Overwiening ruft zur Geschlossenheit gegen Lieferdienste auf |
Cornelia Dölger |
24.02.2022 14:30 Uhr |
»Wir beobachten den Markt genau und mit Sorge«: ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening beim ABDA-Livetalk auf Facebook am Mittwochabend. / Foto: PZ/Screenshot
Auf die Frage einer Zuschauerin beim jüngsten ABDA-Livetalk, was die ABDA »gegen die Auswüchse bei den Lieferdiensten« zu tun gedenke, wurde Overwiening am gestrigen Mittwochabend deutlich. Es würde den Apotheken helfen, »wenn unsere Geschlossenheit es gar nicht ermöglichte, dass solche externen Anbieter hier in den Markt dringen können«, betonte sie. Letztlich entscheide das natürlich jeder Apotheker selbst. Allerdings: »Wir beobachten den Markt genau und mit Sorge.«
An die Apotheker gewandt, die eine Kooperation mit einem Lieferdienst erwägen oder schon haben, gab sie zu bedenken, dass es letztlich die Plattformen seien, die davon profitierten, nicht so sehr die Apotheken. »Wenn Sie sich auf den Plattformen engagieren, erscheint nach außen die Plattform, wohingegen der Name der Apotheke in den Hintergrund tritt«, so Overwiening auf Facebook. Der Apothekenname werde dadurch austauschbar.
Hinzu komme das Risiko, dass das Lieferdienstunternehmen eines Tages aufgekauft werde, das passiere ja auch in anderen Branchen. In so einem Fall lande »ein ganzer Pool an Daten«, die das Unternehmen gesammelt habe, dann »in der nächstgrößeren Einheit«, so Overwiening. »Das heißt, wir zahlen mit Geld und Daten, aber eben auch damit, dass unsere Apotheken gegenüber der Plattform in den Hintergrund treten.« Die Standesvertretung beschäftige sich intensiv mit dem Thema, allerdings sei es für sie kartellrechtlich problematisch, öffentlich über andere Marktteilnehmer zu reden, so die ABDA-Chefin. »Versuchen Sie auch, in Ihrer Kollegenschaft links und rechts darüber zu reden«, sagte Overwiening. »In welchem Sinne, ich glaube, das wissen Sie jetzt.«
Frage und Antwort zielten auf das immer größer werdende Angebot an externen Botendiensten ab, die, meist über eigene Bestellplattformen, Produkte aus den kooperierenden Apotheken an Kunden ausliefern. Dabei werben sie damit, besonders schnell zu sein – ihre Boten gehören allerdings nicht zu den Apothekenteams, sondern zu den Start-ups. Ob dies zulässig ist, wird bekanntermaßen schon länger diskutiert: Für die ABDA müssen die Boten ganz klar zum Apothekenpersonal gehören, wohingegen die Start-ups sich auf eine Verordnungsbegründung berufen, nach der auch externe Boten solche Lieferungen übernehmen können, sofern sie dabei der Weisungspflicht der Apotheke unterliegen. Viele Lieferdienste arbeiten zudem ausschließlich mit Offizinen zusammen, die eine Versandhandelslizenz haben.
Probleme bei der Zusammenarbeit sehen die Start-ups ihrerseits allerdings nicht – vielmehr betonen sie, dass die Kooperation mit lokalen Apotheken stabil bleibe, auch wenn dereinst das E-Rezept flächendeckend in Deutschland eingeführt sei. Dies sagte etwa Hanno Heintzenberg, Geschäftsführer des Liefer-Start-ups Mayd, vor Kurzem gegenüber der PZ. Auch Ali El-Ali, Geschäftsführer und Co-Gründer des Lieferdienstes Cure, versicherte auf PZ-Anfrage, lokale Apotheken seien »ein unabdingbarer und nicht ersatzfähiger Teil unseres Geschäftsmodells«. Sein Dienst solle als digitaler Kanal zwischen Ärzten, Patienten und Apothekern etabliert werden, so El-Ali. »Wir wollen hierbei als Partner der Apotheken auftreten anstatt als Konkurrenz, um diesen Schritt gemeinsam zu gehen.« Beide, sowohl Mayd als auch Cure, wissen hierbei starke Investoren in ihrem Rücken. Zuletzt hatte Mayd mehr als 40 Millionen Euro Investorengelder eingesammelt, Cure hat bislang vier Millionen Euro im Topf.
Dass mit den Bestellplattformen auch das Risiko einer Trivialisierung von Arzneimitteln einhergehen könnte, war ein weiteres Thema beim Livetalk. Overwiening stellte die Frage, ob solche Kooperationen nicht die Bagatellisierung vorantrieben, eben weil Arzneimittel dadurch über unsichere Wege zu den Patienten gelangten. Diese Problematik, die pharmazeutischen Dienstleistungen, über deren Definition sich Apotheker und Krankenkassen noch einig werden müssen, und die Digitalisierung im Gesundheitswesen sind demnach in ein Update des »ABDA-Perspektivpapiers 2030« eingeflossen, das Mitte Januar verabschiedet wurde.