Millionen Todesfälle wären vermeidbar |
Mehr Menschen mit Bluthochdruck erkennen und angemessen behandeln – das könnte Millionen Menschen weltweit das Leben retten. / Foto: Adobe Stock/lesterman
Bluthochdruck ist der wichtigste modifizierbare Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und die damit einhergehenden Todesfälle. Dabei gibt es kosteneffiziente Maßnahmen, um einem Bluthochdruck vorzubeugen oder diesen effektiv zu behandeln. Diese Möglichkeiten werden allerdings auf nationaler und globaler Ebene in vielen Ländern nach wie vor nur unzureichend umgesetzt.
Wie lohnend weitere Anstrengungen hinsichtlich eines guten Bluthochdruck-Managements sein könnten, demonstrieren Sarah Pickersgill und Kollegen in einer Modellierungsstudie, die am heutigen Montag im Fachjournal »Nature Medicine« publiziert wurde. Danach schlagen diese Autoren vor, dass sich Länder an den 80-80-80-Zielen für ihre nationale Hypertonie-Politik orientieren sollten.
Die Autoren modellierten die Auswirkungen von drei Szenarien für eine Blutdruckkontrolle in 182 Ländern anhand dieser Zielvorgaben: »Business as usual« (ohne zusätzliche Versuche, die Diagnose und Behandlung zu verbessern); »Fortschritt« (der Fortschritt entspricht dem von historisch gut abschneidenden Ländern); und »ambitioniert« (der Fortschritt ist schneller als in den historisch gut abschneidenden Ländern).
Das Team schätzt, dass im Fortschrittsszenario und im ambitionierten Szenario bis 2050 jeweils 4 bis 7 Prozent aller Todesfälle vermieden werden könnten. In absoluten Zahlen wären das 76 bis 130 Millionen Todesfälle.
Das Business-as-usual-Szenario bildet die Basis für die Möglichkeiten, die in ambitionierten Modellen stecken. Würde man so weiter handeln wie bisher, rechnen die Autoren in absoluten Zahlen mit Todesfällen, die durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen verursacht werden, mit einem Anstieg von 17 Millionen im Jahr 2020 auf 37 Millionen im Jahr 2050. Die Zahl der Herz-Kreislauf-Erkrankungen würde sich von 320 Millionen auf 710 Millionen erhöhen.
Im Vergleich zu dieser Grundannahme könnten im Fortschrittsszenario bis 2050 durchschnittlich 2,8 Millionen Todesfälle und 4,1 Millionen neue Fälle von Herz-Kreislauf-Erkrankungen pro Jahr sowie in den kommenden knapp 30 Jahren insgesamt 76 Millionen Todesfälle und 110 Millionen neue Herz-Kreislauf-Erkrankungen vermieden werden.
Das ambitionierte Szenario liefert noch bessere Resultate: Auf Basis dieses Modells ließen sich bis 2050 durchschnittlich 4,8 Millionen Todesfälle und 7,4 Millionen neue Fälle pro Jahr sowie bis 2050 insgesamt 130 Millionen Todesfälle und 200 Millionen neue Fälle von Herz-Kreislauf-Erkrankungen vermeiden. Im Vergleich zum Business-as-usual-Szenario bedeuten diese beiden Szenarien eine relative Verringerung der durch von Herz-Kreislauf-Erkrankungen verursachten Todesfälle um 13 beziehungsweise 22 Prozent.
Die Autoren sind der Meinung, dass unter realistischen und keineswegs idealen Umsetzungsbedingungen die meisten Länder die 80-80-80-Ziele bis 2040 erreichen könnten. Berücksichtigt man das prognostizierte Bevölkerungswachstum und die steigende Alterung der Bevölkerung, ließen sich damit bis zu 200 Millionen durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen verursachte Todesfälle vermeiden, so die Autoren.
Obwohl die bevölkerungsreichen Länder mit mittlerem Einkommen den größten Teil des Rückgangs an Herz-Kreislauf-Erkrankungen und durch diese Erkrankungen bedingte Todesfälle verzeichnen würden, würden gerade in den Ländern mit niedrigem Einkommen die Krankheitsraten am deutlichsten abnehmen.
Die Studie zeigt am Beispiel der Hypertonie, dass es bei der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung noch enorm viel Luft nach oben gibt. Allein schon bei der Früherkennung, dem ersten 80-Prozent-Ziel, könnten die Apotheken vor Ort eine viel wichtigere Rolle als bisher spielen. Sie könnten in ein nationales Screening eingebunden werden, indem sie allen Menschen ab einem bestimmten Alter eine standardisierte Blutdruckmessung anbieten und bei verdächtigen Werten an den Arzt verweisen.
Es reicht aber nicht, einen zu hohen Blutdruck zu diagnostizieren, einmalig zu Verhaltensmaßnahmen zu beraten und eine medikamentöse Therapie zu induzieren (das zweite 80-Prozent-Ziel). Sollen therapeutische Maßnahmen wirklich greifen, müssen die Patientinnen und Patienten langfristig betreut werden (drittes 80-Prozent-Ziel).
Auch hier kann die Apotheke einen wichtigen Beitrag leisten. Dem tragen die nun beschlossenen pharmazeutischen Dienstleistungen Rechnung, die unter anderem auch die standardisierte Erfassung des Blutdrucks beinhalten, allerdings nur bei bereits vorliegender Hypertonie-Diagnose und mindestens einem antihypertensiven Medikament. Wer diese Dienstleistung als »Bagatelle« diskreditiert, hat nichts verstanden. Gerade der niederschwellige Zugang zu den Apotheken bietet sich für ein effizientes Betreuungskonzept eines Bluthochdruckmanagements geradezu an, gerade wenn eine zweite Person im weißen Kittel verdeutlicht, wie wichtig die regelmäßige Einnahme der Blutdruckmedikamente ist und vielleicht noch Tipps hat, die die Anwendung erleichtern. Daher sind die Vorgaben der vereinbarten Dienstleistung in diesem Segment sogar noch zu eng gefasst.