Omikron »lieber ernst nehmen« |
Annette Rößler |
29.11.2021 15:06 Uhr |
Einige Mutationen, die die Omikron-Variante auszeichnen, liegen im Bereich des Spike-Proteins. Was das in der Praxis bedeutet, ist momentan allerdings noch Spekulation. / Foto: Adobe Stock/dermatzke
In einem gestern veröffentlichten Dokument ruft die WHO die Mitgliedstaaten dazu auf, sich auf den Umgang mit der Omikron-Variante vorzubereiten. Diese neue SARS-CoV-2-Variante mit vielen ungewöhnlichen Mutationen war vor Kurzem zunächst in einigen Ländern im Süden Afrikas aufgetaucht, wurde aber mittlerweile bereits auch in mehreren Ländern außerhalb Afrikas nachgewiesen, darunter Deutschland.
Die WHO, die die Variante zuvor schon als besorgniserregend (VOC) eingestuft hatte, nennt in dem Dokument noch einmal die Gründe für die Besorgnis: Mit Blick auf die Mutationen von Omikron bestehe die Möglichkeit einer Immunflucht (Immunescape) und einer leichteren Übertragbarkeit, sodass die Wahrscheinlichkeit einer weiteren Verbreitung der Variante hoch sei. Insgesamt gehe von Omikron ein sehr hohes globales Risiko aus.
Die WHO-Mitgliedstaaten werden dazu aufgerufen, durch verschärfte Surveillance mehr Informationen über Omikron zu sammeln und zu teilen. In Erwartung eines weiteren Anstiegs der Covid-19-Fallzahlen sollten Notfallpläne vorhanden sein, um die medizinische Grundversorgung bei noch einmal erhöhter Belastung des Gesundheitssystems sicherzustellen. Zum Schutz der Bevölkerung sollten Impfkampagnen so schnell wie möglich ausgeweitet werden; vor allem Angehörige von vulnerablen Gruppen, die bislang noch nicht oder nur unvollständig immunisiert worden seien, sollten mit höchster Priorität geimpft werden.
Ebenfalls gestern gab Professor Dr. Christian Drosten, Virologe an der Berliner Charité, im ZDF-»Heute Journal« eine Einschätzung zu Omikron. »Ich muss sagen, dass ich im Moment schon ziemlich besorgt bin. Ich bin überrascht, so viele Mutationen in dem Virus zu sehen«, sagte Drosten. Es bestehe die Sorge, »dass wir hier eben jetzt eine erste wirkliche Immunflucht-Mutante vor uns haben«.
Drosten betonte jedoch auch, dass die nachgewiesenen Mutationen momentan noch das einzige seien, »was wirklich greifbar ist«. Man verstehe nicht immer gleich, was Mutationen im echten Leben machen. Aus Südafrika hatte es Berichte gegeben, dass Menschen, die Covid-19 bereits durchgemacht hatten, bei Infektion mit der Omikron-Variante erneut erkrankten. Das würde für einen relevanten Immunescape der neuen Variante sprechen. Ob sich das bewahrheite, müssten die nächsten zwei bis drei Wochen zeigen, so Drosten. Unklar sei zurzeit auch noch, wie gut die Impfung schütze.
»Momentan wissen wir nicht, was da auf uns zukommt. Es fühlt sich aber anders an als die ersten Informationen bei der Alpha- und der Delta-Variante. Darum finde ich, wir sollten das jetzt lieber ernst nehmen«, sagte Drosten.
Das gelte auch für Berichte über angeblich mildere Verläufe bei Infektionen mit der Omikron-Variante, die eine südafrikanische Ärztin etwa gegenüber der britischen Zeitung »The Telegraph« geschildert hatte. Die Hausärztin hatte berichtet, dass unter ihren Patienten mit Omikron-Infektion Fatigue und Herzrasen als ungewöhnliche Symptome häufig waren, typische Covid-19-Anzeichen wie Geruchs- und Geschmacksverlust dagegen selten. Insgesamt seien von Infektionen mit der neuen Variante eher junge Menschen betroffen gewesen und die Erkrankung sei überwiegend mild verlaufen. Bei älteren Infizierten seien aber womöglich schwerere Verläufe zu erwarten, so die Ärztin.
Drosten wies im »Heute Journal« auf den momentan noch anekdotischen Charakter solcher Berichte hin. »Ich finde, daran ist noch nicht sehr viel Substanz. Wir haben gerade einmal etwas über tausend Fälle nachgewiesen und deren klinischen Verlauf muss man erstmal sehen.« Sollte sich herausstellen, dass Omikron tatsächlich weniger schwere Verläufe macht, könne man erleichtert sein, »aber ich bin im Moment von dieser Auffassung sehr weit weg.«
Der Virologe rief noch einmal eindringlich dazu auf, Impflücken schnellstmöglich zu schließen: »Keiner kann im Moment sagen, was da auf uns zukommt. Was man aber wirklich mit Sicherheit sagen kann: Es ist besser, wenn man geimpft ist. Und es ist noch besser, wenn man geboostert ist.«
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.