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Coronavirus-Pandemie

SARS-CoV-2 in Abwasser nachweisbar

Wissenschaftler konnten in Kläranlagen nun Genfragmente von SARS-CoV-2 nachweisen. Die Untersuchung von Abwasser könnte somit eventuell als Frühwarnsystem oder zur Überwachung des Epidemie-Verlaufs genutzt werden.
Carolin Lang
07.04.2020  17:12 Uhr

In einer Vorabveröffentlichung stellen Wissenschaftler des niederländischen Wasserforschungsinstituts Nieuwegein (KWR) Ende März ihre Untersuchungsergebnisse zum Auftreten von SARS-CoV-2 in Abwasser vor. Diese wurde auf dem Preprint-Server »medRxiv« veröffentlicht. Die Arbeitsgruppe um Erstautor Professor Dr. Gertjan Medema entdeckte Erbgutfragmente von SARS-CoV-2 in verschiedenen Kläranlagen niederländischer Städte. In einer Stadt ließen sich bereits Erbgutfragmente nachweisen, noch bevor dort Fälle von Infektionen bekannt wurden. Daher sehen die Forscher in der Abwasseruntersuchung Potenzial für ein Frühwarnsystem vor Coronavirus-Ausbrüchen. Zudem könne sich darüber möglicherweise die Zirkulation des Virus innerhalb der Bevölkerung verfolgen lassen.

Das Team untersuchte mittels quantitativer Echtzeit-PCR (RT-qPCR) Abwasserproben auf bestimmte Genfragmente von SARS-CoV-2 zu verschiedenen Zeitpunkten: Drei Wochen bevor der erste niederländische Covid-19-Fall bekannt war, konnten die Forscher keine viralen Genfragmente nachweisen. Circa eine Woche nach dem Bekanntwerden niederländischer Infektionen untersuchte das Team erneut Abwasserproben und konnte Fragmente bei vier von sechs Standorten nachweisen. Zehn weitere Tage später waren es sechs von sieben untersuchte Standorte.

Auch das Fachjournal »Nature« berichtete kürzlich, dass Abwasseruntersuchungen zur Abschätzung des Ausmaßes der Coronavirus-Verbreitung beitragen könnten. Demnach haben einige Forschungsgruppen weltweit damit begonnen, Abwasser auf das neue Coronavirus zu untersuchen – mit dem Ziel, die tatsächliche Gesamtzahl an Infektionen in einer Region abzuschätzen, da viele Menschen gar nicht getestet werden. Bisher haben Forscher in den Niederlanden, den Vereinigten Staaten und Schweden Spuren des Virus im Abwasser gefunden.

Die Fachzeitschrift berichtet außerdem, dass Professor Dr. Tamar Kohn, eine Umweltvirologin aus der Schweiz, in der Detektion von Viruspartikeln im Abwasser das Potenzial sieht, Gesundheitsbehörden einen zeitlichen Vorsprung bei der Entscheidung über die Einführung von Maßnahmen zur Epidemie-Eindämmung zu verschaffen. Denn Studien zufolge könne SARS-CoV-2 innerhalb von drei Tagen nach der Infektion im Stuhl auftreten. Die Erreger gelangen dann mit dem Stuhl ins Abwasser, wo sie zu einem früheren Zeitpunkt nachweisbar sind, als dies über den offiziellen Weg möglich ist, da Infizierte  erst Symptome entwickeln und eine Diagnose erhalten müssen. Sieben bis zehn Tage Vorlauf könnten dabei die Schwere des Ausbruchs stark beeinflussen, so Kohn.

Kontrolle des Erregers in der Umwelt gefordert

Forscher der University of California Riverside, USA, fordern in einer Pressemitteilung nun Tests, um festzustellen, ob gängige Wasserbehandlungsmethoden Coronaviren wirksam inaktivieren. Untersuchungen hätten gezeigt, dass Coronaviren, darunter auch SARS-CoV-2, über mehrere Tage in Abwasser und Trinkwasser infektiös bleiben könnten. Die meisten Wasseraufbereitungsmethoden seien zwar in der Lage, Coronaviren sowohl im Trink- als auch im Abwasser wirksam abzutöten oder zu entfernen, allerdings sind die meisten Methoden nicht speziell auf die Wirksamkeit bei SARS-CoV-2 getestet. »Die anhaltende Covid-19-Pandemie verdeutlicht den dringenden Bedarf, das Schicksal des ansteckenden Virus in der Umwelt und seine Kontrolle sorgfältig zu evaluieren«, sagt Professor Dr. Haizhou Liu. Eine erhebliche Infektionsquelle wird Abwasser bei SARS-CoV-2 vermutlich nicht sein, da die Viren im Stuhl zwar nachweisbar sind, aber nicht mehr infektiös. Das hatte ein Forscherteam um Professor Dr. Christian Drosten von der Charité in Berlin Anfang März berichtet.

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