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SARS-CoV-2-Antikörpertests

Rezeptorbindedomäne des Spike-Proteins als spezifisches Antigen

Die Rezeptorbindedomäne des Spike-Proteins unterscheidet sich von Coronavirus zu Coronavirus deutlich. Sie scheint daher ein geeignetes Antigen für zuverlässige Antikörpertests auf das SARS-Coronavirus-2 zu sein, zeigt eine aktuelle Studie.
Theo Dingermann
12.06.2020  10:56 Uhr

Dringend werden spezifische Tests benötigt, die anzeigen, ob eine Person Antikörper gegen SARS-CoV-2 entwickelt hat und damit als immun betrachtet werden kann. Bisherige Tests, die in den vergangenen Wochen zu Hunderten den Markt fluteten, scheinen unzuverlässige Ergebnisse zu liefern. Das Problem bilden die Antigene, mit deren Hilfe vorliegende Antikörper erkannt werden, die zum Teil bei den verschiedenen Coronaviren ähnlich sind, was zu Kreuzreaktivität führen kann.

Um ein spezifischeres Antigen zu finden, stellte ein Forscherteam um Dr. Lakshmanane Premkumar von der University of North Carolina in Chapel Hill, USA, die Rezeptorbindedomäne (RBD) des Spike-Proteins von SARS-CoV-2 rekombinant her und untersuchte, inwieweit sie sich für den sicheren Nachweis SARS-CoV-2-spezifischer Antikörper beim Menschen eignet. 

Die RBD bietet sich hierfür an, weil sich dieses Proteinmotiv unter den Coronaviren deutlich unterscheidet. Die Aminosäureübereinstimmung zwischen den RBDs aus SARS-CoV-2 und SARS-CoV-1 beträgt nur 75 Prozent. Mit der RBD des MERS-Virus gibt es nur eine Übereinstimmung der Aminosäuren von 19 Prozent. Wichtiger noch sind die Unterschiede in diesem Bereich des immundominanten Spike-Proteins zu den entsprechenden Regionen der vier Corona-Erkältungsviren, da gerade diese Viren dafür verantwortlich waren, dass die bisher verfügbaren Tests so unzuverlässig zu sein scheinen. Hier stimmen die Aminosäuresequenzen der RBDs der jeweiligen Spike-Proteine nur zu 19 bis 21 Prozent überein.

Die Forscher aus Chapel Hill verwendeten eine Sammlung menschlicher Seren (63 SARS-CoV-2-Patienten und 71 Kontrollpersonen) und Hyperimmunseren von Tieren, die zoonotischen CoVs ausgesetzt waren, um das Potenzial der RBD des Spike-Proteins als Antigen für einen zuverlässigen Nachweis SARS-CoV-2-spezifischer Antikörper zu evaluieren. Die Forscher zeigten, dass am Tag 9 nach dem Auftreten von Covid-19-Symptomen das rekombinante SARS-CoV-2 RBD-Antigen hoch sensitiv (98 Prozent) und hoch spezifisch (100 Prozent) für Antikörper war, die durch SARS-CoV-2 induziert wurden. Dies bedeutet, dass es bei 98 Prozent aller nachweislich Infizierten Antikörper entdeckte und dass alle Personen, bei denen Antikörper entdeckt wurden, tatsächlich infiziert waren. Das berichtet das Team in einer Publikation im Fachjournal »Science«. Außerdem wurde bei den Patienten eine starke Korrelation zwischen der Menge an RBD-bindenden Antikörpern und SARS-CoV-2 neutralisierenden Antikörpern beobachtet.  

Die Ergebnisse, die auch die frühe Kinetik der SARS-CoV-2-Antikörperreaktionen dokumentieren, bekräftigen den Vorschlag, die RBD des Spike-Proteins als Antigen in serologisch-diagnostischen Tests einzusetzen. So kann nicht nur zuverlässig das Vorhandensein spezifischer SARS-CoV-2-Antikörper in menschlichen Seren nachgewiesen werden. Zudem scheinen sich derartige Tests auch als Korrelat für das Vorliegen neutralisierender Antikörperspiegel bei Menschen zu eignen, die sich von SARS-CoV-2-Infektionen erholt haben.

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