Offene Fragen zur Wirksamkeit |
Christina Hohmann-Jeddi |
27.10.2020 18:00 Uhr |
In einem Meinungsbeitrag im Fachjournal »Science« nennen Professor Dr. Marc Lipsitch von der Harvard T.H. Chan School of Public Health, Boston, und Dr. Natalie Dean von der University of Florida, Gainesville, weitere offene Punkte, die durch die Phase-III-Studien nicht abschließend geklärt werden können, aber für die Entwicklung der Impfstrategie von Bedeutung sind. Hierzu gehört der Umgang mit Risikogruppen wie Älteren und Menschen mit vorbestehenden Grunderkrankungen. Diese könnten laut Lipsitch und Dean entweder selbst geimpft und somit direkt geschützt werden oder indirekt durch Impfung ihrer Kontakte.
Ältere Menschen sind per se Covid-19-Risikopatienten, sprechen aber zumeist schlecht auf Impfungen an – ein Dilemma. / Foto: Fotolia/SyB
Von Älteren ist bekannt, dass sie aufgrund der Immunseneszenz schlechter auf Impfungen ansprechen als junge Erwachsene. Um abzuschätzen, ob eine Strategie mit direktem oder indirektem Schutz für Risikopersonen im Fall der Covid-19-Impfstoffe die richtige ist, muss bekannt sein, wie hoch die Wirksamkeit der Vakzine in den Risikogruppen ist und ob sie die Infektiosität der Geimpften senken. Das gilt vor allem bei knappen Ressourcen, wie sie zumindest in der Anfangsphase der Impfungen zu erwarten sind.
Subgruppen-spezifische Wirksamkeit werde anhand den jetzt laufenden Phase-III-Studien allerdings nur grob geschätzt werden können, schreiben die Autoren. Dieses Problem lasse sich nur durch eine Mindestrekrutierungsmenge für bestimmte Subgruppen beheben.
Nach Angaben der Herstellerfirmen sind die Risikogruppen in den laufenden Studien jedoch nicht unterrepräsentiert. So informierte Moderna kürzlich, dass 42 Prozent der Teilnehmer an der Phase-III-Studie COVE zu den medizinischen Hochrisikogruppen gehören, darunter mehr als 7000 Teilnehmer im Alter über 65 Jahre und mehr als 5000 jüngere Probanden mit chronischen Krankheiten, die ein erhöhtes Risiko für schwere Covid-19-Verläufe bergen. Außerdem gehörten etwa 37 Prozent ethnischen Minderheiten an.
Um die Aussagekraft der Studien zu erhöhen, ist es laut Lipsitch und Dean zudem wichtig, sie auch dann noch weiterlaufen zu lassen, wenn schon eine signifikante Wirksamkeit nachgewiesen wurde. Dies wird jedoch möglicherweise nicht der Fall sein: Laut Design der Studien sind mehrere Zwischenauswertungen vorgesehen, sodass nach dem Auftreten von circa 150 bis 160 Covid-19-Erkrankungen unter den Studienteilnehmern eine Wirksamkeit festgestellt und die Studie abgebrochen werden könnten.
Dagegen sprechen sich die Autoren aus, da ein längeres Follow-Up wertvolle Daten zur Langzeitsicherheit und -wirksamkeit generiere und außerdem ein besseres Bild der altersspezifischen Wirksamkeit liefere. Um mehr über die subgruppenspezifische Wirksamkeit zu erfahren, seien zudem Beobachtungsstudien nach der Zulassung ratsam und auch Vergleichsstudien mehrerer zugelassener Vakzine ohne Kontrollarm.