Paracetamol erstmals wieder in Europa produziert |
Melanie Höhn |
30.08.2022 16:00 Uhr |
Auf der Chemie-Plattform »Osiris« in Roussillon sollen jährlich 10.000 Tonnen Paracetamol produziert werden. / Foto: Seqens
Als einziges europäisches Unternehmen wird die Firma Seqens im französischen Roussillon ab 2024 den Wirkstoff Paracetamol produzieren. Für die Herstellung hat Seqens laut Medienberichten ein neues Produktionsverfahren entwickelt, für das der Konzern sogar schon ein Patent angemeldet hat. Damit soll der Ausstoß von Kohlendioxid um 75 Prozent reduziert werden.
Auf dem bedeutendsten Chemie-Gelände in Frankreich, dem sogenannten »Vallée de la Chimie«, sollen jährlich 10.000 Tonnen Paracetamol produziert werden. Dies könne den europäischen Verbrauch um etwa ein Drittel decken, heißt es. Den Vertrieb an die Apotheken in Europa sollen die Unternehmen Upsa und Sanofi regeln. Im Jahr 2008 wurde die letzte Paracetamol-Werkstatt auf der Osiris-Plattform im »Vallée de la Chimie« von der Rhodia-Gruppe geschlossen – genau dort hat Seqens nun geplant, die Anlage zu errichten.
Laut Seqens wurde das Projekt vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron nach Beginn der Corona-Pandemie im Juni 2020 angekündigt, um die Abhängigkeit von asiatischen Herstellern zu reduzieren. Finanziell wurde es von der französischen Regierung im Rahmen des »France Relance-Programms« unterstützt.
»Die Gesundheitskrise hat uns gezeigt, dass Investitionen unerlässlich sind, um die Widerstandsfähigkeit unserer Produktionskapazitäten für Gesundheitsprodukte zu stärken und damit die Gesundheitssouveränität der Europäischen Union sicherzustellen«, sagte Agnès Pannier-Runacher, ehemalige Industrieministerin und heute Ministerin für die Energiewende in Frankreich, über das Projekt.
In den vergangenen Monaten kam es immer wieder zu Lieferengpässen einzelner Arzneimittel – darunter beispielsweise bei Fiebersäften für Kinder mit dem Wirkstoff Paracetamol. Ein Grund für den Engpass ist, der stetig wachsende Kostendruck für europäische Hersteller, der eine Produktion in Europa unattraktiv macht. Die Konsequenz: Immer weniger Hersteller nehmen an der Produktion teil. Auch die Liefersicherheit der Wirkstoffe aus dem asiatischen Raum nach Europa war seit Beginn der Corona-Pandemie durch Lock-Downs und Produktionsunterbrechungen nicht gegeben, sodass es zu Engpässen bei bestimmten Medikamenten kam. Deshalb wurde immer wieder gefordert, Arzneimittel-Produktionen nach Europa zu holen. Mit der neuen Fabrik in Roussillon geht Frankreich nun einen Schritt in diese Richtung.
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