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Patentstreit um Sofosbuvir

NGO gehen in Berufung

Im Kampf um eine Anfechtung des Gilead-Patents auf den HCV-Wirkstoff Sofosbuvir lassen Nichtregierungsorganisationen (NGO) nicht locker. Wie »Ärzte ohne Grenzen« heute mitteilte, haben sie zusammen mit »Ärzte der Welt« und vier weiteren Organisationen gegen eine Entscheidung des Europäischen Patentamts Berufung eingelegt. Ziel sei es, den Missbrauch des Patentsystems aus Profitgier zu verhindern.
Ev Tebroke
05.12.2018  16:40 Uhr

Das Europäische Patentamt (EPA) in München hatte im Oktober dieses Jahres einer Anfechtung des Patents nicht stattgegeben. Im März 2017 hatten 33 zivilgesellschaftliche Organisationen aus 17 europäischen Ländern beim EPA versucht, das Patent auf einen Basisbestandteil von Sofosbuvir zu kippen. Sie argumentierten, Gilead habe keinen  »erfinderischen Schritt« geleistet. Dies sei aber Bedingung für den Erhalt eines Patents. Das EPA sah dies anders und hielt das Patent aufrecht. Dadurch bleibt es auch weiterhin unmöglich, kostengünstigere Nachahmer-Präparate auf den europäischen Markt zu bringen.

Das wollen Ärzte ohne Grenzen und ihre Mitstreiter nach wie vor nicht hinnehmen. Sie bemängeln, dass Gilead aufgrund seines Monopols überzogen hohe Preise verlange. Wegen der sehr teuren Therapiekosten bliebe aber zahlreichen Patienten die Behandlung von Hepatitis C mit dem Wirkstoff verwehrt. »Die exorbitanten Preise haben zum Teil dazu geführt, dass Gesundheitssysteme gezwungen waren, das Medikament zu rationieren. Tausende an Hepatitis C Erkrankte in Europa hatten so keinen Zugang zu einer optimalen Behandlung«, kritisiert Ärzte ohne Grenzen. Die Organisationen sind weiterhin davon überzeugt, »dass das Patent auf den Wirkstoff Sofosbuvir nicht die notwendigen juristischen und wissenschaftlichen Voraussetzungen erfüllt«.

Das US-amerikanische Pharmaunternehmen Gilead hat mit seinem Medikament einen Durchbruch in der Hepatitis-C-Behandlung erzielt. Unter dem Markennamen Sovaldi® kam es 2013 in den USA erstmals auf den Markt. Das Präparat machte als 1000-Dollar-Pille Schlagzeilen: Eine zwölfwöchige Therapie kostete 84.000 Dollar. Nach Angaben von Ärzte ohne Grenzen hat Gilead mit dem Verkauf des Medikaments und seiner Kombinationen seither mehr als 58 Milliarden Dollar verdient.

Auch hierzulande spült Sovaldi viel Geld in die Konzernkasse, so die Kritik. Während außerhalb Europas ein zwölfwöchiger Behandlungszyklus mit Generika nur 75 Euro koste, koste die entsprechende Therapie mit dem Original in manchen europäischen Ländern bis zu 43.000 Euro. 

»Es muss in Europa eine viel größere Kontrolle darüber geben, ob Pharmaunternehmen Patente verdienen oder nicht, sonst werden ungerechtfertigte Monopole weiterhin zu außer Kontrolle geratenen Medikamentenpreisen führen«, sagt Olivier Maguet, Leiter der Ärzte der Welt-Arzneimittelkampagne. Dies sei umso notwendiger, weil aktuell einige neue patentierte Medikamente, etwa zur Krebs-Behandlung, mit Preisen von 400.000 Euro pro Person auf den Markt kommen. Eine schärfere Kontrolle des Patentrechts hätte aus Sicht der Patent-Kritiker auch Strahlwirkung auf außereuropäische Märkte, wo sich viele Patentämter an den EPA-Entscheidungen orientieren.

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