Nach der OP ist vor der Nachsorge |
Eine enge Betreuung der Patienten nach bariatrischen Operationen stellt sicher, dass keine Mangelerscheinungen auftreten, und sichert den Therapieerfolg langfristig. Allerdings gibt es nicht genügend Kapazitäten dafür. / Foto: Adobe Stock/Africa Studio
Bei einer bariatrischen Operation wird der Magen-Darm-Trakt verändert, um bei Adipositas-Patienten das Magenvolumen und die Nahrungsaufnahme zu verkleinern. Es gibt verschiedene Operationstechniken. So kann mit einem Magenband der Magendurchmesser im Eingangsbereich verringert werden oder chirurgisch 80 bis 90 Prozent des Magens entfernt werden, sodass ein sogenannter Schlauchmagen resultiert. Beim Roux-en-Y-Magenbypass trennen Ärzte den Vormagen vom Restmagen ab, entfernen einen Teil des Dünndarms und nähen die verbliebenen Organteile zusammen. Verdauungssekrete von Galle und Bauchspeicheldrüse werden bei bariatrischen Operationen teilweise umgeleitet.
Für den Patienten bedeutet dies eine radikale Umstellung seines gewohnten Alltags. »Patienten müssen nach der Operation ein völlig neues Essverhalten erlernen, vor allem mit Blick auf Portionsgrößen«, sagte Mario Schwenne, Mitgründer des Experten-Netzwerks-Adipositas aus Lingen (Ems), der PZ. Der kleinere Magen kann auch dazu verleiten, zu wenig zu trinken, und die Versorgung mit wichtigen Makro- und Mikronährstoffen kann gefährdet sein.
Die Hypoproteinämie gilt als häufigster Makronährstoffmangel bei den Operierten. Gründe sind die katabole Stoffwechsellage und die geringeren Nahrungsmengen, die Patienten aufnehmen. Eine ausreichende Proteinzufuhr ist jedoch nicht nur für den Muskelerhalt wichtig. Bei einem Mangel drohen auch Folgen wie Haarausfall, brüchige Nägel und eine Neigung zu Ödemen. Um vorzubeugen, sind gut verträgliche Eiweißlieferanten wie Milchprodukte, Geflügelfleisch, Eier oder Fisch zu empfehlen. Wichtige Elemente der Ernährung sollten auch Gemüse, zuckerarmes Obst und komplexe Kohlenhydrate sein.
»Vor allem bei Bypässen ist auch eine veränderte Nahrungspassage zu beachten, die sich auf die Resorption bestimmter Mikronährstoffe auswirkt«, sagte Schwenne. Neben der Malabsorption führen auch reduzierte Nahrungsmengen dazu, dass es Betroffenen schwerer fällt, alle erforderlichen Mikronährstoffe mit der Ernährung aufzunehmen. Viele Patienten haben sich zudem schon vor der Operation nicht ausgewogen ernährt und Mängel aufgewiesen.
Insbesondere nach Bypass-Operationen sind Mikronährstoffe wie Vitamin D, Vitamin B12 und Eisen meistens lebenslang zu supplementieren. Da viele Patienten eine Malabsorption an Fett aufweisen, ist die Aufnahme von fettlöslichen Vitaminen und Spurenelementen eingeschränkt. Um die Adhärenz zu stärken, sollte das Apothekenteam über die Bedeutung der Supplementation aufklären, auch wenn die Krankenkassen die Präparate in der Regel nicht zahlen. In vielen Fällen ist ein ausreichend hoch dosiertes Multivitamin-Mineralstoff-Präparat ausreichend. Bei einigen Nährstoffen liegt die zu supplementierende Menge jedoch höher (siehe Tabelle). Der Arzt sollte die Blutwerte regelmäßig überprüfen, um Mängel rechtzeitig zu erkennen.
Mikronährstoff | Grund für Mangel | Supplementation |
---|---|---|
Folsäure | meist Ernährung mit wenig Gemüse und Salat | 600 µg pro Tag in Form eines Multivitamin-Mineralstoff-Präparats (Einnahme zweimal täglich) |
Vitamin B12 | vollständiger oder teilweiser Funktionsverlust des Magens ► Mangel an intrinsischem Faktor und Salzsäure ► verringerte Freisetzung von B12 aus Protein | 1000 bis 3000 µg alle drei bis sechs Monate intramuskulär (bevorzugt) oder 1000 µg pro Tag oral |
Vitamin B1 | reduzierte Salzsäure-Produktion, andauerndes Erbrechen oder verminderte Zufuhr | Prophylaxe: keine Empfehlungen, bei neurologischen Symptomen: in absteigender Dosis oral 500 bis 100 mg pro Tag |
Vitamin D | Vitamin D wird im Jejunum und Ileum aufgenommen ► Mangel bei Bypass-Operierten. Steatorrhoe verstärkt Mangel an dem fettlöslichen Vitamin | Prophylaxe: mindestens 3000 I.E. pro Tag empfohlen, Serumkonzentration >30 ng/ml |
Vitamin A | fettlösliches Vitamin, Mangel nach verschiedenen Operationstechniken möglich | 5000 bis 10.000 I.E. pro Tag |
Vitamine K und E | fettlösliche Vitamine, Mangel nach verschiedenen Operationstechniken möglich | Multivitamin-Mineralstoff-Präparat (Einnahme zweimal täglich) |
Calcium | Calcium wird im proximalen Jejunum resorbiert ► Calciummangel als mögliche Folge des Vitamin D-Mangels | Prophylaxe: 1200 bis 1500 mg pro Tag als Calciumcitrat |
Eisen | hauptsächliche Resorption im Dünndarm und proximalen Jejunum | Prophylaxe 45 bis 60 mg pro Tag, bei menstruierenden Frauen 50 bis 100 mg pro Tag in Form von Eisensulfat, -fumarat oder -glukonat, bei Anämie durch Eisenmangel: 100 bis 200 mg pro Tag |
Magnesium | Magenbypass | 200 bis 300 mg pro Tag als Magnesiumcitrat |
Zink | Absorption an Fett gebunden | 8 bis 15 mg pro Tag als Zinkglukonat, -sulfat oder -azetat |
Kupfer | Absorption an Salzsäure gebunden | 2 mg pro Tag als Kupferglukonat, -oxid oder -sulfat |
Auch die Psyche der Betroffenen darf nach einer bariatrischen OP nicht vernachlässigt werden. Laut einer Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2013 ist die Suizidrate postoperativ vierfach höher als in der Allgemeinbevölkerung. Bei vielen Betroffenen nimmt nach dem Eingriff selbstschädigendes Verhalten zu, weiterhin ist auf Probleme wie einen kritischen Alkoholkonsum und andere Substanzgebrauchsstörungen zu achten. Laut S3-Leitlinie »Chirurgie der Adipositas und metabolischer Erkrankungen« aus dem Jahr 2018 sollen Ärzte Patienten, die bereits vor der Operation psychische Störungen aufwiesen, auf Verschlechterungen untersuchen. Eine Anpassung der Dosis beziehungsweise der Auswahl von eingesetzten Psychopharmaka ist gegebenenfalls zu erwägen.
Bei Essstörungen sind auch subklinische Störungen zu beachten. Der verkleinerte Magen schränkt die Nahrungsmengen ein, die Patienten bei einem Essanfall konsumieren können. Auf Binge Eating weist daher weniger eine objektiv große Essensmenge hin als das Gefühl, die Kontrolle beim Essen verloren zu haben. Einige Betroffene empfinden auch die körperlichen Veränderungen nach dem Gewichtsverlust als belastend, etwa herunterhängende Hautlappen. Sollen diese chirurgisch entfernt werden, müssen Patienten die Kosten in der Regel selbst tragen.