Erbliche Faktoren tragen zum Großteil zur Entstehung bei. Für Panikstörungen liegt die Heritabilität bei 41 bis 54 Prozent, für Agoraphobie bei 67 Prozent, für die generalisierte Angsterkrankung bei 32 Prozent und für soziale Phobie bei 59 Prozent (1). Es sind zahlreiche Gene beteiligt; das Vorliegen eines einzelnen Risikogens kann diagnostisch nicht genutzt werden.
Cannabiskonsum erhöht das Risiko für Angsterkrankungen (19). Umgekehrt ist das Suchtrisiko bei Cannabiskonsum bei angsterkrankten Menschen als besonders hoch einzuschätzen (26). Suchterkrankungen sind häufige Komorbiditäten.
Suchtmittelkonsum ist als dysfunktionaler, also problematischer oder selbstschädigender Therapieansatz anzusehen, da Alkohol und Drogen kurzfristig angstlösend wirken können, aber sekundär kann sich eine Suchterkrankung entwickeln. Zudem wirken sich sowohl Alkohol als auch Drogen langfristig ungünstig auf den Erkrankungsverlauf aus. Eine Abstinenz sollte von Heilberuflern dringend angeraten und von Patienten dringend eingehalten werden.

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GENERALISIERTE ANGSTSTÖRUNG: Die Patienten leiden unter den körperlichen Ausdrucksformen der Angst (Zittern, Übelkeit, Muskelverspannungen, siehe Kasten, Seite 31) sowie unter Konzentrationsstörungen und anderen psychischen Symptomen. In der Regel können sie nicht angeben, wovor sie Angst haben. Die Patienten werden von ständigen Sorgen gequält, zum Beispiel dass ihnen oder ihren Verwandten Unfälle zustoßen oder sie erkranken könnten. Zudem sorgen sie sich meist über ihre permanente Besorgnis.
SOZIALE PHOBIE: Die Patienten haben vor Situationen Angst, in denen sie im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen, zum Beispiel vorm Sprechen in der Öffentlichkeit, vor Vorgesetzen, Behördengängen oder Kontakten mit dem anderen Geschlecht. Sie befürchten, sich peinlich oder ungeschickt zu verhalten oder negativ bewertet zu werden.
SPEZIFISCHE PHOBIE: Hier beschränkt sich die Phobie auf einzelne umschriebene Situationen, die sich meistens auf Gegebenheiten der Natur beziehen (Spinnenphobie, Höhenangst).
ANGST UND DEPRESSIVE ERKRANKUNG GEMISCHT: Gleichzeitiges Bestehen von Angst und Depression, wobei keine Erkrankung vorherrscht. Die Symptome dürfen nicht so stark ausgeprägt sein, dass die Kriterien der Angst oder Depression erfüllt werden.
Beschreibung nach ICD-10
Neurobiologisch kommt es bei Angsterkrankungen zur Störung verschiedener Neurotransmittersysteme. Neben Veränderungen von Serotonin-, Noradrenalin- und Dopamin-Spiegeln sind auch Abweichungen bei GABA, Cholezystokinin und atrialem natriuretischen Peptid sowie Störungen der Hypothalamus-Hypophysen-Achse und der CO2-Sensoren bekannt (7, 12). Es gibt jedoch keine Biomarker für Angsterkrankungen; die Diagnose wird rein klinisch gestellt.
Auch epigenetische Mechanismen beeinflussen Angsterkrankungen. Die Methylierung von Cytosin-Guanin-Dinukleotiden der DNA geht mit einer verminderter Genexpression einher. So können Risikogene ausgeschaltet werden.
Sorgen, Anspannung, Nervosität: Mit geschickten Fragen kann das Apothekenteam abschätzen, ob die Patientin zum Arzt gehen muss. / © Adobe Stock/Dan Race
Besonders prominent ist der Zusammenhang zwischen der Methylierung der Monoaminoxidase-A und dem Auftreten von Panikstörung. Dabei korrelieren negative Lebensereignisse, zum Beispiel Arbeitsplatzverlust, Trennung oder Tod von Familienangehörigen oder nahestehenden Personen, mit einer verminderten Methylierung, positive Lebensereignisse wie neuer Job, neue Partnerschaft, finanzielle Sicherheit oder Versöhnung mit nahestehenden Personen, mit einer erhöhten Methylierung (29). Durch die verminderte Methylierung kommt es zu einer erhöhten Transkription des Gens für die Monoaminoxidase, was zu einer verminderten Konzentration an Serotonin, Noradrenalin und Dopamin (aufgrund des beschleunigten Abbaus) führt. Diese verminderte Konzentration wird in der Monoamin-Mangelhypothese als Ursache für die Entstehung von Depression und Angst angesehen.
Wie bei anderen psychischen Erkrankungen geht man davon aus, dass genetische Vulnerabilitäten zu neurobiologischen und morphologischen Gehirnveränderungen führen, die den Ausbruch von Angsterkrankungen begünstigen, wenn zusätzliche psychosoziale Belastungsfaktoren hinzukommen (Vulnerabilitäts-Stress-Modell). Ein wichtiger Risikofaktor ist eine schwere somatische Erkrankung. So kommt es zum Beispiel nach akutem Koronarsyndrom bei 20 bis 30 Prozent der Patienten zu einer Angsterkrankung.