Oft fängt es nicht mit Bewegungsstörungen an |
Laura Rudolph |
28.03.2022 14:12 Uhr |
Eine Störung des Geruchssinns kann ein Vorbote der Parkinson-Krankheit sein. / Foto: AdobeStock/Antonio Diaz
Morbus Parkinson hat viele Gesichter. Dennoch bestehen die Definitionskriterien des seit mehr als 200 Jahren bekannten Krankheitsbilds noch heute in verlangsamten Bewegungen (Akinese) gepaart mit Muskelsteifheit (Rigor), Zittern (Tremor) und Haltungsinstabilität. »Lange Zeit glaubte man, dass diese rein motorischen Symptome die einzigen seien«, sagte Professor Dr. Claudia Trenkwalder von der Paracelsus-Elena Klinik in Kassel und der Universitätsmedizin Göttingen kürzlich bei einer Pressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen (DPG). Die möglichen Symptome und damit die Diagnose seien aber weitaus komplexer.
So träten bei rund 80 Prozent der Parkinson-Patienten viele Jahre vor dem Ausbruch der motorischen Symptome Riechstörungen auf. Diese können mithilfe eines simplen Riechtests als sehr früher Risikofaktor identifiziert werden. Durch einen speziellen Aggregations-Assay (RT QuiC) könnten Forscher Verklumpungen des Proteins α-Synuclein in Gewebeproben der Nasenschleimhaut nachweisen, sagte Trenkwalder. α-Synuclein-Aggregate befinden sich bei Parkinson-Patienten zudem im Gehirn, wo sie im Krankheitsverlauf fortschreitend Nervenzellen in der Substantia nigra zerstören, was zu den bekannten Bewegungsstörungen führt.
Ein weiteres frühes Warnzeichen seien Traumschlafstörungen: lebhafte und bedrohliche Träume, die sich in nächtlichen Bewegungen und Sprechen im Schlaf äußern. Meist bekämen die Betroffenen davon selbst nichts mit. »Die Traumschlafstörungen können bis zu 15 Jahre vor den ersten motorischen Symptomen bei Morbus Parkinson auftreten. Dies ist im Augenblick einer unserer spezifischsten Marker für die Synucleinopathien im Bereich der neurodegenerativen Erkrankungen«, sagte Trenkwalder.
Die Aggregation von α-Synuclein beginne möglicherweise schon lange Zeit vor Krankheitsausbruch in der Darmwand, verbunden mit einem Austreten in das Nervengeflecht des Darms (Plexus myentericus), so die Expertin. Folglich komme es bei den Betroffenen zu Motilitätsstörungen des Darms und Verstopfung. Weitere Beschwerden können Magenentleerungsstörungen sein. Möglichweise verändere sich auch die Zusammensetzung des Darmmikrobioms. »Der Weg und die Verbreitung von α-Synuclein aus dem Darm ins Gehirn sind derzeit ein großer Gegenstand in der Forschung«, sagte die Expertin.
In welcher Kombination und Ausprägung die verschiedenen Parkinson-Vorboten auftreten, sei sehr individuell. Umso wichtiger sei ein Wandel in der Diagnostik: Diese könnte sich vermehrt auf den Nachweis der Proteinverklumpungen statt auf die rein klinischen Symptome stützen, prognostiziert die Ärztin. Möglicherweise könnten Hautbiopsien, Nervenwasseranalysen sowie genetische und bildgebende Untersuchungen künftig eine größere Rolle spielen. Großes Potenzial könne die Nuklearmedizin zum Nachweis der Proteinaggregate haben, so Trenkwalder.