Neue Targets und Wirkstoffe in Sicht |
M1-/M4-Muskarinrezeptor-Agonisten sind eine vielversprechende Klasse von Wirkstoffen, die eine präzise Modulation cholinerger Systeme ermöglichen. Ihre Rolle bei der Behandlung von schizophrenen Spektrumserkrankungen wird derzeit genau untersucht, da sie positive und kognitive Symptome beeinflussen könnten.
M1- und M4-Rezeptoren sind in ähnlichen Gehirnregionen vorhanden, in denen auch dopaminerge Neurone vorhanden sind und in denen die Positiv- und Negativsymptome verortet werden, zum Beispiel im Hippocampus, dem präfrontalen Cortex, dem anterioren Cingulum sowie dem Nucleus accumbens. Hingegen findet man die M4-Rezeptoren nicht in der Substantia nigra, sodass diese Wirkstoffe keinen Einfluss auf die Motorik in Form von EPS haben.
Die Muskarinrezeptoren beeinflussen die Konzentrationen verschiedener Neurotransmitter, darunter Acetylcholin und Dopamin. M4-Autorezeptoren sind vor allem in den Acetylcholin-ausschüttenden Neuronen im Tegmentum zu finden. Eine Aktivierung der Rezeptoren verringert die Ausschüttung von Acetylcholin im ventralen Tegmentum, was wiederum die Freisetzung von Dopamin im Striatum vermindert.
Die M1-Rezeptoren befinden sich vor allem im präfrontalen Cortex, und zwar auf den GABA-ergen Interneuronen. Durch Aktivierung wird vermehrt GABA freigesetzt. Dies reduziert die Glutamat-Freisetzung in den Pyramidenzellen, die im ventralen Tegmentum entspringen. Durch die verminderte Glutamat-Ausschüttung wird weniger Dopamin im Striatum ausgeschüttet.
Neben der Reduktion von Glutamat und Dopamin ist der M1-Agonismus an einer verbesserten kognitiven Leistungsfähigkeit beteiligt – ähnlich wie die Antidementiva (Acetylcholinesterase-Inhibitoren). Aufmerksamkeit, Gedächtnis und Lernfähigkeit werden durch M1-Agonisten verbessert.
Der erste Vertreter wurde Ende September 2024 von der US-amerikanischen Zulassungsbehörde FDA in den USA zugelassen: KarXT. Viele weitere sind in der Pipeline. Bei den Präparaten wird jeweils ein M1-/M4-Agonist mit einem nicht ZNS-gängigen Anticholinergikum kombiniert, um vor cholinergen peripheren Nebenwirkungen zu schützen. Bei KarXT ist dies eine Kombination aus Xanomelin und Trospiumchlorid.
Xanomelin wurde als Antidementivum in den 1990er-Jahren entwickelt. Die cholinergen Nebenwirkungen führten jedoch zu einer hohen Abbruchrate in Studien, sodass der Wirkstoff nie zur Behandlung der Alzheimer-Demenz zugelassen wurde. Auffällig waren jedoch die positiven Effekte auf die Verhaltenssymptome der Patienten, was zu der Idee führte, Xanomelin bei schizophren erkrankten Menschen zu erproben. Tatsächlich ergab eine randomisierte kleine (zweimal zehn Patienten) Pilotstudie günstige Resultate (2).
Eine Schwierigkeit bei der Auswahl der Wirkstoffkombinationen liegt in den Halbwertszeiten der Komponenten: Beide müssen ungefähr gleich sein, um die peripheren cholinergen Symptome zu unterdrücken. Je ähnlicher die Halbwertszeiten und Freisetzungszeiten (Cmax), desto besser die Verträglichkeit. Hier werden sich vermutlich signifikante Verträglichkeitsunterschiede der unterschiedlichen Präparate ergeben.
In der Phase-III-Studie EMERGENT-2 zeigte die Kombination Xanomelin-Trospium (KarXT) statistisch und klinisch signifikante Verbesserungen der Positiv- und der Negativsymptomatik gegenüber Placebo (3). Die häufigsten Nebenwirkungen waren gastrointestinal (Obstipation, Aufstoßen und Übelkeit mit jeweils 19 bis 21 Prozent, Erbrechen 14 Prozent, GERD 6 Prozent) und neurologisch (Kopfschmerzen 14 Prozent, Schwindel 9 Prozent). An Bluthochdruck litten 10 Prozent der Patienten (3). Unklar ist noch, wie es mit der langfristigen Verträglichkeit aussieht. Die Studien EMERGENT-4 und -5, die Betroffene über ein Jahr nachbeobachten, sollen diese Fragen beantworten.
Ein weiterer Muskarinrezeptor-Agonist, Emraclidin, der in der Pipeline war, enttäuschte in der klinischen Phase II. Weitere Datenauswertungen werden zeigen, ob der Wirkstoff in sekundären Endpunkten überzeugen konnte.
Die M1-/M4-Agonisten werden einen Meilenstein in der Schizophrenie-Behandlung darstellen, da sie sowohl gegen die Positiv- und Negativsymptome wirken als auch die Kognition verbessern, ohne extrapyramidal-motorische Nebenwirkungen, Gewichtszunahme oder metabolische Nebenwirkungen auszulösen. Diese Entwicklung wäre der erste neue nicht-Dopamin-antagonistische Wirkansatz seit mehr als 70 Jahren zur Behandlung der schizophrenen Spektrumserkrankungen.