Schatten des Diabetes |
Ein bewährter Fragebogen für ein erstes (Selbst-)Screening ist der WHO-5-Fragebogen zum Wohlbefinden. Anhand von fünf Fragen soll die Person ihr Befinden in Bezug auf Aktivität und Stimmung in den letzten 14 Tagen selbst einschätzen (4). Bei niedriger Punktzahl wird dringend empfohlen, einen Arzt aufzusuchen. Dieser schnelle einfache Test hilft, Anzeichen einer beginnenden depressiven Verstimmung strukturiert zu erkennen und kann auch in der Apotheke angeboten werden; zumindest kann das Apothekenteam darüber informieren.
Viele Leitlinien zu psychischen Krankheiten enthalten Vorgaben für die Differenzialdiagnostik. Beispiel Schizophrenie: Bei Patienten mit Schizophrenie kann schon früh eine Störung der Glucosetoleranz oder ein metabolisches Syndrom vorliegen. In der S3-Praxisleitlinie »Schizophrenie« (Stand 2019) gibt es daher Empfehlungen zur Diagnostik auf metabolische Risiken wie Gewichtszunahme und Diabetes.
Etwa die Hälfte der Depressionen bei Menschen mit Diabetes wird nicht als solche erkannt und folglich auch nicht behandelt. Unspezifische Beschwerden wie Schwäche, erhöhte Ermüdung, Apathie, Irritierbarkeit, Angst, Schlafstörungen und Appetitverlust können Ausdruck einer depressiven Verstimmung sein und sollten vom behandelnden Diabetologen differenzialdiagnostisch überprüft werden. Bei Bedarf ist dringend an den Facharzt zu überweisen (1). Schwere Entgleisungen wie eine Ketoazidose oder Hypoglykämie können auch die Folge eines Suizidversuchs sein, was ebenfalls unbedingt abzuklären ist.
Laut Leitlinie sollen Menschen mit Diabetes mindestens einmal pro Jahr und in kritischen Krankheitsphasen, zum Beispiel bei Diagnose einer Folgeerkrankung, auf Depressionen oder deren subklinische Stufen gescreent werden. Hilfreich sind der WHO-Fragebogen (aus 4) und ein strukturiertes Anamnesegespräch.
Die meisten Patienten machen sich Sorgen um ihre chronische Erkrankung. Dies ist zu unterscheiden von diabetes-bezogenen Ängsten und Angststörungen. Das ausführliche ärztliche Gespräch ist entscheidend in der Diagnostik einer Angststörung. Die Leitlinie (1, Teil 2) schlägt dafür Screeningfragen vor, zum Beispiel: »Leiden Sie häufig unter starken Sorgen, eine Unterzuckerung zu bekommen?« oder »Ganz unabhängig vom normalen Zielblutzucker: Wie hoch ist Ihr persönlicher Wohlfühl-Blutzuckerwert?« Bei einem positiven Screening ist eine vollständige Diagnostik erforderlich.
Apotheker sollten bei der Betreuung von Diabetespatienten nicht nur auf gute Therapieadhärenz, sondern auch auf Anzeichen einer psychischen Störung achten. / Foto: Adobe Stock/Gerhard Seybert
Die Diagnostik einer Essstörung, gerade bei Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes, ist schwierig und erfordert eine einfühlsame Anamnese. Voraussetzung ist, dass der Patient dem Arzt vertraut; nur dann kann er Scham überwinden und eine Essstörung gegebenenfalls zugeben.
Da Rauchen die Prognose von Diabetespatienten beeinträchtigt, gehört die Frage nach Tabakkonsum mindestens einmal jährlich zur allgemeinen medizinischen Betreuung. Dies kann auch in der Apotheke erfolgen. Allerdings wird eine Tabakabhängigkeit häufig geleugnet. Die meisten Patienten unterschätzen das Risiko für die Erhöhung der Glucosetoleranz und somit die Entwicklung eines Typ-2-Diabetes sowie das deutlich erhöhte Risiko für kardiovaskuläre Folgeerkrankungen (7).
▶ Apotheker sollten bei der pharmazeutischen Betreuung von Diabetespatienten auf Anzeichen einer psychischen Belastung oder Störung achten. Mitunter fällt ihnen bei der Medikationsanalyse eine zusätzliche Selbstmedikation, beispielsweise gegen depressive Verstimmungen, auf.