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Klimawandel

Mit den Insekten kommen tropische Krankheiten

Weltweit leiden mehr als eine Milliarde Menschen in fast 150 Ländern unter sogenannten vernachlässigten tropischen Infektionskrankheiten (neglected tropical Diseases, NTD). Mit dem Klimawandel kommen viele Überträger der Krankheitserreger nach Europa.
Brigitte M. Gensthaler
15.07.2021  07:00 Uhr
Mit den Insekten kommen tropische Krankheiten

Dengue-Fieber, Ebola- und Zika-Virusinfektionen, Leishmaniose und Bilharziose: Die Bedeutung der meist armutsassoziierten vernachlässigten Infektionskrankheiten wird zunehmend erkannt – nicht zuletzt, weil Einzelfälle von Zika- und West-Nil-Virusinfektionen in Europa und Deutschland aufhorchen lassen. »Einige der sogenannten NTD sind bereits in Europa angekommen, andere werden erst in Dekaden kommen«, sagte Professor Dr. Sven Klimpel von der Goethe-Universität Frankfurt bei einem Symposium der Initiative Gesundheitsindustrie Hessen (IGH) und des House of Pharma, Frankfurt.

Der Parasitologe sieht einen wesentlichen Grund im anthropogenen Klimawandel. »Die Erderwärmung ist nicht rückgängig zu machen; 1,5 bis 2 °C Erwärmung sind realistisch. Wir können nur noch die Auswirkungen abmildern.« Die vektorübertragenen Infektionen (Vector-borne Diseases, VBD), also von Wirbeltieren und wirbellosen Tieren übertragene Infektionen, nähmen stark zu. Als Beispiele für Vektoren, die in Europa bereits eine Rolle als Virusüberträger spielen, nannte der Infektionsbiologe Mückenarten wie die Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus), die Asiatische Buschmücke (A. japonicus), die Gelbfiebermücke (A. aegypti) und neuerdings die Koreanische Buschmücke (A. koreicus). So ist A. albopictus ein Vektor unter anderem für Zika-, Chikungunya-, Gelbfieber- und Dengue-Viren, während A. japonicus West-Nil-, Dengue- und verschiedene Enzephalitis-Viren überträgt.

Anhand von Modellrechnungen könne man vorhersagen, wo die Mücken unter aktuellen und künftigen Klimabedingungen in Europa auftreten werden. Nach seiner Prognose wird A. japonicus nicht so viele gut geeignete Habitate finden und sich weniger ausbreiten als A. albopictus, die »erst einen Teil der möglichen Nischen besetzt« habe. A. albopictus ist bereits in Südeuropa verbreitet. 2019 wurden in Frankreich die ersten autochthonen, also im Land erfolgten Übertragungen von Zika-Viren durch Tigermücken bestätigt. »Mit dem vermehrten Auftreten der Asiatischen Tigermücke werden Zika-Infektionen ein Thema in Europa werden.«

Auch die Leishmaniose werde an Bedeutung in Europa gewinnen, sagte Klimpel. Weltweit seien etwa 350 Millionen Menschen infiziert. Verursacht wird die Erkrankung, die die Haut oder die inneren Organe befallen und schwer schädigen kann, durch Protozoen der Gattung Leishmania, die von Sandmücken (Phlebotominae, Psychodidae) übertragen werden. In Europa gebe es davon mindestens zehn Arten, die sich angesichts immer besserer Lebensbedingungen nach Norden ausbreiten könnten.

Eine massenhafte Ausbreitung erwartet der Parasitologe zudem bei Spinnentieren wie Zecken (Gemeiner Holzbock, Auwald- und Schafzecke), da diese aufgrund des Klimawandels immer bessere Lebensbedingungen fänden. Eine Meldepflicht wie beim Nachweis von FSME-Viren helfe dabei, Daten zu gewinnen, um die Ausbreitung besser modellieren zu können. 

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