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Coronavirus

P681R-Mutation verbessert Fitness der Delta-Variante

Die Delta-Variante von SARS-CoV-2 hat die Alpha-Variante weltweit verdrängt. Über die molekularen Eigenschaften, die dieser Variante eine solche Dominanz verschaffen, wird immer noch heftig spekuliert. Ein Grund scheint die Spike-Mutation P681R zu sein.
Theo Dingermann
16.08.2021  11:18 Uhr

Die Delta-Variante (B.1.617.2) von SARS-CoV-2, die zunächst in Indien entdeckt wurde, ist mittlerweile zur weltweit dominierenden Variante geworden. Sie verdrängt mit einer solchen Dominanz andere SARS-CoV-2-Varianten, dass sie vor allem in bisher nur unzureichend geimpften Gesellschaften zu einer echten Bedrohung wird, da sich dort sehr viele Menschen in sehr kurzen Zeiträumen infizieren.

Was treibt diese Variante auf molekularer Ebene? Wie jetzt Wissenschaftler um Yang Liu vom Department of Biochemistry and Molecular Biology der Universität Texas in Galveston, USA, zeigen, spielt die P681R-Mutation im Spike-Protein eine entscheidende Rolle. Die Ergebnisse ihrer Arbeit hat das Forscher-Kollektiv jetzt auf dem Preprint-Server »BioRxiv« publiziert. Die Wissenschaftler erzeugten Viren, die entweder vor einem SARS-CoV-2-Alpha-Hintergrund das Delta-Spike-Glykoprotein oder umgekehrt vor einem SARS-CoV-2-Delta-Hintergrund das Alpha-Spike-Glykoprotein exprimieren.

Diese beiden artifiziell erzeugten Varianten haben sie dann in einem »Replikations-Wettbewerb« getestet. Dazu verwendeten sie menschliche Lungenepithelzellen und menschliches Atemwegsgewebe. Die Arbeitsgruppe konnte sehr klar zeigen, dass ein Delta-SARS-CoV-2, das mit einem Alpha-Spike-Glykoprotein ausgestattet war, deutlich weniger effizient replizierte als die unmodifizierte Delta-Variante.

Die Frage war, welche Besonderheit im Delta-Spike-Glykoprotein für diese Fitnesssteigerung verantwortlich sein könnte. Ein Kandidat ist die Mutation P681R ganz in der Nähe der Furin-Spaltstelle, die die Untereinheiten Spike 1 (S1) und S2 trennt. Um deren Bedeutung auszuloten, wandelten die Wissenschaftler diese Mutation im Delta-Spike-Glykoprotein in die Wildtypsequenz um. Durch diesen minimalen Aminosäureaustausch wurde die Replikationseffizienz der Delta-Variante signifikant reduziert, und zwar unerwarteter Weise auf ein Niveau, das unter dem der Alpha-Variante lag.

Die Wissenschaftler schlossen aus diesen Beobachtungen, dass offensichtlich die Delta-P681R-Mutation die Effizienz der Spaltung des Spike-Proteins in S1 und S2 so stark erhöht, dass das Virus nun deutlich besser eine Zelle infizieren kann.

Interessanterweise weist auch die Alpha-Variante eine Mutation an der Aminosäureposition 681 auf. Diese unterscheidet sich aber von der der Delta-Variante. Während bei der Delta-Variante im Vergleich zum Wildtyp-Virus ein Prolin in ein Arginin umgewandelt ist (P681R), ist bei der Alpha-Variante an der gleichen Stelle ein Prolin in ein Histidin überführt (P681H).

Zwar ist die Alpha-Variante ebenfalls fitter als das ursprüngliche Wildtypvirus. Allerdings erweist sich die P681H-Mutation in der Alpha-Variante bei weitem nicht so replikationssteigernd wie die P681R-Mutation in der Delta-Varianten.

Die Autoren schließen aus ihren Studien, dass das molekulare Milieu an der Furinspaltstelle extrem kritisch für die Replikationseffizienz von Virusvarianten zu sein scheint. Zu Recht fordern sie daher, dieser Region beim Auftreten neuer Virusvarianten besondere Aufmerksamkeit zu schenken.

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