Phytopharmaka mit und ohne Evidenz |
Gastrointestinale Störungen sind eine wichtige Domäne der Phytotherapie. Für etliche Indikationen, etwa zur Vorbeugung und Behandlung der Reiseübelkeit, gibt es pflanzliche Präparate mit guter Evidenzlage. / Foto: Adobe Stock/nicoletaionescu
Die Phytotherapie ist in Deutschland nach wie vor sehr beliebt, auch wenn im Jahr 2020 ein spürbarer Rückgang der Absatzzahlen gegenüber 2019 zu verzeichnen war. Etwa 12 Prozent weniger Packungseinheiten wurden verkauft. Hauptursache waren die Erkältungspräparate – ihr Absatz ist um 20 bis 30 Prozent gesunken. Abstands- und Hygienekonzepte wirken eben nicht nur gegen SARS-CoV-2. Trotzdem liegen die Erkältungspräparate nach wie vor im Ranking der Indikationsgruppen auf dem ersten Platz. Interessanterweise war auch bei »Magen- und verdauungsfördernden Mitteln« ein Rückgang um knapp 9 Prozent zu verzeichnen. Im Ranking nehmen sie aber immer noch den zweiten Platz ein: Insgesamt wurden elf Millionen Packungseinheiten verkauft und ein Umsatz von 128 Millionen Euro erzielt.
Gastrointestinale Störungen sind also eine wichtige Domäne der Phytotherapie. Etliche Drogen, Extrakte und Präparate können mit einer guten Evidenzbasis aufwarten, was sich zum Beispiel an den EMA-HMPC-Monographien mit Well-established-use-Status zeigt (Kasten). Auch in ärztlichen Leitlinien wird die jeweilige Datenlage mittlerweile gewürdigt und es tauchen immer häufiger phytotherapeutische Empfehlungen auf. Was sind die wichtigsten Indikationsbereiche und welche Evidenzen gibt es für welche Phytopharmaka?
Das Committee on Herbal Medicinal Products (HMPC) der European Medicines Agency (EMA) erstellt Monographien zu pflanzlichen Drogen und deren Zubereitungen und teilt sie in die Kategorien »well-established use« (WEU) und »traditional use« (TU) ein. Diese Kategorien existieren seit den Jahren 2001 sowie 2004. Mittlerweile gibt es mehr als 150 Monographien und laufend kommen neue hinzu. Die Texte werden in regelmäßigen Abständen dem aktuellen Wissensstand angepasst, sodass sich die Kategorien auch ändern können.
WEU bedeutet, dass die Droge oder Zubereitung länger als zehn Jahre in der EU genutzt wird und die Wirksamkeit und Sicherheit in klinischen Studien bestätigt wurden. Für den TU werden die Drogen oder Extrakte länger als 30 Jahre und davon mindestens 15 Jahre in der EU verwendet. Sie werden auf der Basis ausreichender Sicherheitsdaten und ihrer traditionellen Anwendung mit plausibler Wirkung registriert. Hier gibt es gemäß HMPC-Einschätzung keine ausreichende Evidenzbasis zur Einstufung in die Kategorie WEU.
Übrigens: Aus den Angaben auf einer Arzneimittelpackung erschließt sich der Status nur bedingt. Eine Registrierungsnummer (Reg.-Nr.) und die zusätzliche Angabe »traditionelles pflanzliches Arzneimittel« oder »traditionell angewendet« weisen darauf hin, dass es sich um die Kategorie TU handelt. Auf allen anderen Phytopharmaka findet sich eine Zulassungsnummer (Zul.-Nr.), aus der aber nicht hervorgeht, ob hier eine Vollzulassung, eine WEU-Zulassung oder eventuell eine Nachzulassung nach § 109a AMG vorliegt. Bei einer Nachzulassung findet sich auch der Zusatz »traditionell angewendet«.
Gegen Appetitlosigkeit werden traditionell Bitterstoffdrogen verwendet. Bitterstoffe sind chemisch recht unterschiedliche Moleküle, beispielsweise Terpene, Flavonoide oder Pregnanderivate. Diese Stoffe aktivieren Bitterrezeptoren, die in den Geschmacksknospen der Zunge, aber auch im weiteren Verlauf des Gastrointestinaltrakts vorkommen. Es wird vermutet, dass die Stimulation der Bitterrezeptoren auf der Zunge die Speichelsekretion anregt und über den Nervus vagus die Verdauungsorgane aktiviert. Vielleicht wird die Sekretion von Verdauungssäften zudem direkt, also lokal, im Verdauungstrakt gefördert.
Aussagekräftige klinische Studien zur Wirksamkeit bei Appetitlosigkeit fehlen. Aber die Wirkung der Bitterstoffdrogen ist durchaus plausibel und es gibt ein langjähriges Erfahrungswissen dazu, sodass die EMA etliche Drogen der Kategorie »TU« für die Indikation »kurzzeitige Appetitlosigkeit« zugeordnet hat (Tabelle 1).
Indikationsbereich | Drogen (Beispiele) mit TU-Status |
---|---|
kurzzeitige Appetitlosigkeit | Andornkraut, Bitterkleeblätter, Bockshornsamen, Enzianwurzel, Hopfenzapfen, Isländisches Moos, Klettenwurzel, Löwenzahnkraut mit Wurzel, Schafgarbenkraut/-blüten, Tausendgüldenkraut, Teufelskrallenwurzel, Wegwartenwurzel, Wermutkraut |
Verdauungsstörungen | Anis, Artischockenblätter, Curcumawurzelstock, Fenchel, Kamillenblüten, Kümmel, Mariendistelfrüchte, Pfefferminzblätter, Schafgarbenkraut, Süßholzwurzel, Zimtrinde |
Der aus Südostasien stammende Ingwer wird dort seit Jahrtausenden als Gewürz- und Arzneipflanze genutzt und hat weltweit Beliebtheit erlangt. Aufgrund der im Wurzelstock enthaltenen Scharfstoffe und des ätherischen Öls wirkt Ingwer verdauungsfördernd und steigert die Sekretion von Speichel, Magensaft und Galle. In Tierversuchen wurde nachgewiesen, dass Ingwerwurzelstock die Magenentleerung fördert, den Magen-Darm-Transit verbessert und Erbrechen reduziert. Dies scheint vor allem auf einer peripheren Wirkung zu beruhen, bei der unter anderem 5-HT3-Rezeptoren im Gastrointestinaltrakt eine Rolle spielen.
Bei gesunden Probanden beeinflusste pulverisiertes Ingwerrhizom in Einzeldosen von 1 bis 2 g die Kontraktion der Magenmuskulatur und beschleunigte die Magenentleerung. Auf das Gleichgewichtssystem hatte Ingwer in diesen Studien keinen Effekt.
In randomisiert-kontrollierten Studien wurde die Wirksamkeit von pulverisiertem Ingwerrhizom bei Übelkeit und Erbrechen nach Operationen, in der Schwangerschaft, während einer Chemotherapie und bei Reisekrankheit (Kinetose) untersucht. Es zeigte sich nur ein geringer positiver Effekt bei postoperativer und schwangerschaftsinduzierter Übelkeit. Insgesamt war die Studienlage aber sehr heterogen.
Nur für die Indikation »Prävention der Reisekrankheit« waren die Studienergebnisse so aussagekräftig, dass das HMPC den WEU-Status vergeben konnte. Erwachsene sollen 1 bis 2 g pulverisierte Droge eine Stunde vor Reiseantritt einnehmen (Tabelle 2). Aufgrund fehlender Daten gilt die WEU-Empfehlung nicht für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren.
Indikation | Droge/Extrakt | Präparatebeispiele |
---|---|---|
Prävention der Reisekrankheit | Ingwerwurzelstock-Pulver | Zintona® |
Reizmagen | Kombination Pfefferminzöl/Kümmelöl | Carmenthin® |
Reizmagen | STW5 und STW5-II | Iberogast® Classic und Advance |
Reizdarm | Flohsamenschalen | Mukofalk® |
Reizdarm | Pfefferminzöl | Buscomint® |
Reizdarm | Kombination Pfefferminzöl/Kümmelöl | Carmenthin® |
Reizdarm | STW5 und STW5-II | Iberogast® Classic und Advance |
Colitis ulcerosa (Remissionserhalt) | Flohsamenschalen | Mukofalk® |
Colitis ulcerosa (Remissionserhalt) | Myrrhepulver, Kamillenblütenextrakt, Kaffekohlepulver | Myrrhinil® |
Obstipation | Füll- und Quellstoffdrogen | – |
Obstipation | Anthranoid-Drogen | – |
Die HMPC-Monographie beinhaltet aber auch den TU-Status für die Indikation »Linderung der Symptome bei Reisekrankheit« mit niedrigeren Dosierungen: Erwachsene sollen 30 Minuten vor Reiseantritt 750 mg und Kinder und Jugendliche ab sechs Jahren 250 bis 500 mg einnehmen.
Aus Vorsichtsgründen rät das HMPC davon ab, Ingwer während der Schwangerschaft und Stillzeit anzuwenden. Im Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie der Charité Berlin (www.embryotox.de) wurden inzwischen jedoch Sicherheitsdaten von mehr als 1000 Schwangeren ausgewertet. Dabei wurde kein erhöhtes Risiko gefunden. Die Embryotox-Experten schreiben daher: »Ingwer kann in allen Phasen der Schwangerschaft in üblicher Dosierung eingenommen werden«. Das HMPC und embryotox.de weisen auf Sodbrennen als relevante Nebenwirkung hin.
Der Reizmagen ist eine chronische benigne Funktionsstörung mit länger als drei Monate anhaltenden oder wiederkehrenden Beschwerden im Oberbauch ohne Nachweis einer organischen Ursache. Mit 10 bis 20 Prozent ist die Prävalenz der funktionellen Dyspepsie recht hoch. Die Leitsymptome der Erkrankung sind zum einen Oberbauchschmerzen und Bauchkrämpfe und zum anderen das postprandiale Distress-Syndrom, das durch Völlegefühl, frühes Sättigungsgefühl, Übelkeit, Brechreiz und Erbrechen sowie Appetitlosigkeit charakterisiert ist. Motilitätsstörungen, sensomotorische Störungen, viszerale Hypersensitivität oder auch eine veränderte Mikrobiota scheinen an der Entstehung der funktionellen Dyspepsie beteiligt zu sein.
In der Phytotherapie werden zahlreiche Drogen mit einer spasmolytischen, motilitätssteigernden und/oder beruhigenden Wirkung auf den Verdauungstrakt eingesetzt, die den TU-Status zum Einsatz bei Verdauungsstörungen haben (Tabelle 1). In der Monographie für Süßholzwurzel wird explizit »Dyspepsie und Sodbrennen« bei den Indikationsangaben genannt. Diese Einsatzmöglichkeit könnte auf der entzündungshemmenden Wirkung des Saponins Glycyrrhizin beruhen, aber auch auf der Reduktion der Gastrin-Freisetzung und einer verbesserten Magenschleimhaut-Regeneration. Die geringe Probandenzahl in einer klinischen Studie ließ jedoch keinen WEU-Status zu.
Evidenzgeprüfte Phytopharmaka sind in der Regel als feste Arzneiformen auf dem Markt. / Foto: Adobe Stock/yanadjan
Eine Kombination aus 90 mg Pfefferminzöl und 50 mg Kümmelöl (Carmenthin®) ist zur Therapie von dyspeptischen Beschwerden zugelassen. Eine HMPC-Monographie gibt es hierzu aber nicht (Tabelle 2). Das Präparat kann mit guter klinischer Evidenz aufwarten und wird in einer leitlinienähnlichen Übersichtsarbeit im Deutschen Ärzteblatt als »Therapieoption bei funktioneller Dyspepsie« mit Evidenzlevel 2 (Vorliegen positiver placebokontrollierter Studien) empfohlen.
Ein weiteres, sehr gängiges und klinisch gut untersuchtes Phytopharmakon in diesem Indikationsbereich ist die Extraktmischung STW5 (Iberogast® Classic), die es mittlerweile auch in der modifizierten Variante STW5-II (Iberogast® Advance) gibt (Tabelle 2). STW5 ist eine Extraktmischung aus neun verschiedenen Drogen: Bittere Schleifenblume, Angelikawurzel, Kamillenblüten, Kümmel, Mariendistelfrüchte, Melissenblätter, Pfefferminzblätter, Schöllkraut und Süßholzwurzel. Bei STW5-II fehlen die Komponenten Angelikawurzel, Mariendistelfrüchte und Schöllkraut. In der genannten Übersichtsarbeit wurde STW5 der Evidenzlevel 1 (Vorliegen positiver Metaanalysen) zugesprochen. Für beide Fertigarzneimittel gibt es zahlreiche klinische Studien und sie sind zugelassen zur Therapie funktioneller und motilitätsbedingter Magen-Darm-Erkrankungen wie Reizmagen und Reizdarm.
STW5 kann bereits bei Kindern ab drei Jahren angewendet werden, STW5-II ist für Jugendliche ab zwölf Jahren vorgesehen. Beide Extraktmischungen wirken sich positiv auf die Magenmotilität aus und wirken entzündungshemmend. In Schwangerschaft und Stillzeit sollte keines der beiden Präparate angewendet werden. Aufgrund des Gehalts an Schöllkraut-Alkaloiden wird bei STW5 auf einzelne Fälle einer Leberschädigung während der Anwendung hingewiesen. Bei einer vorgeschädigten Leber sollte die Einnahme daher unterbleiben.
Extrakte aus Mariendistelfrüchten sind der Klassiker bei Lebererkrankungen. Das darin enthaltene Stoffgemisch Silymarin verringert den intrazellulären oxidativen Stress und weist antifibrotische und entzündungshemmende Wirkungen auf. Zahlreiche klinische Studien mit unterschiedlichen Trockenextrakten aus Mariendistelfrüchten liegen vor, die meisten hiervon mit einem auf Silymarin eingestellten Trockenextrakt (Legalon®). Das seit Jahrzehnten verfügbare Präparat hat eine Zulassung für die unterstützende Behandlung bei chronisch-entzündlichen Lebererkrankungen, Leberzirrhose und toxischen Leberschäden. Im Jahr 2018 bewertete das HMPC allerdings die bisherigen klinischen Studien als nicht ausreichend und zu heterogen, weshalb der Droge und den verschiedenen hieraus gewonnenen Extrakten lediglich der TU-Status zuerkannt wurde.
Magenschmerzen, Völlegefühl und Verdauungsbeschwerden: Hier stehen gut geprüfte Phytopräparate zur Verfügung. / Foto: Adobe Stock/Klaus Eppele
Gemäß HMPC ist für Neuzulassungen nur noch folgende Indikation möglich: zur symptomatischen Linderung von Verdauungsstörungen, Völlegefühl und zur Unterstützung der Leberfunktion, nachdem schwere Erkrankungen medizinisch ausgeschlossen wurden.
Bei Gallenleiden hat sich der Einsatz von Artischockenblätter-Extrakten bewährt. Das Präparat Hepar-SL®, das seit Langem auf dem Markt ist, kann mit klinischen Studien aufwarten und hat eine Zulassung für die Indikation »Verdauungsbeschwerden, besonders bei funktionellen Störungen des ableitenden Gallensystems«. Etliche klinische Studien weisen auf eine Wirkung bei Verdauungsbeschwerden, Hyperlipidämie und Hypercholesterolämie sowie auf eine Steigerung des Gallenflusses hin. Allerdings reichte weder die Probandenzahl noch die Studiendauer aus, um den WEU-Status zu rechtfertigen: In der HMPC-Monographie von 2018 wird Artischockenblättern und daraus hergestellten Extrakten lediglich der TU-Status zur symptomatischen Linderung von Verdauungsstörungen wie Dyspepsie, Völlegefühl, Blähungen und Flatulenz bei Jugendlichen ab zwölf Jahren und Erwachsenen zugewiesen. Ein besonderer Bezug auf Gallenleiden wird nicht genommen; vielmehr werden als Gegenanzeigen Erkrankungen der Gallenwege genannt, die eine ärztliche Überwachung und Beratung erfordern.
Gemäß S3-Leitlinie »Definition, Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie des Reizdarmsyndroms«, die im März 2021 aktualisiert wurde (AWMF-Registernummer 021–016), liegt ein Reizdarmsyndrom vor, wenn folgende drei Punkte zutreffen: länger als drei Monate anhaltende Darmbeschwerden, die die Lebensqualität relevant einschränken und die keine organischen Veränderungen zeigen, die für ein anderes Krankheitsbild charakteristisch sind. Leitsymptome sind Diarrhö und/oder Obstipation, Schmerzen und Blähungen.
Sowohl bei obstipativen als auch bei Durchfallbeschwerden empfiehlt die Leitlinie den Einsatz von löslichen Ballaststoffen. Hierfür eignet sich insbesondere die Droge Flohsamenschalen, die den WEU-Status des HMPC innehat (Tabelle 2). Die Indikation lautet: zur Unterstützung bei Reizdarmsyndrom vom obstipativen Typ. Für Erwachsene und für Jugendliche ab zwölf Jahren wird eine tägliche Gesamtdosis von 7 bis 20 g verteilt auf eine bis drei Einzeldosen empfohlen. Dabei ist unbedingt auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr von mindestens 30 ml Wasser pro Gramm Droge zu achten. Die Monographie weist auch auf Interaktionen hin: Es muss ein Mindestabstand von einer Stunde vor und nach der Einnahme anderer Arzneimittel eingehalten werden, damit es nicht zur Resorptionsbeeinträchtigung dieser Arzneimittel kommt.
Mit der höchsten Empfehlungsstufe führt die Leitlinie Pfefferminzöl auf, das vor allem gegen die Symptome Schmerz und Blähungen wirkt. Diese Einschätzung basiert auf einer sehr guten Studienlage, die auch das HMPC überzeugt hat – für Pfefferminzöl wurde der WEU-Status gewährt. Die Indikation lautet: zur symptomatischen Linderung von leichten Krämpfen des Magen-Darm-Trakts, Blähungen und Bauchschmerzen, insbesondere bei Patienten mit Reizdarmsyndrom. Die Wirksamkeit beruht wahrscheinlich darauf, dass das im Öl enthaltene Menthol ein Antagonist an Calciumkanälen ist, den Calciumeinstrom in die Zelle reduziert und damit die Kontraktilität der glatten Muskulatur hemmt.
In klinischen Studien war Pfefferminzöl anderen Spasmolytika wie N-Butylscopolamin oder Mebeverin überlegen. Erwachsene und Jugendliche ab zwölf Jahren sollen eine Tagesdosis von 0,6 bis 1,2 ml einnehmen, die auf zwei oder drei Einzeldosen aufgeteilt wird. Für Kinder ab acht Jahren ist eine Dosierung von 0,2 ml dreimal täglich vorgesehen. Wichtig ist, dass die Einnahme eine halbe Stunde vor dem Essen erfolgt und dass das Pfefferminzöl in einer magensaftresistenten Formulierung angewendet wird. Die Weichkapsel darf nicht zerbissen werden, da es sonst zu lokalen Reizungen kommen kann.
Üblicherweise beträgt die Anwendungsdauer eine bis zwei Wochen. Sollten die Symptome persistieren, kann die Einnahme auf bis zu drei Monate ausgedehnt werden. Bei Patienten, die häufiger Sodbrennen haben oder an einer Hiatushernie (Zwerchfellbruch) leiden, können sich die Symptome verschlimmern, da es zu einer Relaxation des Mageneingangs kommt. In solchen Fällen muss die Behandlung beendet werden.
In der Leitlinie wird aufgrund der guten Evidenzbasis auch der Einsatz von STW5 und STW5-II beim Reizdarmsyndrom empfohlen, wobei vor allem die Linderung der abdominellen Schmerzen hervorgehoben wird (Tabelle 2). Klinische Evidenzen für eine Linderung von Reizdarmsymptomen liegen auch für die Kombination aus Pfefferminz- und Kümmelöl (Carmenthin®) vor. Allerdings wird das Präparat nicht in der Leitlinie erwähnt, was wohl darin begründet ist, dass es keine spezifischen Studien mit Reizdarmpatienten gibt. Vielmehr wurde das Phytopharmakon an Patienten mit funktioneller Dyspepsie untersucht. Da sich die Symptome der funktionellen Dyspepsie und des Reizdarmsyndroms überlappen, konnten auch reizdarmassoziierte Symptome erfasst und ausgewertet werden.
Bei Patienten mit Morbus Crohn kann die Phytotherapie allenfalls supportiv eingesetzt werden. In der neuen S3-Leitlinie vom August 2021 (AWMF-Registernummer 021–004) werden zwei Drogen erwähnt: Weihrauch und Wermutkraut. Für beide gibt es zwar klinische Hinweise auf eine Wirksamkeit, jedoch reichen diese nicht aus, um eine Empfehlung auszusprechen. Die Leitlinie weist explizit darauf hin, dass beide Drogen nicht als Arzneimittel zur Verfügung stehen. Cannabis wird ebenfalls erwähnt als Therapieoption bei abdominellen Schmerzen und ausgeprägtem Appetitverlust mit starker Gewichtsabnahme, falls die Standardmedikation nicht ausreichend wirksam ist.
Keine Abgabe ohne gute pharmazeutische Beratung – dies gilt für alle Arzneimittel, egal welchen Ursprungs. / Foto: Shutterstock/Inside Creative House
Für Colitis ulcerosa ist im April 2021 die neue S3-Leitlinie erschienen (AWMF-Registernummer 021–009LG). Gemäß Leitlinie kann die Droge Indische Flohsamen komplementär in der remissionserhaltenden Therapie eingesetzt werden. Die Empfehlung beruht allerdings nicht auf dem höchsten Evidenzlevel. Der Pflanzeninhaltsstoff Curcumin wird ebenfalls aufgeführt. Zu Curcumin, das in einer Tagesdosis von 2 bis 3 g komplementär zu einem Aminosalicylat eingesetzt wurde, gibt es klinische Studien mit positiven Ergebnissen bei der Remissionsinduktion und dem Remissionserhalt. Allerdings wird klar darauf hingewiesen, dass Curcumin keinen Status als Arzneimittel hat.
Als dritte phytotherapeutische Empfehlung wird in der Colitis-Leitlinie ein Arzneimittel aus Myrrhe, Kamillenblütenextrakt und Kaffeekohle (Myrrhinil®) genannt. Dieses kann mit einer positiven klinischen Studie aufwarten und komplementär zum Remissionserhalt eingesetzt werden (Tabelle 2).
Bei Verstopfung können die klassischen Füll- und Quellstoffdrogen (Tabelle 3) eingesetzt werden. Sie haben alle den WEU-Status des HMPC. Sie fördern die Darmmotilität und erweichen den Stuhl. Der Wirkeintritt ist frühestens nach etwa zwölf bis 24 Stunden zu erwarten. Eine langfristige Einnahme ist möglich.
Entscheidend ist eine adäquate Flüssigkeitsaufnahme: Das HMPC gibt an, dass mindestens 30 ml Wasser pro Gramm Droge getrunken werden sollen. Die Drogen werden, je nach Quellungszahl, unterschiedlich dosiert (circa 10 bis 40 g als Einzeldosis für Erwachsene) und sind bereits für Kinder ab sechs Jahren mit entsprechend reduzierter Dosierung empfohlen. Die Einnahme soll nicht unmittelbar vor dem Zubettgehen erfolgen und mit zeitlichem Abstand (eine Stunde) zu anderen Arzneimitteln.
Die altbewährten Anthranoid-Drogen (Tabelle 3) wirken zuverlässig abführend und haben entsprechend den WEU-Status. Sie wirken antiresorptiv und sekretagog, das heißt, der Wassergehalt des Stuhls steigt an. Für Erwachsene und Jugendliche ab zwölf Jahren ist eine Einzeldosis von 10 bis 30 mg Hydroxyanthracen-Derivaten vorgesehen, die einmal täglich zur Nacht eingenommen werden soll. Die Dauer bis zum Wirkeintritt beträgt mehrere Stunden, die Anwendungsdauer ist gemäß HMPC auf eine Woche begrenzt. Wichtige Kontraindikationen sind Schwangerschaft und Stillzeit, Nierenerkrankungen, Darmstenosen und chronisch-entzündliche Darmerkrankungen. Außerdem wird in den Monographien auf mögliche Interaktionen hingewiesen, beispielsweise mit herzwirksamen Steroidglykosiden, Antiarrhythmika, Diuretika, Glucocorticoiden und Süßholzwurzel.
Indikationsbereich | Drogen mit WEU-Status |
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Füll- und Quellstoffdrogen | Indische Flohsamen, Indische Flohsamenschalen, Flohsamen, Leinsamen |
Anthranoid-Drogen | Aloe, Cascararinde, Faulbaumrinde, Rhabarberwurzel, Sennesfiederblättchen und Sennesfrüchte |
Die S2k-Leitlinie zur chronischen Obstipation, die 2018 abgelaufen ist und derzeit überarbeitet wird, erwähnt Anthranoid-Drogen neben Lactulose als Therapeutika der zweiten Wahl. Makrogol, Bisacodyl und Natriumpicosulfat seien aber zu bevorzugen. Die Leitlinie sieht den längerfristigen Einsatz der Drogen also nicht so kritisch wie das HMPC, weist aber ausdrücklich darauf hin, dass Langzeitstudien fehlen.
Helfer in der Not / Foto: Shutterstock/showcake
Zur symptomatischen Behandlung leichter Durchfallerkrankungen können gerbstoffhaltige Drogen angewendet werden. Gerbstoffe wirken adstringierend auf die entzündlich veränderte Darmschleimhaut und dichten die feinen Kapillaren ab, sodass die Wassersekretion und die Resorption toxischer Stoffe verringert werden. Relevante klinische Daten gibt es zwar nicht, aber die traditionelle Anwendung erscheint auch dem HMPC plausibel genug, um den TU-Status zu vergeben. Die Drogen Eichenrinde, Odermennigkraut, Tormetillwurzelstock, Erdbeerblätter und Himbeerblätter sind in diesem Indikationsbereich vom HMPC monographiert. Ihre Anwendung ist für Erwachsene und je nach Droge auch für Jugendliche ab zwölf Jahren vorgesehen. Auch an Ovalbumin gebundenes Tannin wird zur unterstützenden symptomatischen Therapie akuter unspezifischer Diarrhöen wie Reisedurchfall verwendet. Klinische Untersuchungen hierzu sind in der Literatur aber nicht zu finden.
Prinzipiell können auch Füll- und Quellstoffdrogen (Tabelle 3) bei leichten Durchfallerkrankungen eingesetzt werden, da sie wasserbindend wirken. Allerdings taucht dieses Einsatzgebiet in den HMPC-Monographien nicht auf und es gibt auch keine relevanten klinischen Untersuchungen hierzu.
Die aus Afrika stammende Droge Uzarawurzel wird ebenfalls gegen unspezifischen akuten Durchfall verwendet, was wohl an der Inhaltsstoffgruppe der Steroidglykoside liegt. Die Wirkung erscheint aufgrund präklinischer Daten zwar plausibel, vom HMPC wurde die Droge aber bisher nicht monographiert. Klinische Studien am Menschen gibt es nicht.
In der S3-Leitlinie »Hämorrhoidalleiden« (AWMF-Registernummer 081–007) wird in puncto Phytotherapie lediglich darauf verwiesen, dass eine ballaststoffreiche Ernährung sowie Füll- und Quellstoffdrogen durch die Regulation der Stuhlkonsistenz die Symptomatik der Erkrankung bessern können. Erwähnt wird auch, dass diese Drogen nach einer Hämorrhoiden-Operation hilfreich sein können, um postoperative Schmerzen zu reduzieren.
Das HMPC führt die Indikation »symptomatische Linderung von Juckreiz und Brennen bei Hämorrhoiden« bei den Drogen Hamamelisrinde/-blätter und Eichenrinde auf und weist ihnen den TU-Status zu. Auch Kamillenblüten können eingesetzt werden, wobei die HMPC-Monographie (TU) nicht explizit auf Hämorrhoiden eingeht, sondern als Indikationsgebiet »Haut- und Schleimhautreizungen im Anal- und Genitalbereich« nennt. Als Anwendungsformen werden Sitzbäder, Suppositorien und halbfeste Zubereitungen genutzt.
Für die Behandlung von Magen-Darm-Beschwerden werden zahlreiche pflanzliche Drogen und deren Zubereitungen eingesetzt. Die klinische Evidenz für ihre Verwendung ist recht heterogen: Einige Drogen sind gar nicht klinisch untersucht, ihr Einsatz erscheint aber plausibel, andere weisen sehr gute klinische Daten auf. Diese Datenlage sollte als Orientierung für die Beratung in der Apotheke genutzt werden.
Professor Dr. Robert Fürst studierte Pharmazie und erhielt 2001 die Approbation als Apotheker. Anschließend folgten Promotion und Habilitation (2011) im Fach Pharmazeutische Biologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Seit Ende 2012 hat Professor Fürst die W3-Professur für Pharmazeutische Biologie im Institut für Pharmazeutische Biologie der Goethe-Universität Frankfurt am Main inne. Seit 2016 ist er Geschäftsführender Direktor des Instituts für Pharmazeutische Biologie, seit 2017 Prodekan des Fachbereichs Biochemie, Chemie und Pharmazie. Sein Forschungsschwerpunkt sind die molekularen Wirkmechanismen von Naturstoffen.
Dr. Ilse Zündorf studierte Biologie von 1984 bis 1990 an der Universität Erlangen. Nach einem Forschungsaufenthalt an der Universität von Kentucky, Lexington, USA, wurde sie 1995 am Institut für Pharmazeutische Biologie der Universität Frankfurt promoviert. Zunächst als Akademische Rätin, seit 2001 als Akademische Oberrätin arbeitet sie am Institut für Pharmazeutische Biologie der Goethe-Universität Frankfurt. Ihre Forschungsthemen betreffen Herstellung und Charakterisierung monoklonaler Antikörper, Herstellung und Modifikation rekombinanter Antikörperfragmente sowie die Etablierung von zellulären Testsystemen zur Wirkstoffsuche.