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Kognitive Probleme

Medikamente für Down-Syndrom im Tierversuch erfolgreich

In Versuchen mit Down-Syndrom-Modellmäusen konnten US-Forscher einen Signalweg im Gehirn blockieren. Dadurch verbesserten sich Lern- und Gedächtnisleistung der Tiere. Sie sehen hier einen Ansatz für potenzielle neue Medikamente, die bei Menschen mit Trisomie 21 kognitive Einschränkungen bessern könnten.
Daniela Hüttemann
02.12.2019  09:00 Uhr

Bei Menschen mit Down-Syndrom, ausgelöst durch einen dreifachen Satz des Chromosoms 21 (Trisomie 21), liegen in der Regel Einschränkungen ihrer kognitiven Fähigkeiten vor. Sie haben größere Schwierigkeiten beim Lernen und ein höheres Risiko, bereits im mittleren AlterAlzheimer zu entwickeln, als Menschen mit normalem Chromosomensatz. 

Noch ist nicht bekannt, wie genau sich das zusätzliche Chromosom auf die Hirnfunktion auswirkt. Forscher um Dr. Mauro Costa-Mattioli vom Baylor College of Medicine in Houston und Dr. Peter Walter von der Universität California in San Francisco wollten herausfinden, wie die Erkrankung die Proteine im Gehirn beeinflusst. Sie fokussierten sich dabei auf einen zellulären Signalweg, der Integrated Stress Response (ISR; sinngemäß: integrierte Stressantwort) genannt wird. Involviert sind verschiedene Proteinkinasen. Normalerweise hilft die ISR den Zellen, sich vor Stress zu schützen. Dabei wird die Proteinproduktion in der Zelle gedrosselt. 

»Die Zelle überwacht permanent ihre eigene Gesundheit«, erklärt Walter. »Wenn etwas schief läuft, reagiert die Zelle damit, dass sie weniger Proteine produziert, was normalerweise eine vernünftige Reaktion auf zellulären Stress ist. Aber man braucht die Proteinsynthese für höhere kognitive Funktionen.« Ist sie herabgesetzt, äußere sich dies in einer pathologischen Gedächtnisfunktion.

Die Forscher stellten fest, dass bei Modellmäusen mit Down-Syndrom die Proteinproduktion in der Hippocampus-Region um 40 Prozent  niedriger war als bei normalen Mäusen. Der Hippocampus spielt bei Lern- und Gedächtnisfunktionen eine zentrale Rolle. Zudem berichten sie im Fachjournal »Science«, dass bei den Modellmäusen die ISR permanent aktiviert war. Auch in Gewebeproben von Menschen mit Down-Syndrom fanden sie eine erhöhte ISR-Aktivität.

Mit Kinasehemmern den Schalter umlegen

Bei den Mäusen war vor allem eine Kinase mit dem Kürzel PKR involviert. Wenn die Forscher dieses Enzym blockierten, sei es gentechnisch oder mit einem experimentellen PKR-Inhibitor, fuhr die Proteinproduktion auf ein normales Level hoch. Offenbar hatte sich die Kommunikation zwischen den Nervenzellen verbessert. Die Tiere schnitten dann in Gedächtnis- und Verhaltenstest genauso gut ab wie normale Tiere.

»Vor mehr als zehn Jahren haben wir entdeckt, dass ISR wie ein molekularer Schalter für die Proteinsynthese fungiert, die wir für die Bildung des Langzeitgedächtnisses brauchen«, erläutert Costa-Mattioli. »In dieser Studie fanden wir heraus, dass der Schalter beim Down-Syndrom auf Aus steht und was noch wichtiger ist: Wenn wir ihn wieder einschalten, kehrten sich Defizite im Langzeitgedächtnis der Mäuse um.«

Betroffene und ihre Angehörigen sollten sich noch keine verfrühten Hoffnungen machen. Es sind noch viele Fragen in präklinischen Experimenten zu klären, bis ein medikamentöser Versuch an Menschen gestartet werden kann. Die Autoren halten eine pharmakologische Intervention mit Kinasehemmern jedoch für einen vielversprechenden Ansatz.

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