Neue Dreifachkombination nur noch einmal täglich |
Annette Rößler |
02.09.2025 07:00 Uhr |
Mit modernen Medikamenten kann die Lungenfunktion von Patienten mit zystischer Fibrose sehr gut erhalten werden. / © Adobe Stock/Microgen
Die zystische Fibrose (CF, Mukoviszidose) ist eine autosomal-rezessiv vererbte genetische Erkrankung, von der in Deutschland schätzungsweise 6500 Patienten betroffen sind. Bei ihnen kommt es zur Bildung eines zähen Schleims, der unter anderem die Lunge verstopft und einen Nährboden für bakterielle Infektionen bietet. Krankheitsursache sind Mutationen im CFTR-Gen (Cystic Fibrosis Transmembrane Conductance Regulator). Genprodukt des CFTR-Gens ist das CFTR-Protein, ein Membranprotein auf der Oberfläche von Epithelzellen der Lunge, des Verdauungstrakts, der Schweißdrüsen und anderer Organe, das als Chloridkanal fungiert und den Ein- und Ausstrom von Salz und Wasser in die Zelle reguliert.
Die verschiedenen CFTR-Mutationen werden in Klassen unterteilt, je nachdem ob sie ein komplettes Fehlen des CFTR-Kanals (Klasse-I-Mutationen) oder diverse Defekte des Proteins (Mutationen der Klassen II bis VI) nach sich ziehen. Die häufigste Mutation, F508del, ist eine Klasse-II-Mutation: Bei ihr ist der Reifeprozess in der Zelle gestört, sodass das CFTR-Protein schnell wieder abgebaut wird.
Bei den Wirkstoffen zur Therapie der CF unterscheidet man CFTR-Potentiatoren und CFTR-Korrektoren. Potentiatoren wie Ivacaftor erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass der CFTR-Kanal geöffnet ist. Korrektoren wie Lumacaftor, Tezacaftor und Elexacaftor erleichtern die Verarbeitung und den Transport des CFTR-Proteins an die Zelloberfläche, sodass dort schließlich mehr CFTR-Kanäle zu finden sind. In der Regel werden beide Therapieansätze miteinander kombiniert.
Dies ist auch im neuen Präparat Alyftrek® von Vertex Pharmaceuticals der Fall: Die Filmtabletten enthalten den Potentiator Deutivacaftor (D-IVA) sowie die beiden Korrektoren Tezacaftor (TEZ) und Vanzacaftor (VNZ). D-IVA ist ein deuteriertes Isotopolog von Ivacaftor (IVA). Durch die Deuterierung hat D-IVA eine längere Halbwertszeit als IVA und kann einmal täglich eingenommen werden, während Letzteres alle zwölf Stunden geschluckt werden muss. TEZ und VNZ binden an verschiedene Stellen des CFTR-Proteins und wirken dadurch additiv.
Alyftrek ist zugelassen zur Behandlung der CF bei Patienten ab sechs Jahren mit mindestens einer Nicht-Klasse-I-Mutation im CFTR-Gen. Die Einnahme erfolgt einmal täglich zusammen mit einer fetthaltigen Mahlzeit. Patienten, die weniger als 40 kg wiegen, nehmen auf einmal drei Filmtabletten mit 50 mg D-IVA/20 mg TEZ/4 mg VNZ ein, schwerere Patienten zwei Filmtabletten mit 125 mg D-IVA/50 mg TEZ/10 mg VNZ. Eine versäumte Dosis soll innerhalb von höchstens sechs Stunden nachgeholt und danach ausgelassen werden.
Die Behandlung belastet die Leber. Die Leberwerte sollen deshalb vor Therapiestart, im ersten Behandlungsjahr alle drei Monate und danach jährlich kontrolliert werden. Bei mäßig eingeschränkter Leberfunktion wird die Anwendung nicht empfohlen, kann aber bei positiver Nutzen-Risiko-Abwägung ohne Dosisanpassung erfolgen, wenn die Leberwerte engmaschig überwacht werden. Bei stark eingeschränkter Leberfunktion sollte das Medikament nicht angewendet werden.
Es besteht ein Interaktionspotenzial mit CYP3A-Induktoren und -Inhibitoren. Die gleichzeitige Anwendung mit mäßigen oder starken CYP3A-Induktoren, zum Beispiel Rifampicin, Carbamazepin oder Johanniskraut, wird nicht empfohlen. Auf Speisen oder Getränke, die Grapefruit enthalten, ist während der Behandlung zu verzichten. Bei gleichzeitiger Anwendung mit mäßigen oder starken CYP3A-Inhibitoren, zum Beispiel Erythromycin, Verapamil, Ketoconazol oder Clarithromycin, muss die Alyftrek-Dosis gemäß den Angaben in der Fachinformation reduziert werden.
D-IVA kann CYP2C9 hemmen, weshalb bei gleichzeitiger Anwendung mit Substraten dieses Enzyms mit enger therapeutischer Breite Vorsicht geboten ist. CYP3A wird durch das neue Medikament dagegen kaum induziert oder gehemmt, weshalb kein Wirksamkeitsverlust von oralen Kontrazeptiva zu befürchten ist. In Studien war allerdings das Risiko für Hautausschläge bei Frauen höher als bei Männern, insbesondere bei Frauen, die die Antibabypille anwendeten. Möglicherweise spielen hormonelle Kontrazeptiva eine Rolle beim Auftreten dieser Nebenwirkung.
Sehr häufige Nebenwirkungen waren außerdem unter anderem Kopfschmerzen, Durchfall, Infektionen der oberen Atemwege, Schwindel und Transaminaseanstiege. Letztere waren auch die häufigsten schwerwiegenden Nebenwirkungen.
Während der Schwangerschaft soll Alyftrek aus Vorsichtsgründen nicht angewendet werden. In der Stillzeit ist eine Entscheidung darüber zu treffen, ob das Stillen unterbrochen oder auf die Therapie mit Alyftrek verzichtet werden soll.
Ausschlaggebend für die Zulassung waren die Ergebnisse der beiden Phase-III-Studien SKYLINE 102 und 103. Beides waren randomisierte, doppelblinde direkte Vergleichsstudien mit IVA/TEZ/ELX (Kaftrio®) plus IVA (Kalydeco™) über 52 Wochen. Die Patientenkollektive unterschieden sich hinsichtlich der CFTR-Mutationen, die erlaubt waren. Die Patienten im Alter von mindestens zwölf Jahren erhielten zunächst vier Wochen lang IVA/TEZ/ELX; dann wurden in der SKYLINE-102-Studie 196 Patienten auf D-IVA/TEZ/VNZ umgestellt (SKYLINE 103: 284 Patienten), während 202 Patienten weiter IVA/TEZ/ELX einnahmen (SKYLINE 103: 289 Patienten).
Der primäre Endpunkt war die Nicht-Unterlegenheit gegenüber Kaftrio/Kalydeco, gemessen anhand der Veränderung im prozentualen vorhergesagten forcierten Ausatmungsvolumen (ppFEV1) von Baseline bis Woche 24. Dieser wurde in beiden Studien erreicht.
Der wichtigste sekundäre Endpunkt war eine Überlegenheit gegenüber der Vergleichstherapie bei der Veränderung des Schweißchlorids (SwCl). Dieses ist ein Surrogatmarker für die CFTR-Funktion, der sich laut Hersteller nutzen lässt, »um zwischen hochwirksamen Therapien zu unterscheiden, wenn die maximale Verbesserung der Lungenfunktion bereits erreicht wurde«. Tatsächlich sanken die SwCl-Werte unter Alyftrek stärker als unter Kaftrio/Kalydeco: In SKYLINE 102 waren es –7,5 versus +0,9 mmol/l, in SKYLINE 103 waren es –5,1 versus –2,3 mmol/l.
Die Wirksamkeit und Sicherheit des neuen Medikaments bei Patienten zwischen sechs elf Jahren wurden in der offenen Studie RIDGELINE 105 überprüft. Nach 24 Wochen war bei den 78 Probanden der ppFEV1-Wert von 99,7 gleich geblieben und die SwCl-Konzentration hatte um –8,6 mmol/l abgenommen.
In der Pharmakotherapie der zystischen Fibrose hat sich in den vergangenen Jahren einiges getan. Die Einführung der CFTR-Modulatoren hat die Behandlung nachhaltig verändert. Für viele Patienten ist momentan die Dreierkombination Kaftrio® plus Kalydeco™ die Standardtherapie.
Im direkten Vergleich mit diesem Regime war das neue Präparat Alyftrek® hinsichtlich der Lungenfunktion nicht unterlegen. Zudem zeigte das neue Arzneimittel eine überlegene Senkung des Schweißchlorids, was auf eine stärkere Wiederherstellung der CFTR-Funktion hinweist. Auch die Tatsache, dass Alyftrek nur einmal täglich einzunehmen ist, spricht dafür, das neue Medikament als Therapiefortschritt und damit vorläufig als Schrittinnovation einzustufen.
Was für das Kombinationspräparat gilt, trifft auch auf die beiden neuen Wirkstoffe im Einzelnen zu. Vanzacaftor ist ein neuer CFTR-Korrektor, Deutivacaftor ein neuer CFTR-Potentiator. Beides sind bekannte Wirkmechanismen. Vanzacaftor bindet aber an einer anderen Stelle des CFTR-Proteins als Tezacaftor, hieraus ergibt sich eine additive Wirkung. Deutivacaftor ist – wie der Name schon vermuten lässt – ein deuteriertes Ivacaftor mit einer verlängerten Halbwertszeit.
Sven Siebenand, Chefredakteur