Schlafmittel mit neuem Wirkmechanismus zugelassen |
Daniela Hüttemann |
06.05.2022 15:00 Uhr |
Dem Hersteller zufolge könnte Daridorexant die Behandlung von Schlafstörungen in der EU revolutionieren. Die Daten aus den Zulassungsstudien klingen in der Tat vielversprechend, müssen sich aber noch im klinischen Alltag bewähren. / Foto: Adobe Stock/terovesalainen
Zugelassen ist Quviviq seit dieser Woche zur Behandlung von Erwachsenen mit Schlafstörungen (Insomnie), deren Symptome seit mindestens drei Monaten anhalten und eine beträchtliche Auswirkung auf die Tagesaktivität haben.
Daridorexant ist ein dualer Orexin-Rezeptorantagonist (DORA). »Anstatt den Schlaf durch eine breite Hemmung der Gehirnaktivität herbeizuführen, blockiert Quviviq nur die Aktivierung von Orexin-Rezeptoren«, verspricht der schweizerische Hersteller Idorsia in einer Pressemitteilung zur EU-Zulassung. Orexin ist ein Neuropeptid, das im Gehirn produziert wird und dort die Wachheit steigert. Als sein Antagonist reduziert Daridorexant nächtliche, übermäßige Wecksignale. So soll es beim Ein- und Durchschlafen helfen. Hang-over-Effekte wie bei Benzodiazepinen und Z-Substanzen soll es keine geben. In klinischen Studien konnte nachgewiesen werden, dass die Behandlung mit Daridorexant die Leistungsfähigkeit am Tag bei chronischen Insomnie-Patienten verbesserte. Bei Narkolepsie (exzessiver Tagesschläfrigkeit) ist es jedoch kontraindiziert.
Das Phase-III-Studienprogramm mit insgesamt rund 1850 Patienten umfasst zwei Studien über drei Monate sowie eine Langzeitverlängerungsstudie. Etwa 40 Prozent der Probanden waren mindestens 65 Jahre alt. Die Ergebnisse wurden im Februar in »The Lancet Neurology« veröffentlicht. Daridorexant 25 mg und 50 mg verbesserten die Schlafergebnisse und Daridorexant 50 mg darüber hinaus die Tagesaktivität g gegenüber einer Placebobehandlung, so das Fazit. Dabei wurden die Probanden sowohl im Schlaflabor beobachtet als auch zu Schlafzeiten und -qualität sowie dem Erleben am Tag befragt.
Bislang zeigt Daridorexant ein gutes Sicherheitsprofil. Es soll im Gegensatz zu Benzodiazepinen und Z-Substanzen nicht zu einer Abhängigkeit oder Missbrauch führen und kann daher auch langfristig eingenommen werden. Die Studienteilnehmer nahmen es zum Teil bis zu zwölf Monate lang ein. Ein Rebound-Effekt nach Absetzen wurde nicht beobachtet. Die häufigsten Nebenwirkungen waren Schläfrigkeit (2 bis 3 Prozent der Probanden versus 2 Prozent in der Placebogruppe) und Kopfschmerzen. Vor allem in den ersten Behandlungswochen können Lähmungen im Schlaf und sogenannte hypnagogische Halluzinationen auftreten, im Bewusstseinszustand beim Einschlafen oder Tagschlafen.
Kontraindiziert ist Daridorexant neben Narkolepsie auch bei Hypersensibilität gegenüber Daridoxant oder gleichzeitiger Einnahme starker CYP3A4-Inhibitoren. Alkohol sollte während der Behandlungsdauer nur mit Vorsicht konsumiert werden. Vorsicht ist auch beim Einsatz bei Patienten mit psychiatrischen Komorbiditäten inklusive Depressionen angemahnt.
Die empfohlene (und auch maximale Tages-)Dosis für Erwachsene beträgt eine 50-mg-Filmtablette einmal pro Nacht. Sie soll abends in den 30 Minuten vor dem Zubettgehen eingenommen werden. Je nach klinischer Einschätzung können einige Patienten alternativ mit 25 mg einmal pro Nacht behandelt werden. Es gibt keine Altersbeschränkung für ältere Patienten; etwa 40 Prozent der Studienteilnehmenden waren über 65 Jahre alt.
Idorsia Pharmaceuticals kündigte diese Woche an, das Medikament in den ersten EU-Ländern vor Jahresende auf den Markt bringen zu wollen. In den USA ist Quviviq bereits seit Januar dieses Jahres zugelassen. Dort sind zudem aus dieser Wirkstoffklasse bereits Suvorexant (Belsomra®) und Lemborexant (Dayvigo®) seit 2014 beziehungsweise 2019 verfügbar.