Prävention schenkt Lebensjahre |
Die Behandlung von Hyperlipidämien beginnt mit einer Lebensstilberatung, darauf folgt die Pharmakotherapie. »Der Effekt von Lebensstiländerungen wird bei der Lipidtherapie aber oft überschätzt«, berichtet Laufs. »Viele Fälle sind genetisch bedingt und nicht über die Ernährung kontrollierbar.« Als medikamentöse Basistherapie stehen Statine zur Verfügung. Eine seltene Nebenwirkung sind Myopathien.
»Ärzte und Apotheker sollten Patienten aber nicht im Vorfeld verunsichern und diese Nebenwirkung übermäßig betonen«, sagt der Internist. »Die Kommunikation bei der Abgabe in der Apotheke ist sehr wichtig und sollte die Reduktion von Herzinfarkten und Schlaganfällen in den Vordergrund stellen.«
Zu den Substanzen, die das Risiko für Myopathien speziell unter Simvastatin (Abbau über Cytochrom P450 3A4) erhöhen können, zählen einige Antiinfektiva wie Itraconazol, Ketoconazol, Erythromycin oder Clarithromycin, Calciumantagonisten wie Verapamil, Diltiazem und Amlodipin, aber auch Ciclosporin, Amiodaron oder Grapefruitsaft in großen Mengen. Auf entsprechende Interaktionen ist zu achten (24).
Lässt sich das Therapieziel mit der maximal tolerierten Statindosis nicht erreichen, verschreibt der Arzt zusätzlich Ezetimib. »Bei Patienten mit hohem Risiko kann auch gleich mit einer Kombinationstherapie begonnen werden«, sagt Laufs. Dafür stünden mittlerweile auch Kombinationspräparate als Generika zur Verfügung.
Auf der nächsten Eskalationsstufe kann der Arzt noch Bempedoinsäure oder einen Inhibitor der Proprotein-Convertase Subtilisin/Kexin Typ 9 (PCSK9) hinzufügen. Dieses Enzym ist an der Steuerung des LDL-Rezeptors beteiligt. Die monoklonalen Antikörper Evolocumab und Alirocumab zielen auf dieses Protein ab. Für Laufs sind das Beispiele einer modernen Pharmakotherapie. »PCSK9-Hemmer werden nur alle zwei Wochen oder einmal im Monat subkutan injiziert. Die großen Einnahmeintervalle minimieren den Aufwand für den Patienten und können die Adhärenz verbessern.« Zu den am häufigsten berichteten, jedoch absolut sehr seltenen Nebenwirkungen zählen Reizungen an der Injektionsstelle. Ein Nachteil sind die hohen Behandlungskosten.
Als Lipidsenker wurde ein neuer Antikörper von der EMA zur Behandlung der familiären Hypercholesterolämie (FH) zugelassen. Evinacumab (Evkeeza®) richtet sich gegen das Protein Angiopoietin-like 3 (ANGPTL3), das die Enzyme Lipoproteinlipase und die endotheliale Lipase reguliert. Evinacumab blockiert ANGPTL3, was dazu führt, dass LDL-Cholesterol unabhängig von den LDL-Rezeptoren abgebaut wird. Das Arzneimittel wird monatlich intravenös verabreicht.
Gegen zu hohe Blutfettwerte verfolgen Pharmafirmen noch einen weiteren Ansatz. Pelacarsen richtet sich gezielt gegen das Lipoprotein (a), das ebenso wie Cholesterol atherogene Eigenschaften aufweist. Lp(a) lässt sich bislang medikamentös kaum beeinflussen. Das Antisense-Oligonukleotid Pelacarsen, also ein kurzes Stück synthetische Nukleinsäure, bindet an die komplementäre Boten-RNA (mRNA) von Apolipoprotein A, einem Bestandteil von Lp(a). Dieser Prozess verhindert die Translation des Zielproteins und damit dessen Produktion. Von dem resultierenden Doppelstrang aus Oligonukleotid und mRNA spaltet das zelleigene Enzym RNAse H den RNA-Anteil ab, sodass Pelacarsen wieder frei wird und erneut an die Ziel-mRNA andocken kann. Der subkutan zu verabreichende Arzneistoff befindet sich in Phase III der klinischen Untersuchung.
Olpasiran (AMG 890) ist eine weitere mögliche zukünftige Option, Lp(a) zu senken. Das interferierende RNA-Fragment (siRNA) ist darauf ausgelegt, mRNA für die Translation von Lp(a) in Hepatozyten direkt zu hemmen und dadurch die Plasma-Lp(a)-Konzentration zu senken. Olpasiran wird in Phase II der klinischen Prüfung untersucht.
Quellen: 36–38
In Zukunft könnten zwei neu zugelassene Optionen zur Lipidtherapie eine verstärkte Rolle spielen. Der hepatische PCSK9-Synthese-Inhibitor Inclisiran bindet im Inneren von Leberzellen an den RNA-induced silencing complex (RISC-Komplex), der mRNA spaltet, die für die Transkription von PCSK9 notwendig ist. Durch den als RNA-Interferenz bezeichneten Mechanismus entsteht weniger PCSK9-Protein. Dadurch wird der PCSK9-vermittelte Abbau der LDL-Rezeptoren gehemmt und der LDL-Cholesterol-Spiegel sinkt (31).
Bempedoinsäure ist ein oraler Hemmer der Adenosintriphosphat-Citrat-Lyase (ACL), die Citrat in Acetyl-CoA und damit eine Ausgangssubstanz für die Cholesterol-Biosynthese umwandelt. Damit greift der Wirkstoff wie die Statine in die Synthese von Cholesterol ein, soll jedoch keine muskelbezogenen Nebenwirkungen erzeugen. Den Wirkstoff bewertete die PZ 2020 als Sprunginnovation und zeichnete ihn mit dem PZ-Innovationspreis 2021 aus (32, 33). Weitere Daten zu beiden Wirkstoffen aus den bereits voll rekrutierten Outcome-Studien werden erwartet.