Magic bullets in der Onkologie |
Aktuell sind fünf ADC für hämato-onkologische Erkrankungen in Deutschland verfügbar (Tabelle). Eines ist für die Behandlung der akuten myeloischen Leukämie (AML) zugelassen, vier weitere für die Therapie von malignen B-Zellerkrankungen: Lymphome und die chronisch lymphatische Leukämie (CLL).
Da diese Erkrankungen auch mit nicht konjugierten Antikörpern behandelbar sind, zum Beispiel Rituximab bei Non-Hodgkin-Lymphomen, und es eine wachsende Zahl alternativer Therapieansätze einschließlich bispezifischer Antikörper und CAR-T-Zellen gibt, werden die nächsten Jahre darüber entscheiden, welchen klinischen Stellenwert die ADC in diesen Indikationen künftig haben werden.
Loncastuximab Tesirin (Zynlonta®) ist ein auf CD19 abzielendes ADC. Das Protein CD19 wird an der Zelloberfläche der meisten B-Zell-Neoplasien exprimiert und ist deshalb ein wichtiges Target für die Behandlung von B-Zell-Lymphomen. Die SG3199-Komponente von Loncastuximab Tesirin ist ein als Alkylans wirkendes Pyrrolobenzodiazepin-(PBD-)Dimer, das nach Aufnahme des Konjugats proteolytisch freigesetzt wird. SG3199 bindet an die kleine Furche der DNA und bildet stark zytotoxische Crosslinks zwischen DNA-Strängen, was zur Apoptose der Tumorzellen führt.
B-Zell-Lymphome verursachen oft erst spät Beschwerden. Ein wichtiges Symptom sind geschwollene Lymphknoten. / © Adobe Stock/didesign
Polatuzumab Vedotin (Polivy®) ist ein Anti-CD79b-Antikörper, der über einen Peptid-Linker an den Mitosehemmstoff MMAE gekoppelt ist. CD79b ist eine Komponente des B-Zell-Rezeptors, die bei mehr als 95 Prozent der diffusen großen B-Zell-(DLBC-)Lymphome exprimiert wird. Nach Bindung an CD79b wird Polatuzumab Vedotin Rezeptor-vermittelt internalisiert und der Linker durch lysosomale Proteasen abgespalten. In der Folge wird MMAE freigesetzt, das als Spindelgift über Mitosehemmung die Apoptose der Tumorzellen induziert.
Bei Gemtuzumab Ozogamicin (Mylotarg®) ist der gegen den B-Zell-Rezeptor CD33 gerichtete monoklonale Antikörper Gemtuzumab kovalent an Ozogamicin gebunden. Letzteres ist ein Derivat des hochgradig zelltoxischen Wirkstoffs Calicheamicin, verbunden mit einem Hydrazon-Linker. CD33 wird bei mehr als 90 Prozent der AML-Patienten auf der Oberfläche von Myeloblasten exprimiert. Bindet das ADC an das CD33-Antigen auf der Zelloberfläche, wird es in die Zelle aufgenommen und Ozogamicin anschließend freigesetzt, was den Zelltod verursacht.
In Inotuzumab Ozogamicin (Besponsa®) ist der gegen den B-Zell-Rezeptor CD22 gerichtete monoklonale Antikörper Inotuzumab kovalent an Ozogamicin gebunden.
Der Antikörper von Brentuximab Vedotin (Adcetris®) richtet sich gegen das Oberflächenprotein CD30, sein Toxin MMAE gegen den Mikrotubuli-Apparat der Tumorzelle. Die Störung des Mikrotubuli-Apparats unterbricht den Zellzyklus und führt wie bei Polatuzumab Vedotin zum programmierten Zelltod der CD30-positiven Lymphomzelle.