptid sowie Störungen der Hypothalamus-Hypophysen-Achse und der CO2-Sensoren bekannt (7, 12). Es gibt jedoch keine Biomarker für Angsterkrankungen; die Diagnose wird rein klinisch gestellt.

Auch epigenetische Mechanismen beeinflussen Angsterkrankungen. Die Methylierung von Cytosin-Guanin-Dinukleotiden der DNA geht mit einer verminderter Genexpression einher. So können Risikogene ausgeschaltet werden.

Besonders prominent ist der Zusammenhang zwischen der Methylierung der Monoaminoxidase-A und dem Auftreten von Panikstörung. Dabei korrelieren negative Lebensereignisse, zum Beispiel Arbeitsplatzverlust, Trennung oder Tod von Familienangehörigen oder nahestehenden Personen, mit einer verminderten Methylierung, positive Lebensereignisse wie neuer Job, neue Partnerschaft, finanzielle Sicherheit oder Versöhnung mit nahestehenden Personen, mit einer erhöhten Methylierung (29). Durch die verminderte Methylierung kommt es zu einer erhöhten Transkription des Gens für die Monoaminoxidase, was zu einer verminderten Konzentration an Serotonin, Noradrenalin und Dopamin (aufgrund des beschleunigten Abbaus) führt. Diese verminderte Konzentration wird in der Monoamin-Mangelhypothese als Ursache für die Entstehung von Depression und Angst angesehen.

Wie bei anderen psychischen Erkrankungen geht man davon aus, dass genetische Vulnerabilitäten zu neurobiologischen und morphologischen Gehirnveränderungen führen, die den Ausbruch von Angsterkrankungen begünstigen, wenn zusätzliche psychosoziale Belastungsfaktoren hinzukommen (Vulnerabilitäts-Stress-Modell). Ein wichtiger Risikofaktor ist eine schwere somatische Erkrankung. So kommt es zum Beispiel nach akutem Koronarsyndrom bei 20 bis 30 Prozent der Patienten zu einer Angsterkrankung.

Fragen, die in der Beratung helfen können

Nicht selten fragen Menschen in der Apotheke nach Medikamenten gegen Stress und Unruhe oder nach Beruhigungs- oder Schlafmitteln. Durch einige Fragen kann das Apothekenteam im Beratungsgespräch eruieren, ob der Kunde an einer Angsterkrankung leiden oder ob Selbstmedikation ausreichen könnte.

PANIKSTÖRUNG: Haben Sie plötzliche Zustände, bei denen Sie in Angst und Schrecken versetzt werden, und bei denen Sie unter Symptomen wie Herzrasen, Zittern Schwitzen, Luftnot oder Todesangst leiden? Haben Sie Angst oder Beklemmungsgefühle in Menschenmengen, engen Räumen oder öffentlichen Verkehrsmitteln? Vermeiden Sie solche Situationen aus Angst?

GENERALISIERTE ANGSTSTÖRUNG: Fühlen Sie sich nervös oder angespannt, machen Sie sich häufig über Dinge mehr Sorgen als andere Menschen? Haben Sie das Gefühl, ständig besorgt zu sein und dies nicht unter Kontrolle zu haben? Befürchten Sie, dass ein Unglück passieren könnte?

SOZIALE PHOBIE: Haben Sie Angst in Situationen, in denen Sie befürchten, dass andere Menschen negativ über Sie urteilen, ihr Aussehen kritisieren oder Ihr Verhalten als dumm, peinlich oder ungeschickt ansehen könnten?

SPEZIFISCHE PHOBIE: Haben Sie starke Angst vor bestimmten Dingen oder Situationen wie Insekten, Spinnen, Hunden, Katzen, Naturgewalten, Blut, Verletzungen, Spritzen oder Höhen?

Diese Fragen können genutzt werden, um eine pharmako- oder psychotherapeutische Behandlung bei einer Angsterkrankung nicht zu verzögern. Bei Verdacht auf eine psychische Erkrankung muss der Patient unbedingt an einen Arzt oder Psychotherapeuten verwiesen werden. Die Abgabe von OTC-Arzneimitteln darf nie dazu führen, dass keine weitere Therapiemaßnahmen erfolgen.

Pharmakologische und andere Behandlungen

Medikamentöse Optionen bestehen vor allem aus selektiven Serotonin-(Noradrenalin-)Wiederaufnahmehemmern (SSRI/SSNRI) und Pregabalin (Tabelle Seite 34, Evidenzgrad 1 A) (1). In Ausnahmefällen können auch Clomipramin, Moclobemid, Opipramol oder Buspiron verwendet werden, deren Wirkung jedoch deutlich geringer ausfällt. Wichtig ist es, dass Benzodiazepine nicht eingesetzt werden, da diese schnell in die psychische Abhängigkeit führen (1).

Generalisierte Angststörung Soziale Phobie Panikstörung und Agoraphobie
Erstlinientherapie
SSRI/SSNRI:
Duloxetin, Escitalopram, Paroxetin, Venlafaxin
Pregabalin
SSRI/SSNRI:
Escitalopram, Paroxetin, Sertralin, Venlafaxin
SSRI/SSNRI:
Citalopram, Escitalopram, Paroxetin, Sertralin, Venlafaxin
Bei Unwirksamkeit oder nicht tolerierbaren Nebenwirkungen
anderes SSRI/SSNRI oder
Pregabalin
anderes SSRI/SSNRI anderes SSRI/SSNRI
Bei Unwirksamkeit oder nicht tolerierbaren Nebenwirkungen
Buspiron
Opipramol
Moclobemid Clomipramin
Bei Unwirksamkeit oder nicht tolerierbaren Nebenwirkungen*)
Agomelatin
Quetiapin
Mirtazapin, Olanzapin, Opipramol, Pregabalin, Tranylcypromin Fluoxetin, Olanzapin, Opipramol, Pregabalin
Tabelle: Algorithmus zur medikamentösen Behandlung von Angsterkrankungen, immer kombiniert mit Psychotherapie (kognitive Verhaltenstherapie); adaptiert nach S3-Leitlinie »Behandlung von Angststörungen«, AWMF-Reg. Nr. 051-028

In der Indikation »Unruhezustände bei ängstlicher Verstimmung«, aber nicht bei Angsterkrankungen kommen als pflanzliche Alternative vor allem Lavendelölkapseln in Betracht.

Neben medikamentösen Therapien spielen psychotherapeutische Verfahren eine zentrale Rolle.

Die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) hat den höchsten Empfehlungsgrad in der S3-Leitlinie. Hier geht es vor allem um die Angstexposition, das heißt: Es wird in gestufter Weise eine Angst auslösende Situation aufgesucht. Das nächste Mal wird diese auslösende Situation länger oder allein aufgesucht und das muss immer wiederholt werden – solange, bis die Angst in diesen Situationen abnimmt. Es geht hier um Lernerfahrungen, dass in bestimmten Situationen keine Gefahr droht. Diese Lernerfahrung muss mehrmals wiederholt werden, um Wirkung zu entfalten.

Nobelpreisträger Eric Kandel belegte bereits 1998, dass Psychotherapie eine Veränderung der Genexpression anstößt und damit direkt in die Pathophysiologie eingreift. Neuere Studien zeigen etwa bei der Panikstörung eine Erhöhung der MAO-A-Methylierung bei Klienten, die auf eine KVT ansprechen.

Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGa) dienen vor allem zur Überbrückung von Wartezeiten auf Psychotherapieplätze oder können begleitend zur Psychotherapie eingesetzt werden, ersetzen diese aber nicht. Psychotherapeuten, Haus- und Fachärzte können DiGa verordnen. Hier geht es insbesondere um psychoedukative Inhalte, die sich an der KVT orientieren. Es gibt mehrere zugelassene Produkte, die auf der Website vom Bundesinstitut für Arzneimittel- und Medizinprodukte eingesehen werden können.

Daneben gibt es auch Entspannungstechniken, die bei generalisierter Angsterkrankung eingesetzt werden können. Dreimal wöchentliches Ausdauertraining unterstützt die Genesung ebenfalls und sollte empfohlen werden (1).

Die Virtual Reality Exposure Therapy (VRET) ist inzwischen wissenschaftlich anerkannt und effektiv in der Behandlung von Phobien, sozialer Angst, Panikstörungen und posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS) (17, 25). Studien zeigen vergleichbare Effekte zu klassischen Expositionstherapien, mit dem Vorteil hoher Kontrolle und besserer Zugänglichkeit (27). Der große Vorteil liegt darin, dass Therapeut und Patient die Praxis nicht verlassen müssen, da die Orte/Gegenstände virtuell aufgesucht werden. Die VRET hat sich daher bereits etabliert. Ein Hemmnis ist der Anschaffungspreis der Soft- und Hardware, sodass das Verfahren nur in wenigen Zentren und Praxen derzeit Anwendung findet.

Die repetitive transkranielle Magnetstimulation (rTMS) ist eine nicht invasive Methode, bei der mithilfe von Magnetfeldern gezielt bestimmte Bereiche des Gehirns stimuliert werden. Dabei werden schnelle Magnetimpulse auf den Kopf abgegeben, die die Nervenzellen in diesen Regionen aktivieren oder hemmen können. Diese Stimulation kann dazu beitragen, die Funktion bestimmter Hirnareale zu verbessern oder zu normalisieren. Die Anwendung erfolgt täglich für wenige Minuten. Erste Metaanalysen zeigen eine positive Wirkung der transkraniellen Magnetstimulation auf Angsterkrankungen (4). Die rTMS hat sich zur Standardtherapie etabliert, die in vielen Kliniken angeboten wird.

Therapievorteile durch Pharmakogenetik

Die Bedeutung von pharmakogenetischen Tests zur Auswahl von Arzneimitteln ist zwar für die Depression deutlich besser untersucht; erste Studien existieren jedoch auch für Angsterkrankungen. Eine Übertragung der Studienergebnisse dürfte inhaltlich möglich sein, da die gleichen Antidepressiva eingesetzt werden und pharmakokinetische Veränderungen, die aus den Polymorphismen resultieren, diagnoseunabhängig zum Tragen kommen (21, 24). Bei Patienten mit Depressionen wurde nach Genotypisierung eine 41 bis 71 Prozent höhere Chance auf Remission sowie ein schnelleres Erreichen der Remission gezeigt (3, 20, 22).

Es ist zu hoffen, dass Genotypisierungen häufiger eingesetzt werden. Die größte Barriere stellt die mangelnde Kostenübernahme seitens der gesetzlichen Krankenkassen dar (9). Ein weiteres Hemmnis ist eine unzureichende Kenntnis zu pharmakogenetischen Befunden. Ein neuer Zertifikatskurs »Pharmakogenomik« für Ärzte und Apotheker an der Philipps-Universität Marburg könnte hier Abhilfe schaffen.

Neue medikamentöse Ansätze

Erste präklinische Studien deuten darauf hin, dass die GLP-1-Agonisten Semaglutid, Liraglutid und Tirzepatid anxiolytische Effekte haben könnten, indem sie neuroinflammatorische Prozesse und die Stressachse modulieren (siehe auch Titelbeitrag in PZ 5/2025) (14). Sie wirken zudem positiv auf die Neuroplastizität (13). Allerdings gibt es auch Meldungen in der EudraVigilance-Datenbank zu Angsterkrankungen unter GLP-1-Agonisten sowie auch einige Suizidversuche (28). Die Datenlage ist kontrovers. Weitere Studien sind erforderlich, um positive und negative Effekte weiter zu untersuchen.

Auch Histon-Deacetylase-Inhibitoren (HDAC-Inhibitoren) könnten eine vielversprechende Therapieklasse für Angsterkrankungen darstellen. Sie beeinflussen die epigenetische Regulation von Genen und können somit neuronale Plastizität und Angstverhalten modulieren.

Zum Hintergrund: Die DNA ist im Zellkern als Chromatin um Histone gewickelt. Epigenetische Markierungen sowie chemische Modifikationen an DNA und Histonen steuern das Öffnen und Schließen von Chromatin-Bereichen und damit die Genaktivität. Diese Markierungen verändern nicht die DNA-Sequenz, sondern beeinflussen, wie gut Transkriptionsfaktoren an die DNA gelangen.

HDAC-Inhibitoren wie Vorinostat, Belinostat, Romidepsin und Panobinostat verhindern die Entfernung von Acetylresten von Histonen. Dies führt zu einer Chromatin-Lockerung und potenziellen Reaktivierung stillgelegter Gene, was in der Krebstherapie genutzt wird. Studien zeigen, dass HDAC-Inhibitoren wie Vorinostat in Tiermodellen Angstverhalten reduzieren (6). Erste Pilotstudien deuten auf eine Wirkung auf Angstreaktionen beim Menschen hin (2). Vorinostat und Entinostat können die Effektivität von Expositionstherapien durch epigenetische Modifikation steigern. Eine Studie zeigte die Wirksamkeit von Entinostat im zingulären Cortex bei Angstsymptomen (23). Eine Pilotstudie bei PTBS zeigte ebenfalls positive Ergebnisse (18).

Interessanterweise wurde dieser epigenetische Wirkmechanismus auch für einige altbekannte Psychopharmaka nachgewiesen, darunter Amitriptylin, Fluoxetin, MAO-Inhibitoren, Clozapin, Risperidon und Valproat (2).

Lysergsäurediethylamid plus Psychotherapie (LSD assisted therapy) wird derzeit in einigen Studien geprüft. Erste Ergebnisse der MindMed-Studien sollen Ende 2025 erscheinen. Mehrere Phase-III-Studien mit LSD bei generalisierter Angsterkrankung sind in Planung. Erste placebokontrollierte Studien zeigen einen angstlösenden Effekt über 16 Monate (10, 11). Die Therapie ist derzeit Studienpatienten vorbehalten, denn LSD unterliegt dem Betäubungsmittelgesetz und darf nicht verordnet werden.

Verblindungsprobleme bei halluzinogenen Substanzen erlauben nur eingeschränkte Rückschlüsse auf den klinischen Effekt, gerade auch bei Vergleichen mit etablierten Standardtherapien wie SSRI.

Beratung in der Apotheke

Das Apothekenteam kann Patienten mit Angsterkrankungen und deren Angehörige auf vielfältige Weise unterstützen. Zunächst geht es um die Krankheitsdetektion. In der Beratung muss abgeschätzt werden, ob es sich um eine Angsterkrankung handelt oder um eine angemessene Stressreaktion auf eine bestimmte, vielleicht naheliegende Situation. Bei Verdacht auf eine Angsterkrankung ist unbedingt an einen Psychotherapeuten beziehungsweise Psychiater zu verweisen, um die Diagnostik und erfolgreiche Behandlung nicht zu verzögern. Selbsthilfegruppen können ebenfalls empfohlen werden.

Eine Domäne der Apotheker ist die Beratung zu anxiolytischen Arzneimitteln. Bei der Abgabe von Antidepressiva ist der Patient darauf hinzuweisen, dass es zu einer erhöhten Ängstlichkeit (»jitterness«) in den ersten Behandlungswochen kommen kann, bevor eine Wirkung eintritt. Die Wirklatenz beträgt wie auch bei der Behandlung der Depression etwa zwei Wochen. Dabei sollten Apotheker auf mögliche Nebenwirkungen, Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln sowie auf die richtige Anwendung der Medikamente eingehen.

Aber Vorsicht: Eine unbedachte Beratung kann Nocebo-Effekte auslösen. Aus der klinischen Erfahrung neigen insbesondere angsterkrankte Menschen sehr stark dazu, unter Nocebo-Effekten zu leiden. Große randomisierte kontrollierte Arzneimittelstudien zeigen, dass der Nocebo-Effekt für bis zu 97 Prozent der berichteten Nebenwirkungen verantwortlich ist (16). Die Aufklärung zu Nebenwirkungen sollte daher sehr vorsichtig und neutral (Beispiel: Nur jede zehnte Person leidet unter Übelkeit) oder positiv formuliert werden (Beispiel: Neun von zehn Personen leiden nicht unter Übelkeit) oder teilweise sogar in Rücksprache und bei Einverständnis der Patienten ganz entfallen.

Apothekenteams können ebenfalls bei der Psychoedukation mitwirken. In der Apotheke können Beratungshinweise zu ergänzenden Maßnahmen wie Entspannungsübungen und Stressmanagement gegeben oder psychotherapeutische Angebote in der Region empfohlen werden. Wichtig ist, den Patienten Mut zu machen und sie bei der Bewältigung ihrer Ängste zu unterstützen, um die Lebensqualität zu verbessern. Dazu gehört auch die Beratung von Angehörigen, die im Umgang mit den Betroffenen oft unsicher sind. Was hilft, was schadet und wie sieht eine gute Unterstützung aus?

Auf der AWMF-Internetseite ist eine Patientenleitlinie zu Angsterkrankungen zu finden, die den Betroffenen und ihren Angehörigen hilft, mehr über den richtigen Umgang mit der Erkrankung und deren die Behandlung zu erfahren.

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