Neue Enzymersatztherapie bei Morbus Pompe |
Brigitte M. Gensthaler |
08.09.2023 07:00 Uhr |
Die genetisch bedingte Erkrankung Morbus Pompe kann sich im Säuglings-, aber auch erst im Erwachsenenalter manifestieren. Die neuromuskuläre Erkrankung verläuft progressiv; oft können die Betroffenen nicht mehr gehen. / Foto: Getty Images/Huntstock
Morbus Pompe ist eine seltene neuromuskuläre Erkrankung und gehört zur großen Gruppe der genetisch bedingten lysosomalen Speicherkrankheiten. Der Name stammt von dem niederländischen Arzt Joannes C. Pompe, der die Krankheit 1932 erstmals beschrieben hat. Andere Namen sind Glykogen-Speicherkrankheit Typ II oder lysosomaler α-Glucosidase-Mangel. Dieser Begriff weist auf die Ursache hin: ein genetischer Defekt im Gen für die saure α-Glucosidase (GAA), die Glykogen zu Glucose abbaut. Das Enzym fehlt oder hat eine zu geringe Aktivität. In der Folge reichert sich Glykogen in den Zellen an, was Funktionsstörungen in etlichen Organen, vor allem Muskulatur, Lunge, Verdauungstrakt und Herz, nach sich zieht.
Morbus Pompe kann in verschiedenen Altersgruppen auftreten und die Krankheitslast ist sehr unterschiedlich. Gehunfähigkeit, Schwierigkeiten beim Atmen und eine drastisch verkürzte Lebensdauer sind die gravierendsten Folgen. Die schwerste Form kann sich bereits im Säuglingsalter manifestieren (IOPD, infantile-onset Pompe Disease). Auch in der späten Verlaufsform (late-onset Pompe Disease, LOPD) kommt es fortschreitend zu Schädigungen, denn wie alle neuromuskulären Erkrankungen verläuft auch Morbus Pompe progressiv.
Mit Alglucosidase alfa gibt es seit vielen Jahren eine Enzymersatztherapie (ERT: enzyme replacement therapy). Im Sommer 2022 kam Avalglucosidase alfa (Nexviadyme® 100 mg) hinzu, nun Cipaglucosidase alfa (Pombiliti™ 105 mg, Pulver für ein Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung, Amicus Therapeutics).
Für die Diagnose eines Morbus Pompe muss der Gendefekt eindeutig nachgewiesen werden. Dann kann das mangelnde Enzym therapeutisch ersetzt werden. / Foto: Getty Images/unoL
Indiziert ist der Neuling zur langfristigen ERT bei Erwachsenen mit Morbus Pompe der späten Verlaufsform (die beiden anderen Medikamente sind auch bei Kindern zugelassen). Das Enzym wird immer mit dem Enzymstabilisator Miglustat kombiniert (Opfolda® 65 mg Hartkapseln, Amicus Therapeutics). Dadurch wird der Verlust an Enzymaktivität im Blut während der Infusion minimiert. Miglustat selbst ist auch bei Morbus Gaucher Typ 1 und Niemann-Pick-Krankheit Typ C zugelassen.
Das rekombinante humane Enzym (rhGAA) ist mit bis-phosphorylierten N-Glykanen (bis-M6P) angereichert, die für eine hochaffine Bindung an Mannose-6-Phosphat-(M6P-)Rezeptoren sorgen. Nach der Bindung wird es in das Lysosom der Zelle aufgenommen, proteolytisch gespalten und in seine reifste und aktivste Form umgewandelt. Der Abbau von intramuskulärem Glykogen vermindert die Gewebeschäden.
Cipaglucosidase alfa wird alle zwei Wochen als intravenöse Infusion verabreicht; die empfohlene Dosis beträgt 20 mg/kg Körpergewicht. Die Infusion beginnt eine (höchstens drei) Stunde(n) nach der Einnahme von Miglustat und dauert vier Stunden. Um Infusions-assoziierte Reaktionen (IAR) zu vermeiden, sollte sie schrittweise verabreicht werden: von einer Anfangs-Infusionsrate von 1 mg/kg/Stunde bis zur maximalen Infusionsrate von 7 mg/kg/h. Eine Heiminfusion ist möglich, wenn die Patienten die Infusionen gut vertragen und keine IAR aufgetreten sind.
Sind bei einer früheren Enzymersatztherapie Anzeichen von IAR aufgetreten, ist eine Prämedikation mit oralen Antihistaminika, Antipyretika und/oder Corticosteroiden zu überlegen. Bei schweren allergischen oder Infusions-assoziierten Reaktionen oder Anaphylaxie ist die Infusion sofort abzubrechen und eine medizinische (Notfall-)Behandlung einzuleiten.