Rote-Hand-Briefe für Fluoropyrimidin-Analoga |
Für Patienten mit einem Mangel des Enzyms Dihydropyrimidin-Dehydrogenase (DPD) kann eine Therapie mit 5-FU und seinen Analoga tödlich enden. Davor warnen erneut Rote-Hand-Briefe. / Foto: Getty Images/Ol'ga Efimova / EyeEm
Der erste Rote-Hand-Brief betrifft das parenteral verabreichte Zytostatikum 5-Fluorouracil (5-FU) und seine peroral applizierbaren Prodrugs Capecitabin und Tegafur. Patienten mit partiellem oder vollständigem Dihydropyrimidin-Dehydrogenase-Mangel (DPD-Mangel) haben bei der Behandlung mit diesen Arzneistoffen ein erhöhtes Risiko für schwere Toxizität. Viele wissen jedoch nicht, wie ihre Enzymausstattung diesbezüglich aussieht. Daher wird nun empfohlen, vor Beginn einer entsprechenden Therapie der Phänotyp und/oder Genotyp der DPD zu bestimmen, trotz Unsicherheiten, was die optimale Testmethodik ist, heißt es im Rote-Hand-Brief.
Die DPD ist das geschwindigkeitsbestimmende Enzym beim Abbau von 5-FU. Ein vollständiger Mangel dieses Enzyms ist selten (0,01 bis 0,5 Prozent der Kaukasier), allerdings sind schätzungsweise 3 bis 9 Prozent der Menschen kaukasischer Abstimmung von einem partiellen Mangel betroffen. Dann kann sich das Zytostatikum in toxischen Mengen anreichern, was mit lebensbedrohlichen Komplikationen einhergehen kann. Beim Genotyp gibt es vier Varianten, die mit einem erhöhten Risiko für schwere Toxizität in Verbindung gebracht werden. Bei der Phänotypisierung wird der Uracil-Spiegel im Plasma vor Behandlungsbeginn als Indikator genutzt.
Liegt ein vollständiger DPD-Mangel vor, ist die Chemotherapie mit Fluoropyrimidin-Analoga kontraindiziert. Bei partieller DPD-Insuffizienz ist eine reduzierte Anfangsdosis in Betracht zu ziehen. Bei der 5-FU-Behandlung wird zudem ein therapeutisches Drug Monitoring empfohlen. Auch Nukleosidanaloga wie Brivudin können die DPD funktionell hemmen und damit eine Kumulation von 5-FU bewirken, ergänzt die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK). Davor warnte erst kürzlich ein anderer Rote-Hand-Brief.
Die AMK weist zudem darauf hin, dass dermatologische Indikationen für 5-FU, wie die (multiple) aktinische Keratose, bei der unter anderem eine 5-prozentige Creme wie Efudix® bis zu zweimal täglich auf maximal 500 cm2 Hautfläche über maximal vier Wochen aufgetragen wird, von dieser Risikominimierungsmaßnahme nicht betroffen sind. Doch auch hier könne das Risiko starker lokaler oder gar systemischer Nebenwirkungen durch eine verminderte DPD-Aktivität erhöht sein. »Auch in diesen Fällen ist die Bestimmung eines DPD-Mangels vor Therapiebeginn sinnvoll«, schreibt die AMK.
Auch das Antimykotikum Flucytosin ist ein 5-FU-Prodrug. Es hemmt die fungale Protein- und DNA-Synthese und wird intravenös verabreicht (Ancotil® Infusionslösung). Daher gelten die Risikominimierungsmaßnahmen in Bezug auf die DPD-Ausstattung auch hier, wie einem parallel verschickten Rote-Hand-Brief zu entnehmen ist. »Die Bestimmung der DPD-Aktivität kann in Betracht gezogen werden, wenn eine Arzneimitteltoxizität bestätigt oder vermutet wird«, teilt Zulassungsinhaber Meda Pharam darin mit. Um Verzögerungen in der antimykotischen Therapie zu vermeiden, seien jedoch keine Tests auf DPD-Mangel vor Behandlungsbeginn vorgeschrieben.
Es gilt wie bei den Zytostatika: Bei vollständigem DPD-Mangel ist eine Behandlung mit Flucytosin kontraindiziert, bei partiellem Mangel bestehe ebenfalls ein erhöhtes Risiko für eine schwere Toxizität. Treten entsprechende Nebenwirkungen auf, soll ein Abbruch der Behandlung mit Flucytosin in Betracht gezogen werden. Das Mittel wird eingesetzt bei systemischen Hefe- und Pilzinfektionen, die durch Candida- und Kryptokokken-Spezies sowie Erregern der Chromoblastomykose hervorgerufen werden.