Preisgekrönter Proteasom-Inhibitor |
Eine Besonderheit von Bortezomib ist – der Name verrät es bereits – das enthaltene Bor. / Foto: Wurglics
Im Jahr 2004 erhielt der israelische Wissenschaftler Aaron Ciechanover zusammen mit Avram Hershko und Irwin Rose den Nobelpreis für Chemie für die Entdeckung des Ubiquitin-gesteuerten Proteinabbaus in der Zelle. Ende der 1970er- und Anfang der 1980er-Jahre hatten die drei Wissenschaftler aufgeklärt, wie in Säugetierzellen nicht mehr benötigte Proteine zerstört beziehungsweise recycelt werden. Sie konnten zeigen, dass der Schlüsselschritt des kontrollierten Proteinabbaus darin besteht, dass sich Ubiquitin an das zu zerstörende Protein anheftet. Das so markierte Protein wird dann zum Proteasom transportiert und dort in kleine Peptide und Aminosäuren gespalten.
Bortezomib wurde eigens zur Hemmung der Chymotrypsin-artigen Aktivität des 26S Proteasoms in Säugetierzellen entwickelt. Das 26S Proteasom ist ein Proteinkomplex der Ubiquitin-gebundene Proteine abbaut. Bortezomib ist hoch selektiv für Proteasomen. Selbst bei sehr hohen Konzentrationen hemmt Bortezomib keine anderen Arzneistofftargets. Die Hemmung der Proteasomen führt zu einem Stillstand im Zellzyklus und zu Apoptose. In zahlreichen Experimenten konnte gezeigt werden, dass Bortezomib auf eine
Reihe von Krebszelltypen zytotoxisch wirkt und dass Krebszellen anfälliger für die Apoptose-induzierenden Wirkungen der Proteasom-Hemmung sind als normale Zellen.
Bortezomib wurde zunächst für die Behandlung des multiplen Myeloms zugelassen, einer Krebserkrankung des blutbildenden Systems, von der vor allem ältere Menschen betroffen sind. Konkret handelt es sich um eine Krebserkrankung der Plasmazellen, die Teil des Immunsystems sind und eine Untergruppe der B-Lymphozyten darstellen. Entartete Plasmazellen werden als Myelomzellen bezeichnet, die Myelomzell-Tumore bilden können. Sind mehrere dieser Tumoren nachweisbar, wird die Erkrankung als multiples Myelom bezeichnet.
Daten aus In-vitro-, Ex-vivo- und Tier-Modellen mit Bortezomib deuten darauf hin, dass es die Differenzierung und Aktivität von Osteoblasten erhöht und die Funktion von Osteoklasten inhibiert. Diese Effekte wurden bei Patienten mit multiplem Myelom, die unter einer fortgeschrittenen osteolytischen Erkrankung leiden und die mit Bortezomib behandelt wurden, beobachtet.
Bortezomib ist als Monotherapie oder in Kombination mit anderen Wirkstoffen indiziert für die Behandlung erwachsener Patienten mit progressivem, multiplem Myelom, die mindestens eine vorangehende Therapie durchlaufen haben und die sich bereits einer hämatopoetischen Stammzelltransplantation unterzogen haben oder für diese nicht geeignet sind.
Außerdem ist Bortezomib zugelassen für die Behandlung erwachsener Patienten mit bisher unbehandeltem multiplem Myelom, die für eine Hochdosis-Chemotherapie mit hämatopoetischer Stammzelltransplantation nicht geeignet sind.
In Kombination mit Dexamethason oder mit Dexamethason und Thalidomid ist Bortezomib zugelassen für die Induktionsbehandlung erwachsener Patienten mit bisher unbehandeltem multiplem Myelom, die für eine Hochdosis-Chemotherapie mit hämatopoetischer Stammzelltransplantation geeignet sind. Zudem kann Bortezomib auch in Kombination mit Rituximab, Cyclophosphamid, Doxorubicin und Prednison für die Behandlung erwachsener Patienten mit bisher unbehandeltem Mantelzell-Lymphom eingesetzt werden, wenn diese für eine hämatopoetische Stammzelltransplantation nicht geeignet sind.
Seit fast einem Vierteljahrhundert vergibt die Pharmazeutische Zeitung den PZ-Innovationspreis und würdigt damit das jeweils innovativste Arzneimittel eines Jahres. Beim diesjährigen Pharmacon-Kongress in Meran wird der Preis zum 25. Mal verliehen. Das Jubiläum nimmt die PZ zum Anlass, alle bisherigen Preisträger Revue passieren zu lassen und sie kritisch zu beleuchten. Ließen sie sich in den Therapiealltag integrieren? Haben sie neue Therapierichtungen induziert? Als Autoren fungieren die Professoren Dr. Theo Dingermann und Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz, Mitglieder der externen PZ-Chefredaktion, sowie der stellvertretende PZ-Chefredakteur Sven Siebenand.