Persönliche Beratung per Video und Chat |
Daniela Hüttemann |
11.08.2024 08:00 Uhr |
»Die Leute wollen zwar immer weniger weg von ihrem Sofa; trotzdem schätzen sie das niedrigschwellige Angebot ihrer Apotheke vor Ort und wollen dies auch im Internet finden«, meint auch Sören Friedrich, IT-Experte und Geschäftsführer der Gedisa. Über einen Videochat könne eine ähnliche Wärme wie bei einem persönlichen Gespräch entstehen. Durch Blickkontakt könne man sofort erfassen, wie es dem Patienten geht und ob er das Gesagte auch verstanden hat.
»Telepharmazeutische Dienstleistungen sind ein Muss für den Berufsstand, gerade im Hinblick auf die Arzneimitteltherapiesicherheit«, betont Friedrich gegenüber der PZ. Die Apotheken sollten anfangen, ihre Prozesse und Abläufe anzupassen. »Man wird um einen eigenen telepharmazeutischen Arbeitsplatz im Backoffice nicht mehr herumkommen.«
Die Gedisa als Mehrheitsgesellschafter von Apomondo will die telepharmazeutischen Dienste weiter ausbauen. In der »ApoGuide«-App ist bereits ein geschützter Chat zwischen Patient und Apotheke möglich. Das nutzen derzeit rund 8000 Apotheken.
Das Gemeinschaftsprojekt der Landesapothekerverbände arbeitet auch mit der von Medizinern gegründeten Berliner Firma Famedly zusammen, die den bislang ersten zertifizierten Telematikinfrastruktur-Messenger (TIM) anbietet. Damit sind bereits Konsile zwischen Apotheke und Arztpraxis, Rücksprachen zwischen Apotheke und Pflegeheim, aber auch die apothekeninterne Kommunikation beziehungsweise die im Filialverbund möglich.
Eine geschützte Kommunikation innerhalb der TI mit Patienten soll nächstes Jahr hinzukommen, zunächst als Messenger und dann auch mit Videosprechstunden. »Der Messenger funktioniert nach der Initialisierung ähnlich wie WhatsApp, nur hoch sicher«, erklärt Friedrich.
Bei der Übermittlung personenbezogener Gesundheitsinformationen sollte man immer nur über eine End-zu-End-Verschlüsselung kommunizieren, wie unter anderem im TI-Messenger (TIM), einem Chat, der in seinen Grundzügen technologisch auf dem Matrix-Protokoll basiert. Letzteres ist ein offener Standard zur Echtzeitkommunikation über Chat, Telefonie oder Videotelefonie.
»Ich wünsche mir dafür einen strengeren Zulassungsprozess, gerade mit Blick auf datenschutzrechtliche Erfordernisse, für alle Anbieter im Gesundheitsmarkt«, so der IT-Experte – insbesondere, wenn für die Beratung in der Apotheke zusätzliche Daten aus der elektronischen Patientenakte oder E-Rezepte von den TI-Servern abgerufen werden. Auch im Homeoffice sei dies sicher möglich, solange eine entsprechende Verschlüsselung genutzt wird.
Für den angedachten TIM-Dienst für Patienten sieht der Gesetzgeber abschließend noch eine Matrix-ID vor, die von den Krankenkassen herausgegeben wird. »Dies birgt zusätzliche Hürden für Zulassungsprozesse, um Digitalisierung auch für Patientinnen und Patienten erlebbar zu machen«, so Friedrich.
Die Nachfrage nach Chats und Videoberatungen wird seiner Einschätzung nach deutlich steigen. Das könne der Versandhandel mit Callcentern gar nicht leisten. »Für Millionen Patienten kann das nur die Gemeinschaft der Apotheken vor Ort«, so Friedrich.
Dass das gemeinsam funktionieren kann, zeigt zum Beispiel die 24/7-Beratung beim Online-Portal »Frag die Apotheke«, wo ein Zusammenschluss unabhängiger Apothekerinnen und Apotheker rund um die Uhr Patientenfragen ohne Termin per Chat beantwortet – ohne zwingend Produkte zu verkaufen oder Arzneimittel zu versenden. Dafür sollen die Patienten sich an die Apotheke ihrer Wahl wenden.
Foto: Medadom
Erste Pilotprojekte zur Telepharmazie starteten Ende der 1990er-Jahre in den USA, vor allem in dünn besiedelten Gebieten. In Australien wurde die Fernberatung sogar bereits 1942 implementiert. Mittlerweile gehört die Bereitstellung pharmazeutischer Versorgung und Dienstleistungen über digitale Medien zu den wichtigsten Prioritäten des Weltapothekerverbands FIP (DOI: 10.7399/fh.13244 ).
In Frankreich wird seit einigen Jahren eine telepharmazeutische Beratung durch öffentliche Apotheken von den Krankenkassen erstattet. Hierunter fallen auch trilaterale Gespräche zwischen Apotheker, Arzt und Patient.
Assistierte Telemedizin oder – wenn man so will – eine ärztlich assistierte Telepharmazie ist zudem in der Schweiz schon länger etabliert (DOI: 10.1016/j.sapharm.2015.08.010).
In England unterstützen Apotheker im Rahmen des »New Medicine Service« die Umsetzung der Arzneimitteltherapie bei Neuverordnungen für chronisch kranke Patienten. Dazu erfolgt das Erstgespräch in der Apotheke; die Follow-ups sind telepharmazeutisch möglich.
Die dänischen Apotheken bieten im gemeinsamen Online-Portal www.apoteket.dk eine Chatfunktion an. In Spanien haben die Krankenhausapotheken ihre telepharmazeutischen Services für ambulante Patienten seit der Coronapandemie stark ausgeweitet.
Generell hat die Pandemie weltweit der Telepharmazie und -medizin einen Schub verpasst, auch in Ländern mit niedrigem bis mittlerem Einkommen.
Das Papier-Rezept ist ein Auslaufmodell. Mit dem E-Rezept sollen alle Arzneimittel-Verordnungen über die Telematikinfrastruktur abgewickelt werden. Wir berichten über alle Entwicklungen bei der Einführung des E-Rezeptes. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite E-Rezept.