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Antikörper-Wirkstoff-Konjugate

Magic bullets in der Onkologie

Antikörper-Wirkstoff-Konjugate haben sich zu einer wichtigen Säule in der Tumortherapie entwickelt und helfen Patienten mit soliden Tumoren und mit Blutkrebs. Wie sind die ebenso spezifischen wie toxischen Arzneimittel aufgebaut und wie wirken sie?
Manfred Schubert-Zsilavecz
26.01.2025  08:00 Uhr

Die Anwendung von klassischen Zytostatika gegen Krebserkrankungen geht einher mit einer erheblichen systemischen Toxizität, die sich für viele Patienten als therapielimitierend erweist. Einen tumorselektiven Therapieansatz stellen seit der Zulassung von Rituximab im Jahr 1997 monoklonale Antikörper dar, die sich gegen spezifische Antigene auf Tumorzellen richten.

Antikörper-Wirkstoff-Konjugate (antibody-drug-conjugates, ADC) nutzen tumorselektive Antikörper als Fähre, um stark zytotoxische Moleküle selektiv zu Tumorzellen zu transportieren. Daher werden sie auch als »bewaffnete Antikörper« (armed antibodies) bezeichnet. Das erste ADC, das im Jahr 2000 in einem beschleunigten Verfahren von der US-amerikanischen Zulassungsbehörde FDA zugelassen wurde, war Gemtuzumab Ozogamicin. Es besteht aus einer DNA-Strangbrüche verursachenden Calicheamicin-Verbindung, die über einen Hydrazon-Linker mit einem CD33-Antikörper gekuppelt ist.

Mit Stand Dezember 2024 waren in Deutschland zehn ADC verfügbar. Sie werden für die Behandlung von hämato-onkologischen Erkrankungen und von soliden Tumoren eingesetzt. Nach einem holprigen Start befinden sich ADC seit fünf Jahren im Aufwind, nicht zuletzt getriggert durch Zulassungen, Firmenübernahmen und Lizensierungsabkommen. Zahlreiche Konjugate befinden sich in später Phase der klinischen Prüfung, unter anderem Patritumab Deruxtecan und Datopotamab Deruxtecan.

Konjugate aus drei Komponenten

Das Konzept der magischen Kugel (magic bullet) führte der Nobelpreisträger Paul Ehrlich im Rahmen seiner Forschung über Wirkstoffe zur Behandlung der Syphilis ein. Die Metapher bringt die Idee auf den Punkt, pathogene Erreger im Körper gezielt anzugreifen und zu eliminieren, ohne dabei gesundes Gewebe zu schädigen. Später wurde das Konzept auf den gesamten Bereich der Chemotherapie einschließlich der Onkologie ausgeweitet.

Wie kaum eine andere Wirkstoffklasse verkörpern die ADC die Grundidee der magic bullets. Sie sind aus drei konstitutiven Komponenten aufgebaut:

  • einem monoklonalen Antikörper, der an ein Antigen auf der Tumorzelloberfläche bindet und so eine selektive Bindung des ADC an die Tumorzelle gewährleistet,
  • einem kovalenten Linker, der sicherstellt, dass ein zytotoxisches Molekül nicht vorzeitig im Blut freigesetzt wird, sondern erst in der Tumorzelle,
  • und einem zytotoxischen Molekül, das die Apoptose von Tumorzellen über gezielte Interaktion mit Schlüsseltargets (DNA, Mikrotubuli, Topoisomerase) ermöglicht (Abbildung 1).

Die kovalente Verknüpfung von monoklonalen Antikörpern mit zytotoxischen Molekülen kann mit der Bewaffnung von Kampfflugzeugen verglichen werden; daher werden die Toxine der ADC auch als payload (Bombenlast) bezeichnet.

Kurz zur Nomenklatur: Der Antikörper behält seinen Namen, zum Beispiel Trastuzumab, und der zweite Begriff, zum Beispiel Emtansin, bezeichnet das Toxin plus Linker.

Das Konjugat sollte wie der nicht konjugierte Antikörper an sein spezifisches Antigen binden. Die Konjugation verändert allerdings die pharmakokinetischen Eigenschaften der Antikörper. So sinkt beispielsweise die mittlere Halbwertszeit von Trastuzumab durch die Konjugation mit Emtansin von 28,5 auf 6 Tage.

Hoch potente Toxine

Auch an die Toxine der ADC werden diverse Anforderungen gestellt:

  • eine sehr hohe Zytotoxizität, die sich in einem IC₅₀-Wert im niedrigen nano- oder picomolaren Bereich widerspiegelt,
  • ein definierter Wirkmechanismus und
  • eine Bindungsstelle für die kovalente Anbindung des Linkers.

Die Zytotoxizität der in ADC eingesetzten Toxine ist so hoch, dass sie als Arzneistoffe niemals Anwendung finden würden. Erst die kovalente Bindung an Antikörper über einen Linker und der gezielte Transport zum Tumor erlauben deren Einsatz.

Die heute als »payload« verwendeten Toxine gehören mehreren Molekülklassen mit unterschiedlichen Wirkmechanismen an. Der bekannteste Vertreter der Auristatine ist das Monomethylauristatin E (MMAE), das in drei Konjugaten enthalten ist (Tabelle).

ADC, Handelsname, (Zulassungsjahr) Target Toxin (payload) Linker DAR Zulassung
Hämatologische Krebserkrankungen
Loncastuximab Tesirin, Zynlonta® (2023) CD19 PBD-Dimer spaltbar, Peptid (Valin-Alanin) 2,3 großes B-Zell-Lymphom
Polatuzumab Vedotin, Polivy® (2020) CD79b MMAE spaltbar, Peptid (Valin-Citrullin) 4 großes B-Zell-Lymphom
Gemtuzumab Ozogamicin, Mylotarg® (2018) CD33 N-Acetyl-Calicheamicin spaltbar, Hydrazon 2–3 CD33-positive akute myeloische Leukämie (AML)
Inotuzumab Ozogamicin, Besponsa® (2017) CD22 N-Acetyl-Calicheamicin spaltbar, Hydrazon 6 CD22-positive B-Vorläufer-ALL (akute lymphatische Leukämie)
Brentuximab Vedotin, Adcetris® (2012) CD30 MMAE spaltbar, Peptid (Valin-Citrullin) 4 Hodgkin-Lymphom, systemisches anaplastisches Lymphom, kutanes T-Zell-Lymphom
Solide Tumore
Enfortumab Vedotin. Padcev® (2022) Nectin-4 MMAE spaltbar, Peptid (Valin-Citrullin) 3,8 Urothelkarzinom
Trastuzumab Deruxtexan, Enhertu® (2022) HER2 Dxd spaltbar, Peptid (Glycin-Glycin-Phenylalanin-Glycin) 7,7 HER2⁺-Brustkrebs, HER2-low-Brustkrebs, HER2⁺-Magenkrebs
Sacituzumab Govitecan, Trodelvy® (2021) TROP2 SN-38 spaltbar, Peptid (Lysin, PEG) 7,6 triple-negativer Brustkrebs (TNBC), Urothelkarzinom, HR⁺-/HER2ˉ-Brustkrebs
Trastuzumab Emtansin, Kadcyla® (2014) HER2 DM1 nicht spaltbar, SMCC 3,5 HER2⁺-Brustkrebs
Mirvetuximab Soravtansin, Elahere® (2024) FRα DM4 spaltbar, Butansäure, 4-(2-Pyridinyldithio)-2-sulfo-1-(2,5-dioxo-1-pyrrolidinyl)-Ester FRα⁺-Ovarial-, Tuben- oder Peritonealkrebs
Tabelle: In Deutschland verfügbare Antikörper-Wirkstoff-Konjugate (ADC); Stand Dezember 2024

Maytansin ist ein potenter Inhibitor der Mikrotubuli-Assemblierung, der zu einem mitotischen Stillstand der Tumorzellen führt. Das Maytansin-Derivat DM1 lässt sich im Gegensatz zur Muttersubstanz leicht mit einem Linker konjugieren, was durch den Ersatz eines N-Acetylrestes durch eine Methylthiopropanoyl-Gruppe erreicht wird. DM4 ist ein weiterer Maytansin-Abkömmling, der in Mirvetuximab Soravtansin enthalten ist, das seit Mitte Dezember 2024 in Deutschland auf dem Markt ist.

Pyrrolobenzodiazepine (PBD) sind Naturstoffe mit antitumoraler Wirkung, die auf einer selektiven Alkylierung der kleinen Furche (minor groove) der DNA beruht. Dabei wird der Stickstoff N2 von Guaninresten kovalent an die elektrophile Iminstruktur von PBD gebunden.

Das schlecht wasserlösliche Alkaloid Camptothecin ist ein Topoisomerase-I-Inhibitor. Sein wasserlösliches Prodrug Irinotecan ist für die Behandlung von metastasiertem Kolorektalkrebs zugelassen. SN-38 ist der aktive Metabolit von Irinotecan und das Toxin von Sacituzumab Govitecan. Ein weiteres Campothecin-Derivat ist Exathecan, von dem sich Deruxtecan (DXd) ableitet und im Anti-HER2-ADC Trastuzumab Deruxtecan enthalten ist.

Calicheamicine sind Antibiotika mit einer komplexen Struktur und einem komplexen Wirkmechanismus. Sie sind enthalten in Gemtuzumab Ozogamicin und Inotuzumab Ozogamicin. Die Freisetzung der Toxine erfolgt zweistufig durch intrazelluläre Hydrazon-Spaltung im sauren Milieu mit nachfolgender Reduktion der Disulfid-Bindung durch intrazelluläres Glutathion. Das freigesetzte Thiol beziehungsweise Thiolat unterliegt einer intramolekularen 1,4-Addition an ein Enon und löst eine Bergman-Zyklisierung aus, die zu einem Diradikal führt, das DNA-Doppelstrangbrüche und Zelltod verursacht.

Spaltbare und nicht spaltbare Linker

ADC sind echte Hightech-Arzneistoffe, für die die Stabilität des Linkers von entscheidender Bedeutung ist. Die Wahl des Linkers wirkt sich unter anderem auf die Antigen- und Fc-Rezeptorbindung sowie auf die thermische Stabilität aus. Linker können in chemisch labile, enzymlabile und nicht spaltbare Linker unterteilt werden.

Die chemisch labilen Linker werden durch pH-abhängige Mechanismen gespalten, was konkret bedeutet, dass sie für den sauren pH-Wert des Lysosoms anfällig sind. Ein Beispiel ist der Hydrazon-Linker in Ozogamicin (Tabelle). Bei pH 7,2 ist der Linker relativ stabil (t1/2 > 60 h) im Vergleich zu pH 5,0 (t1/2: 3 h).

Da auch außerhalb des Lysosoms saure Bedingungen herrschen, kann es zu einer unspezifischen Freisetzung des Toxins außerhalb des Tumors kommen. Einer der Gründe für die vorübergehende Rücknahme von Gemtuzumab Ozogamicin war seine Instabilität im Plasma.

Die Stabilität des Konjugats wird durch enzymlabile Linker erhöht, die durch lysosomale Proteasen gespalten werden. Diese Verknüpfung ist beispielsweise in Brentuximab Vedotin mit einem Valin-Citrullin-Dipeptid-Linker erfolgreich umgesetzt.

ADC mit nicht spaltbaren Linkern werden Antigen(Rezeptor)-vermittelt internalisiert, woraufhin der Antikörper abgebaut wird. Bei diesem Typ von Linkern ist die systemische Toxizität verringert. Ein Beispiel für eine effektive Anwendung ist Trastuzumab Emtansin mit dem Succinimidyl-4-(N-maleimidomethyl-)cyclohexan-1-carboxylat-Linker (SMCC). In der Literatur werden neue Formen weniger hydrophober Linker diskutiert, die zu einer höheren Stabilität führen und die Konjugation einer größeren Anzahl hydrophober Toxinmoleküle pro Antikörper ermöglichen.

Resistenzbildung möglich

Wie andere Tumortherapeutika sind auch ADC von klinisch relevanten Resistenzen betroffen, deren vielfältige Mechanismen nur teilweise verstanden sind. Als gesichert gilt, dass es zu einer Down-Regulation des Antigens auf der Tumorzelloberfläche kommen kann. Auch eine veränderte Struktur, zum Beispiel durch Verkürzung der Primärsequenz des Antigens, kann zum Wirkungsverlust der ADC führen.

Beide Mechanismen sind bei den gegen HER2-gerichteten Therapeutika von Bedeutung. Interessant ist der Befund, wonach Trastuzumab Deruxtecan augenscheinlich weniger stark von Resistenzen betroffen ist als Trastuzumab Emtansin.

Als Lyophilisate formuliert

Bei der Formulierung von Biopharmazeutika werden flüssige Zubereitungen klar bevorzugt. Gründe für die Bevorzugung von Lösungen sind niedrigere Kosten und die höhere Anwenderfreundlichkeit im Vergleich zu Lyophilisaten. Allerdings sind Lösungen anfällig für Stabilitätsprobleme, weshalb alle ADC als Lyophilisate formuliert sind und bei Temperaturen von 2 bis 8 °C gelagert werden.

Die Wirkstoffkonzentrationen der gebrauchsfertigen ADC-Lösungen für die intravenöse Applikation sind deutlich niedriger als die Konzentrationen onkologischer Antikörperlösungen. Die hohe Wirksamkeit der Konjugate erlaubt niedrige Arzneistoffkonzentrationen, was das Risiko für Aggregation, insbesondere bei Antikörpern mit hydrophoben Toxinen, vermindert.

Im Infusionsbeutel ist die ADC-Konzentration niedrig. Daher ist ein Wirkstoffverlust aufgrund von Adsorption an den Kunststoff, die durch hydrophobe Toxine zusätzlich verstärkt wird, besonders gravierend.

In mehreren Schritten zur Wirkung

Die gewünschte Zelltoxizität der Antikörper-Wirkstoff-Konjugate erfordert mehrere Schritte, die in Abbildung 2 zusammengefasst sind.

Von den zehn in Deutschland verfügbaren ADC richten sich fünf Vertreter gegen die Antigene CD33, CD30, CD22, CD79b und CD19. Sie werden bei hämato-onkologischen Erkrankungen eingesetzt. Fünf Konjugate adressieren die Antigene HER2, Nectin-4, TROP2 und FRα. Ihr Einsatzgebiet ist die Behandlung von soliden Tumoren (Tabelle).

Acht ADC gehören zur Unterklasse IgG1, die ein kristallisierbares Fragment (Fc) besitzen, das effektiv an Fcγ-Rezeptor-exprimierende Zellen binden und diese aktivieren kann. Zwei Konjugate gehören der Unterklasse IgG4 an, die eine geringere Affinität für Fcγ-Rezeptoren haben (Gemtuzumab und Inotuzumab Ozogamicin).

Die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen einem onkologischen Antikörper und einem Antikörper-Wirkstoff-Konjugat lassen sich gut am Beispiel von Trastuzumab (Herceptin®) und Trastuzumab Emtansin (Kadcyla®) verdeutlichen. Kadcyla® ist seit 2014 in Deutschland verfügbar und war das erste klinisch relevante ADC für Frauen mit Brustkrebs. Es ist gegen HER2 gerichtet und enthält den zugelassenen Arzneistoff Trastuzumab, ein humanisierter Anti-HER2-IgG1-Antikörper, der über den Linker SMCC kovalent an das Maytansin-Derivat DM1 gebunden ist (Abbildung 3).

Emtansin bezeichnet den MCC-DM1-Teil des Konjugats. An jedes Molekül Trastuzumab sind im Durchschnitt 3,5 DM1-Moleküle kovalent gebunden. Die Bindung von DM1 an Trastuzumab verleiht dem immun-onkologischen ADC eine Selektivität für Tumorzellen mit Überexpression von HER2, wodurch die gezielte Abgabe von DM1 an Brustkrebszellen ermöglicht wird.

Nach Bindung an HER2 unterliegt Trastuzumab Emtansin einer rezeptorvermittelten Internalisierung und einem nachfolgenden lysosomalen Abbau, woraus die Freisetzung DM1-haltiger zytotoxischer Verbindungen, hauptsächlich Lysin-MCC-DM1, resultiert (Abbildung 2). Die MCC-Brücke begrenzt die systemische Freisetzung von DM1, was durch sehr niedrige Spiegel von freiem DM1 im Plasma der Patienten belegt wird.

Trastuzumab Emtansin bindet wie Trastuzumab an die Subdomäne IV in der extrazellulären Domäne von HER2 sowie an Fcγ-Rezeptoren und Komplement C1q. Zudem hemmt es wie Trastuzumab die Abtrennung der extrazellulären Domäne von HER2, inhibiert die Signalübertragung über Phosphatidylinositol-3-Kinase (PI3-K) und vermittelt eine Antikörper-abhängige zellvermittelte Zytotoxizität (Antibody-dependent cell-mediated cytotoxicity, ADCC) in Brustkrebszellen vom Menschen, die HER2 überexprimieren.

Zusammengefasst kann man sagen, dass Antikörper-Wirkstoff-Konjugate ihre Antitumoreigenschaften über die Antikörperkomponente und die freigesetzten Toxine vermitteln.

Konjugate im Einsatz bei Blutkrebs

Aktuell sind fünf ADC für hämato-onkologische Erkrankungen in Deutschland verfügbar (Tabelle). Eines ist für die Behandlung der akuten myeloischen Leukämie (AML) zugelassen, vier weitere für die Therapie von malignen B-Zellerkrankungen: Lymphome und die chronisch lymphatische Leukämie (CLL).

Da diese Erkrankungen auch mit nicht konjugierten Antikörpern behandelbar sind, zum Beispiel Rituximab bei Non-Hodgkin-Lymphomen, und es eine wachsende Zahl alternativer Therapieansätze einschließlich bispezifischer Antikörper und CAR-T-Zellen gibt, werden die nächsten Jahre darüber entscheiden, welchen klinischen Stellenwert die ADC in diesen Indikationen künftig haben werden.

Loncastuximab Tesirin (Zynlonta®) ist ein auf CD19 abzielendes ADC. Das Protein CD19 wird an der Zelloberfläche der meisten B-Zell-Neoplasien exprimiert und ist deshalb ein wichtiges Target für die Behandlung von B-Zell-Lymphomen. Die SG3199-Komponente von Loncastuximab Tesirin ist ein als Alkylans wirkendes Pyrrolobenzodiazepin-(PBD-)Dimer, das nach Aufnahme des Konjugats proteolytisch freigesetzt wird. SG3199 bindet an die kleine Furche der DNA und bildet stark zytotoxische Crosslinks zwischen DNA-Strängen, was zur Apoptose der Tumorzellen führt.

Polatuzumab Vedotin (Polivy®) ist ein Anti-CD79b-Antikörper, der über einen Peptid-Linker an den Mitosehemmstoff MMAE gekoppelt ist. CD79b ist eine Komponente des B-Zell-Rezeptors, die bei mehr als 95 Prozent der diffusen großen B-Zell-(DLBC-)Lymphome exprimiert wird. Nach Bindung an CD79b wird Polatuzumab Vedotin Rezeptor-vermittelt internalisiert und der Linker durch lysosomale Proteasen abgespalten. In der Folge wird MMAE freigesetzt, das als Spindelgift über Mitosehemmung die Apoptose der Tumorzellen induziert.

Bei Gemtuzumab Ozogamicin (Mylotarg®) ist der gegen den B-Zell-Rezeptor CD33 gerichtete monoklonale Antikörper Gemtuzumab kovalent an Ozogamicin gebunden. Letzteres ist ein Derivat des hochgradig zelltoxischen Wirkstoffs Calicheamicin, verbunden mit einem Hydrazon-Linker. CD33 wird bei mehr als 90 Prozent der AML-Patienten auf der Oberfläche von Myeloblasten exprimiert. Bindet das ADC an das CD33-Antigen auf der Zelloberfläche, wird es in die Zelle aufgenommen und Ozogamicin anschließend freigesetzt, was den Zelltod verursacht.

In Inotuzumab Ozogamicin (Besponsa®) ist der gegen den B-Zell-Rezeptor CD22 gerichtete monoklonale Antikörper Inotuzumab kovalent an Ozogamicin gebunden.

Der Antikörper von Brentuximab Vedotin (Adcetris®) richtet sich gegen das Oberflächenprotein CD30, sein Toxin MMAE gegen den Mikrotubuli-Apparat der Tumorzelle. Die Störung des Mikrotubuli-Apparats unterbricht den Zellzyklus und führt wie bei Polatuzumab Vedotin zum programmierten Zelltod der CD30-positiven Lymphomzelle.

Konjugate bei soliden Tumoren

HER2-positiver Brust- und Magenkrebs und andere solide Tumorarten machen aktuell die Hauptanwendungsgebiete der ADC aus (Tabelle).

Das erste Anti-HER2-ADC wurde unter Verwendung des bereits zugelassenen Antikörpers Trastuzumab entwickelt. Trastuzumab Emtansin (T-DM1, Kadcyla®) vereint die Wirkmechanismen von Trastuzumab und DM1. In der Phase-III-Studie EMILIA wurde das Konjugat mit einer Kombination aus dem Anti-HER2-Arzneistoff Lapatinib und dem Chemotherapeutikum Capecitabin verglichen. T-DM1 zeigte eine höhere Ansprechrate, ein längeres progressionsfreies Überleben (PFS) und Gesamtüberleben sowie eine geringere Inzidenz von Grad-3/4-Nebenwirkungen. Diese Ergebnisse mündeten in der Zulassung von T-DM1 als erstem ADC zur Behandlung eines soliden Tumors.

Enfortumab Vedotin (Padcev®) ist gegen das Oberflächenprotein Nectin-4 gerichtet, das besonders von Tumorzellen des Urothels exprimiert wird. Nach der Antikörperbindung erfolgt die Internalisierung des Konjugats mit nachfolgender Freisetzung von MMAE.

Trastuzumab Deruxtecan (T-DXd, Enhertu®) besteht aus Trastuzumab und dem Topoisomerase-I-Inhibitor Deruxtecan, die über einen spaltbaren Linker auf Tetrapeptid-Basis verbunden sind. An jedes Antikörpermolekül sind ungefähr acht Deruxtecan-Moleküle gebunden. Im Plasma ist das Konjugat stabil. Der Antikörper hemmt selektiv die HER2-vermittelte Signalkaskade und induziert die Antikörper-abhängige zelluläre Toxizität. Deruxtecan wird intrazellulär aus dem ADC durch lysosomale Enzyme, die in Krebszellen hochreguliert sind, abgespalten. Nach der Freisetzung führt das Toxin zur Apoptose der Tumorzelle.

Sacituzumab Govitecan (Trodelvy®) ist gegen das Oberflächenantigen TROP2 (Trophoblasten cell surface antigen-2) gerichtet, das bei zahlreichen soliden Tumoren auf der Oberfläche vorhanden ist. Govitecan beschreibt die Einheit aus einem Linker und dem Toxin SN-38. Nach Bindung an TROP2 wird der gesamte Komplex in die Krebszelle aufgenommen und zu den Lyso-somen transportiert, wo durch hydrolytische Spaltung SN-38 freigesetzt wird. Die Nutzenbewertung des G-BA für Trodelvy ergab einen Anhaltspunkt für einen erheblichen Zusatznutzen.

Mirvetuximab Soravtansin (Elahere®) ist ein ADC für die Behandlung von Frauen mit Eierstock-, Eileiter- und primärem Bauchfellkrebs, deren Tumoren den Folatrezeptor alfa (FRα) exprimieren. Der zytotoxische Wirkstoff ist der Tubulin-Inhibitor DM4. Das gerade zugelassene ADC kann – wie andere Konjugate auch – zu schweren Nebenwirkungen am Auge führen, was von den Ärzten strikt beachtet werden muss.

Pipeline und Marktaussichten

Antikörper-Wirkstoff-Konjugate haben sich in den letzten Jahren zu einer unverzichtbaren Säule in der onkologischen Therapie entwickelt. Es ist davon auszugehen, dass weitere ADC vor allem für die Behandlung von soliden Tumoren zugelassen werden. Bislang kennt man ausschließlich gegen HER2 gerichtete Krebstherapien.

Mit Patritumab Deruxtecan steht demnächst ein gegen HER3 gerichtetes ADC für die Therapie des nicht kleinzelligen Bronchialkarzinoms (NSCLC) zur Verfügung. Datopotamab Deruxtecan richtet sich – wie Sacituzumab Govitecan – gegen das Trophoblasten-Zelloberflächen-Antigen-2 (TROP2) und soll ebenfalls bei Patienten mit NSCLC eingesetzt werden.

Auch wirtschaftlich schreiben die Antikörper-Wirkstoff-Konjugate eine Erfolgsgeschichte: Analysten gehen davon aus, dass die weltweiten Umsätze im Jahr 2028 voraussichtlich 26 Milliarden Dollar erreichen werden, womit die Konjugate zu den umsatzstärksten Arzneimittelgruppen gehören werden.

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