Phytopharmaka bei Harnwegsinfekten |
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Von unkomplizierten Harnwegsinfekten spricht man, wenn im Harntrakt keine relevanten funktionellen oder anatomischen Anomalien, keine relevanten Nierenfunktionsstörungen und keine relevanten Vor- beziehungsweise Begleiterkrankungen vorliegen, die die Infektion selbst oder gravierende Komplikationen begünstigen.
Infektion der ableitenden Harnwege oder Nierenbeckenentzündung? Auf die Lokalisation des Infektes kann die Beschreibung der Beschwerden erste Hinweise geben. Gemäß der Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Urologie (Stand 2027) wird eine Infektion der unteren Harnwege (Zystitis) angenommen, wenn sich die Beschwerden auf diesen Bereich beschränken: zum Beispiel Schmerzen beim Wasserlassen (Algurie), imperativer und/oder häufiger Harndrang beziehungsweise Schmerzen oberhalb der Schambeinfuge. Kommt es hingegen auch zu Flankenschmerz und/oder Fieber über 38 °C, besteht der Verdacht auf eine Infektion der oberen Harnwege (Pyelonephritis). Diese bedarf immer der ärztlichen Abklärung.
Erstmalig oder wiederholt: Auch nach der Häufigkeit sollte im Beratungsgespräch gefragt werden. Unkomplizierte Harnwegsinfekte können isoliert beziehungsweise sporadisch oder rezidivierend auftreten. Von letzteren spricht man, wenn es zu mindestens zwei Infekten innerhalb von sechs Monaten oder mindesten drei Infekten innerhalb von zwölf Monaten gekommen ist.
Nicht immer ist bei einer unkomplizierten Zystitis eine Therapie mit einem Antibiotikum erforderlich. Zwar gehen unter sofortiger Antibiotikagabe die Beschwerden meist rasch zurück. Das war einer Untersuchung zufolge jedoch auch bei einer rein symptomatischen Behandlung mit Ibuprofen der Fall. Die Leitlinie rät daher, auch die Präferenzen der Patientin mit einzubeziehen. Bei leichten/mittelgradigen Beschwerden kann der Leitlinie zufolge eine alleinige symptomatische Therapie als Alternative zur antibiotischen Behandlung erwogen werden. Neben Ibuprofen stehen hierfür auch verschiedene Phytopharmaka zu Verfügung.
Bärentraubenblätter (Uvae ursi folium) wirken antibakteriell und kommen als Extrakt in diversen Präparaten und als Arzneitee bei Blasenentzündungen zur Anwendung. / Foto: Adobe Stock/Klaus Brauner
Bärentraubenblätter (etwa Cystinol® akut) gehören zu den Klassikern in der Behandlung von Zystitiden. Sie enthalten Arbutin, das ein Prodrug ist. Es wird im Dünndarm absorbiert, in der Leber enzymatisch gespalten und schnell metabolisiert. Die wasserlöslichen, nicht-toxischen Konjugate werden über den Urin ausgeschieden. Der aktive Metabolit Hydrochinon entsteht erst im pathogenen Erreger durch intrabakterielle Spaltung und nicht – wie lange Zeit angenommen – in einer pH-abhängigen Reaktion in der Harnblase. Änderungen des Urin-pH-Werts beeinflussen die Wirkung daher nicht. Ohne ärztlichen Rat sollten Bärentraubenblätter nicht länger als eine Woche und nicht häufiger als fünfmal im Jahr angewendet werden. Nebenwirkungen sind möglich: Aufgrund des Gerbstoffgehalts reagieren empfindliche Personen mitunter mit Magen-Darm-Beschwerden.
Ebenfalls als desinfizierend in den Harnwegen haben sich Senfölglykoside erwiesen, wie sie in Kapuzinerkressekraut und Meerrettichwurzel enthalten sind (zum Beispiel Angocin® Anti-Infekt N). Die enthaltenen Isothiocyanate werden aus dem Dünndarm absorbiert und gelangen über das Blut in den Harntrakt (sowie in den Respirationstrakt, wo sie ebenfalls antiinfektiv wirken). Sie gelangen jedoch nicht in untere Abschnitte des Dickdarms, sodass die dortige Darmflora nicht beeinflusst wird. Anders als bei Bärentraubenblättern ist hier die Anwendungsdauer nicht begrenzt. Haben sich jedoch die Beschwerden eines akuten Harnwegsinfekts nach maximal fünf Tagen nicht gebessert, ist ein Arztbesuch anzuraten. In puncto Wechselwirkungen ist zu beachten, dass Kapuzinerkresse Vitamin K enthält. Interaktionen mit Gerinnungshemmern aus der Gruppe der Vitamin-K-Antagonisten können daher nicht ausgeschlossen werden.
Durchspülungstherapien spielen bei der Behandlung von Harnwegsinfekten auch heute noch eine wichtige Rolle: als Unterstützung für eine antimikrobielle Behandlung, um die Krankheitserreger aus den Harnwegen zu entfernen, aber auch, indem sie dazu beitragen, erneuten Infekten vorzubeugen. Eingesetzt werden unter anderem Birkenblätter, Goldrutenkraut, Hauhechelwurzel und Schachtelhalmkraut – sowohl in Form klassischer Blasen- und Nierentees als auch in Fertigarzneimitteln (etwa Aqualibra®).
Neben diuretischen Eigenschaften verfügen sie über schwach spasmolytische und antiphlogistische (Goldrutenkraut), schmerzlindernde und antientzündliche (Hauhechelwurzel) und schwach spasmolytische Wirkungen (Orthosiphonblätter). Letztere können eine vollständige Entleerung der Blase unterstützen und so zu einer Verminderung der Restharnbildung, einem Risikofaktor für Harnwegsinfekte, beitragen.
Für Orthosiphonblätter wurde außerdem eine antiadhäsive Wirkung gefunden. Maßgeblich verantwortlich für den Effekt sind lipophile Flavone. Sie werden über die Nieren ausgeschieden und sind so in der Blase in relevanten Konzentrationen verfügbar. In weiteren Untersuchungen zeigte sich, dass die Effekte konzentrationsabhängig sind.
Ebenfalls eine antiadhäsive Wirkung wurde für den Einfachzucker D-Mannose (etwa Femannose® N) gezeigt. Dieser wird kaum verstoffwechselt und fast vollständig über den Urin ausgeschieden. Der Zucker bindet an Bakterien und verhindert deren Adhäsion an die Blasenschleimhaut. Anwendet wird er sowohl in der unterstützenden Behandlung als auch in der Vorbeugung von erneuten Harnwegsinfekten. Die Leitlinie empfiehlt D-Mannose bei häufig rezidivierender Zystitis der Frau.
Noch keine Empfehlung gibt die Leitlinie für Cranberry- und Moosbeerenprodukte. Der Grund: Die Ergebnisse aus Studien und Übersichtsarbeiten zur Langzeitprävention rezidivierender Harnwegsinfektionen gegenüber Placebo oder anderen Präventionsregimes waren widersprüchlich. Kürzlich erschien jedoch eine Bewertung des Instituts für Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Demnach trat unter der Anwendung von Cranberry-Präparaten im Vergleich zu Placebo ein erneuter Harnwegsinfekt nicht oder erst später auf.
Traditionell zugelassen zur unterstützenden Behandlung von leichten Beschwerden durch unkomplizierte akute und rezidivierende Harnwegsinfekte ist zudem eine Kombination aus Tausendgüldenkraut, Liebstöckelwurzel und Rosmarinblättern (zum Beispiel Canephron®).
Insbesondere bei häufig rezidivierenden Zystitiden der Frau sollte auch eine Beratung zur Vermeidung von Risiken erfolgen (Kasten).