Nobelpreis für Forschung zum Temperatur- und Tastsinn |
Christina Hohmann-Jeddi |
04.10.2021 12:02 Uhr |
David Julius (links) und Ardem Patapoutian teilen sich den Physiologie-Nobelpreis 2021. / Foto: Nobel Prize Outreach/Niklas Elmehed
Mit dem Nobelpreis für Medizin und Physiologie werden in diesem Jahr die zwei Sinnesforscher Professor Dr. David Julius von der University of California in San Francisco und Professor Dr. Ardem Patapoutian vom Institut Scripps Research in La Jolla ausgezeichnet. Das teilte das Karolinska-Institut in Stockholm heute mit. Die Forscher erhalten den Preis für ihre Entdeckung von Sinnesrezeptoren, die Temperatur und Berührung erkennen.
Die Sinne erlauben es, die Welt um uns herum wahrzunehmen und zu interpretieren. Den beiden Preisträgern sei es zu verdanken, dass zwei davon, der Tast- und der Temperatursinn, besser verstanden wurden, erläuterte das Nobelpreiskomitee. In den 1990er-Jahren arbeiteten Julius und seine Arbeitsgruppe mit der Substanz Capsaicin, einem Inhaltsstoff von Chilischoten, der einen brennenden, heißen Sinneseindruck auslöst. Zuvor war schon bekannt gewesen, dass Capsaicin Nervenzellen aktivieren kann, um diese Eindrücke zu vermitteln. In aufwendigen Arbeiten identifizierte das Team um Julius das Gen für den entsprechenden Rezeptor auf den Nervenzellen: TRPV1 kodiert für einen bis dahin unbekannten Ionenkanal, der nicht nur auf Capsaicin, sondern auch auf hohe Temperaturen reagiert, die als schmerzvoll empfunden werden.
Die Entdeckung von TRPV1 sei ein Durchbruch gewesen, der eine Welle weiterer Entdeckungen von Temperatur-Sinnesrezeptoren auslöste, heißt es vom Komitee. So entdeckten Julius und Patapoutian unabhängig voneinander mithilfe von Menthol den Kälterezeptor TRPM8. Eine ganze Reihe von Ionenkanälen sei inzwischen bekannt, die auf unterschiedliche Temperaturen reagieren.
Noch war aber ungeklärt, wie mechanische Reize wahrgenommen werden. Um die hierfür verantwortlichen Rezeptoren zu identifizieren arbeiteten Patapoutian und sein Team mit speziellen druckempfindlichen Zellen. Da sie annahmen, dass es sich bei den gesuchten Rezeptoren auch um Ionenkanäle handelte, grenzten sie ihre Suche auf 72 Kandidatengene ein. Diese schaltete das Team eines nach dem anderen aus, bis sie auf eines stießen, das für die Mechanosensitiviät verantwortlich war. Den von ihm kodierten Rezeptor nannten die Forschenden Piezo1. Aufgrund seiner Ähnlichkeit zu Piezo1 wurde kurze Zeit später ein weiterer Ionenkanal, nämlich Piezo2, entdeckt. Beide werden aktiviert, wenn Druck auf die Zellmembran ausgeübt wird.
Später zeigte sich, dass Piezo2 essenziell für den Tastsinn ist. Der Rezeptor spielt zudem eine wichtige Rolle in der Wahrnehmung der Körperposition und Bewegung im Raum, die auch als Propriozeption bekannt ist. Darüber hinaus ist er an weiteren physiologischen Prozessen wie der Koordination von Blutdruck, Atmung und der Nierenblase beteiligt.
»Die bahnbrechenden Entdeckungen von TRPV1, TRPM8 und den Piezo-Kanälen durch die diesjährigen Preisträger haben uns erlaubt zu verstehen, wie Hitze, Kälte und mechanische Kräfte Nervenimpulse auslösen, mit denen wir die Welt um uns herum wahrnehmen und uns an sie anpassen können«, teilte das Nobelpreiskomitee zur Begründung seiner Entscheidung mit. Die Erkenntnisse würden genutzt, um Therapeutika gegen eine Reihe von Krankheiten und Beschwerden, unter anderem auch chronische Schmerzen, zu entwickeln.
Die Nobelpreise werden seit 1901 vergeben. Die Dotierung beträgt 2021 ebenso wie im Vorjahr 10 Millionen Schwedische Kronen (rund 980.000 Euro). Es gibt drei wissenschaftliche Preise für Neuerungen in der Medizin, Physik und der Chemie sowie die Auszeichnungen für Literatur und Friedensbemühungen. Im vergangenen Jahr erhielten den Medizin-Nobelpreis drei Forscher für ihre Grundlagenforschung am Hepatitis-C-Virus.