Paxlovid wirkt sehr gut, auch gegen Omikron |
Annette Rößler |
15.12.2021 18:00 Uhr |
Das US-Unternehmen Pfizer ist nicht nur am Blockbuster-Impfstoff Comirnaty® beteiligt, sondern hat mit Paxlovid™ auch noch einen vielversprechenden oralen Arzneistoffkandidaten gegen Covid-19 im Rennen. / Foto: Getty Images/Dan Kitwood
Paxlovid stellt eine Kombinationstherapie von zwei oralen antiviralen Wirkstoffen dar: einerseits die von Pfizer entwickelte neue Substanz PF-07321332, die jetzt Nirmatrelvir heißt und die für die Vermehrung von SARS-CoV-2 wichtige virale Protease 3CL hemmt, und andererseits das bekannte Ritonavir, das als Booster wirkt, indem es den Abbau von Nirmatrelvir über CYP3A4 in der Leber bremst. Die Therapie erfolgt in einer Dosis von 300 mg (zwei 150-mg-Tabletten) Nirmatrelvir plus einer 100-mg-Tablette Ritonavir zweimal täglich über fünf Tage.
Bereits im November 2021 konnte Pfizer sehr gute Zwischenergebnisse der Phase-II/III-Studie EPIC-HR (Evaluation of Protease Inhibition for Covid-19 in High-Risk Patients) vermelden. Diese haben sich jetzt laut einer aktuellen Pressemitteilung des Herstellers in der finalen Auswertung unter Einbeziehung aller 2246 Teilnehmer bestätigt. Demnach senkte die Anwendung von Paxlovid bei Therapiestart innerhalb von drei Tagen nach Symptombeginn bei erwachsenen Covid-19-Patienten mit hohem Risiko für einen schweren Verlauf das Risiko für Hospitalisierung oder Tod um 89 Prozent.
Bis zum Tag 28 wurden von 697 mit Paxlovid behandelten Patienten lediglich fünf hospitalisiert (0,7 Prozent) und keiner starb. In der Placebogruppe kamen dagegen von 682 Patienten 44 ins Krankenhaus (6,5 Prozent), von denen im weiteren Verlauf neun starben. Bei Patienten, die innerhalb von fünf Tagen nach Symptombeginn mit der Paxlovid-Therapie begonnen hatten, war das Risiko für Hospitalisierung oder Tod gegenüber Placebo um 88 Prozent reduziert (sekundärer Endpunkt): Innerhalb von 28 Tagen gab es in der Verumgruppe acht Hospitalisierungen (0,8 Prozent) und keinen Todesfall bei 1039 Patienten, in der Placebogruppe mit 1046 Patienten dagegen 66 Hospitalisierungen (6,3 Prozent) und zwölf Todesfälle.
Einen weiteren sekundären Endpunkt stellte die Veränderung der Viruslast dar. Diese wurde bei 499 Patienten erhoben. Paxlovid senkte demnach die Viruslast innerhalb von fünf Tagen etwa um den Faktor 10 (0,93 log10 Kopien/ml) im Vergleich zu Placebo. Das ist laut Pfizer die stärkste bislang für ein orales Covid-19-Medikament berichtete Viruslast-reduzierende Wirkung.
Nebenwirkungen waren meistens mild und traten in der Verum- und in der Placebogruppe ungefähr gleich häufig auf, nämlich bei 23 beziehungsweise 24 Prozent der Patienten. In der Paxlovid-Gruppe gab es weniger schwerwiegende Nebenwirkungen (1,6 versus 6,6 Prozent) und es brachen auch weniger Patienten die Studie aufgrund von Nebenwirkungen vorzeitig ab als in der Placebogruppe (2,1 versus 4,2 Prozent).
Anders als Konkurrent MSD, der mit seinem oralen Covid-19-Mittel Molnupiravir in der finalen Auswertung der Zulassungsstudie deutlich schlechtere Ergebnisse erreichte als bei der Zwischenauswertung, konnte Pfizer damit die hohen Erwartungen an Paxlovid, die mit den ersten Ergebnissen geweckt wurden, erfüllen. Die Daten sollen nun bei den Zulassungsbehörden eingereicht werden. Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) hat bereits ein Rolling-Review-Verfahren begonnen.
Gerade vor dem Hintergrund der sich ausbreitenden Omikron-Variante des Coronavirus, die sich durch einen ausgeprägten Immunescape gegenüber Impfstoff- und Infektions-induzierter Immunität auszeichnet, wird ein wirksames Medikament gegen Covid-19 dringend benötigt. Der große Vorteil ist, dass Nirmatrelvir nicht am Spike-Protein angreift, das bei der Omikron-Variante ja stark mutiert ist, sondern intrazellulär die Virusreplikation hemmt. Somit erwartet der Hersteller keine Wirksamkeitseinbußen gegenüber der Omikron-Variante.
In vitro habe Nirmatrelvir gegen alle bisher bekannten besorgniserregenden Varianten eine antivirale Aktivität gezeigt, teilt Pfizer mit. Ein biochemisches In-vitro-Assay habe bestätigt, dass auch die 3CL-Protease von Omikron gehemmt werde. Weitere In-vitro-Studien mit dieser Variante seien im Gange.
In einer zweiten Phase-II/III-Studie testet Pfizer Paxlovid zurzeit auch bei Covid-19-Patienten ohne erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf: EPIC-SR (Evaluation of Protease Inhibition for Covid-19 in Standard-Risk Patients). An dieser Untersuchung nehmen sowohl ungeimpfte Erwachsene ohne besondere Risikofaktoren teil als auch geimpfte Erwachsene mit mindestens einem Risikofaktor. Die Probanden dürfen leicht bis mittelschwer an Covid-19 erkrankt sein und beginnen doppelblind und randomisiert innerhalb von fünf Tagen nach laborbestätigter SARS-CoV-2-Infektion eine orale Therapie entweder mit Paxlovid oder mit Placebo.
Mit dieser Studie ist man noch nicht so weit, hier gab es bislang erst eine Zwischenauswertung von 45 Prozent der avisierten Teilnehmerzahl. Demnach wurden in der Paxlovid-Gruppe von 333 Teilnehmern zwei hospitalisiert (0,6 Prozent) und in der Placebogruppe von 329 Teilnehmern acht (2,4 Prozent). Hieraus errechnet sich eine Reduzierung des Risikos für Hospitalisierung oder Tod (sekundärer Endpunkt) um 70 Prozent, wobei es in dieser Studie bislang weder in der Verum- noch in der Placebogruppe Todesfälle gab. Auch in EPIC-SR zeigte sich eine starke Senkung der Viruslast unter Paxlovid um nahezu den Faktor 10 (1 log10 Kopien/m).
Der primäre Endpunkt, eine an vier aufeinanderfolgenden Tagen zu verzeichnende Besserung aller Symptome im Vergleich zu Placebo, wurde in der Zwischenauswertung allerdings verfehlt. Dennoch sprach sich ein unabhängiges Data Monitoring Committee laut Pfizer dafür aus, die Studie weiterzuführen. Mittlerweile sei die Rekrutierung abgeschlossen; mit der Bekanntgabe weiterer Daten sei noch in diesem Monat zu rechnen.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.