Opioid-Krise in den USA noch schlimmer als zuvor |
Massenweise wurden in den USA seit den 1990er-Jahren verordnet. Bekommen die mittlerweile süchtigen Patienten kein Rezept mehr, besorgen sie sich Heroin und andere Opioide vom Schwarzmarkt. / Foto: Getty Images/Moussa81
In den USA stirbt inzwischen ungefähr alle fünf Minuten ein Mensch an einer Überdosis Drogen. Zwischen April 2020 und April 2021 wurden erstmals mehr als 100.000 Todesopfer in einem Jahr verzeichnet, wie die Gesundheitsbehörde CDC kürzlich mitteilte. Verglichen mit dem Vorjahreszeitraum nahm die Zahl um mehr als 28 Prozent zu.
Zum Vergleich: In Deutschland wurden 2020 insgesamt 1581 «drogenbedingte Todesfälle» registriert (plus 13 Prozent), wobei dort anders als in den Vereinigten Staaten Langzeitfolgen von Drogenkonsum als Ursache mitgezählt werden. Bei einer rund vier Mal so großen Bevölkerungszahl verzeichneten die USA also mehr als 60 Mal so viele Drogentote wie Deutschland.
Rund drei von vier dieser Toten in den USA starben an einer Überdosis Opioide. Dazu zählen nach CDC-Definition natürliche Opiate wie Heroin, aber auch synthetische Substanzen wie Oxycodon. In den 1990er-Jahren drängte die Firma Purdue Pharma mit ihrem Oxycodon-haltigen Schmerzmittel Oxycontin auf den Markt – das gilt als der Urknall der derzeitigen Krise. Purdue gab das Suchtpotenzial von Oxycontin fälschlicherweise als niedrig an. Während Oxycodon in Deutschland unter das Betäubungsmittelgesetz fällt, verschrieben Ärzte in den USA die Mittel selbst bei moderaten Schmerzen freizügig. Patienten wurden massenweise abhängig.
Wenn sie Oxycodon nach der Behandlung nicht mehr auf Rezept bekamen, besorgten sie es sich oft auf dem Schwarzmarkt, wo sie mit der Zeit auf eine billigere Alternative auswichen: Heroin. Dealer strecken es häufig mit Fentanyl. Dieses synthetische Opioid ist erheblich stärker als Heroin, was das Risiko einer tödlichen Überdosis noch einmal deutlich erhöht. Inzwischen werden Opioide viel restriktiver verschrieben. Die einstige Praxis hat nach Ansicht von Experten aber den Boden für die derzeitige Drogenkrise bereitet, die die USA nicht in den Griff bekommen.
Die Corona-Pandemie hat die Opioid-Krise noch verschärft. 2018 sank die Anzahl tödlicher Überdosierungen in den USA erstmals seit langem. Doch das Virus machte alle Erfolge zunichte. Das Netz der Hilfs- und Betreuungsangebote ist in den USA ohnehin viel dünner als in Deutschland – wegen der Pandemie mussten viele Institutionen zeitweise schließen. Süchtige saßen isoliert zu Hause, wenn sie denn eines hatten.
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