Neue Antibabypille für den Mann im Gespräch |
Sven Siebenand |
13.04.2022 13:30 Uhr |
Das Kondom ist die bekannteste Form der männlichen Verhütung. Eine Antibabypille für den Mann ist schon seit Langem im Gespräch. Bisher hat es aber kein Ansatz zur Marktreife geschafft. / Foto: Adobe Stock/Lightfield Studios
Gängige Verhütungsmethoden für den Mann sind schnell aufgezählt: Kondome und Vasektomie. Eine Antibabypille für den Mann gibt es trotz vielerlei Forschungsansätze bis dato noch nicht. Viele Wirkstoffkandidaten zielten auf das männliche Sexualhormon Testosteron ab, was zu Nebenwirkungen wie Gewichtszunahme, Depressionen und erhöhtem LDL-Cholesterol führen kann. Im Rahmen der Tagung der American Chemical Society stellten Professor Dr. Gunda I. Georg und Abdullah Al Noman von der University of Minnesota in Minneapolis nun einen neuen Wirkstoffkandidaten vor. Sein Name ist bisher nur ein Buchstaben-Zahlen-Kürzel: YCT529. Dahinter verbirgt sich ein nicht hormonelles Verhütungsmittel für Männer.
Dreh- und Angelpunkt der Entwicklung ist der Retinsäurerezeptor alpha (RAR-α). Dieses Protein gehört zu einer Familie von drei Kernrezeptoren, die Retinsäure binden, eine Form von Vitamin A, die eine wichtige Rolle beim Zellwachstum, der Differenzierung (einschließlich Spermienbildung) und der Embryonalentwicklung spielt. Aus früheren Untersuchungen weiß man, dass das Ausschalten des RAR-α-Gens männliche Versuchstiere unfruchtbar macht, ohne offensichtliche andere Nebenwirkungen zu haben. Zudem gab es bereits einen unspezifischen RAR-Antagonisten. YTC529 wirkt dagegen sehr spezifisch am RAR-α. Die Substanz hemmt RAR-α fast 500-mal stärker als RAR-β und -γ könnte dadurch nebenwirkungsärmer sein.
Die ersten Ergebnisse aus Tierversuchen stimmen zuversichtlich. Bei oraler Gabe an männliche Mäuse über vier Wochen reduzierte YCT529 die Anzahl der Spermien sehr deutlich und verhinderte eine Schwangerschaft zu 99 Prozent. Nebenwirkungen konnten die Wissenschaftler nicht detektieren. Wie Al Noman bei einem Pressebriefing informierte, war die Wirkung vollkommen reversibel. Vier Wochen nachdem die männlichen Mäuse kein YCT529 mehr bekommen hatten, war ihre Fruchtbarkeit in Gänze wiederhergestellt.
»Mäuse sind keine Menschen«, betonte Georg und ging auf die Notwendigkeit weiterer Tests ein. Erste klinische Untersuchungen könnten – falls die US-amerikanische Zulassungsbehörde FDA dem zustimmt – schon im dritten oder vierten Quartal 2022 starten. Die Professorin, die übrigens einst in Marburg studiert hat, erinnerte daran, dass die Entwicklung eines Medikaments bis zur Marktreife viele Jahre dauern kann. Im Falle von YCT529 könne dies möglicherweise in fünf Jahren gelingen, was überdurchschnittlich schnell wäre.